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SPD: Sigmar Gabriel will mehr "Leitkultur" und "Heimat"


Richtungsstreit in der SPD
Lob und scharfe Kritik für Gabriels "Leitkultur"-Vorstoß

dpa, t-online, js

17.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Gabriel: Die SPD dürfe gesellschaftspolitische Modernisierung nicht zu sehr betonen, fordert der Ex-Parteichef.Vergrößern des Bildes
Gabriel: Die SPD dürfe gesellschaftspolitische Modernisierung nicht zu sehr betonen, fordert der Ex-Parteichef. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Um die SPD zu retten, fordert ihr ehemaliger Vorsitzender eine "Leitkultur"-Debatte – und provoziert Widerspruch in der Partei.

Außenminister Sigmar Gabriel hat die SPD nach ihrem Wahldebakel zu einer grundlegenden Kurskorrektur aufgefordert. Nötig sei eine offene Debatte über Begriffe wie "Heimat" und "Leitkultur", schrieb der frühere Parteichef in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Mit Blick auf die Herausforderungen durch den Rechtspopulismus formulierte Gabriel: "Ist die Sehnsucht nach einer "Leitkultur" angesichts einer weitaus vielfältigeren Zusammensetzung unserer Gesellschaft wirklich nur ein konservatives Propagandainstrument, oder verbirgt sich dahinter auch in unserer Wählerschaft der Wunsch nach Orientierung in einer scheinbar immer unverbindlicheren Welt der Postmoderne?"

Jetzt reagieren die ersten Genossen auf den Vorstoß des Außenministers und ehemaligen Parteichefs.

Der Chef der NRW-SPD, Michael Groschek, begrüßte Gabriels Forderung. Der "Bild am Sonntag" sagte er: "Wir dürfen den Begriff Heimat nicht den Rechten überlassen." Die SPD müsse Heimat zu einem Ort von sozialer Geborgenheit und Sicherheit machen. "Menschen erleben den Anstieg von Kriminalität, bröckelnde Straßen und marode Schulen als Staatsversagen." Das zentrale Projekt der nächsten Bundesregierung müsse ein starker und verlässlicher Sozialstaat sein.

Der Juso-Chef warnt vor Rechtsruck

Scharfe Kritik kam dagegegen von Juso-Chef Kevin Kühnert. Er schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, von "progressiven Menschen" könne man "in Zeiten des Rechtsrucks" erwarten, dass sie eine Gegenkultur anbieten. Kühnert ist einer der entschiedensten Gegner einer neuen Großen Koalition und will die SPD eher klar links der Union positionieren.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Maco Bülow, der die SPD erneuern möchte und sich seit Wochen in Debatten dazu einschaltet, twitterte, er finde es spannend, wie Gabriel jahrelang die Partei "tief in die Misere" geführt habe und nun alles besser wisse.

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Die SPD hatte im September mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren. Nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche zwischen Union, FDP und Grünen haben die Sozialdemokraten nun nach langem Ringen beschlossen, mit der CDU/CSU die Chancen für eine neue große Koalition zu sondieren.

Höhere Renten, nicht nur Ehe für alle

Gabriel warnte im "Spiegel" außerdem vor einem weiteren Abstieg der Sozialdemokratie, wenn sie nicht überzeugende Antworten auf den fundamentalen Wandel in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung finde. Die Idee der Sozialdemokratie fuße seit mehr als 150 Jahren auf gemeinsamer Interessenvertretung, auf kollektivem Handeln und auf einer auf Solidarität ausgerichteten Gesellschaft. "Wenig ist davon übrig." Der Nationalstaat könne seine Wohlfahrtsversprechen nicht mehr einlösen.

Erst wenn die SPD sich wirklich zu Veränderungen bekenne und daraus auch Konsequenzen ziehe, würden sich die Wahlergebnisse verbessern. "So gesehen ist es für die Frage des Überlebens der Sozialdemokratie in diesem Land relativ egal, ob wir in die Regierung gehen oder nicht."

Gabriel warf der SPD zudem vor, falsche Schwerpunkte zu setzen: "Die Ehe für alle haben wir in Deutschland fast zum größten sozialdemokratischen Erfolg der letzten Legislaturperiode gemacht und nicht genau so emphatisch die auch von uns durchgesetzten Mindestlöhne, Rentenerhöhungen oder die Sicherung Tausender fair bezahlter Arbeitsplätze bei einer der großen Einzelhandelsketten."

Angst vor amerikanischen Verhältnissen

Die Entwicklung der US-Demokraten zeige, wie gefährlich diese Konzentration auf die "Themen der Postmoderne" sein könne: "Wer die Arbeiter des Rust Belt verliert, dem werden die Hipster in Kalifornien auch nicht mehr helfen."

"Rust Belt" heißt jener einst blühende Industriegürtel in den USA mit Städten wie Detroit, der heute in großen Teilen brachliegt. Dort hatte US-Präsident Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl große Erfolge gefeiert.

Damit macht sich Gabriel eine gängige Erklärung für die Schwäche der Sozialdemokratie zu eigen, die von Ideen des französischen Didier Eribon ausgeht: Man habe zu sehr gesellschaftspolitisch liberale Positionen vertreten und damit Arbeiter verschreckt. Andere Beobachter warnen davor, beide Ansätze gegeneinander auszuspielen.

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