"Menschenverachtende Rhetorik" Harte Schelte für Flüchtlingspolitik der CSU
Die ungewöhnliche Linie der CSU in der Flüchtlingspolitik hat einen Sturm der Entrüstung bei sämtlichen Parteien ausgelöst. "Das sind alles nur Aktionen, um am Stammtisch zu punkten", sagte der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Wirtschaft fürchtet wegen der Angriffe auf Flüchtlingsheime Nachteile für die Unternehmen bei der Suche nach ausländischen Fachkräften.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versuche, mit Rechtspopulisten in Wettstreit zu treten, sagte Stegner. Der SPD-Vize warnte davor, mit scharfen Tönen Gewalt gegen Flüchtlinge zu befördern: "Den realen Brandstiftungen gehen meistens rhetorische Brandstiftungen vorweg."
"Unverantwortliche Verschärfung der Debatte"
Bayern will zwei spezielle Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber mit geringer Aussicht auf ein Bleiberecht schaffen. So soll die organisatorische Grundlage für eine schnellere Bearbeitung von Asylgesuchen insbesondere von Menschen vom Balkan geschaffen werden, die den Hauptanteil der zuletzt stark gestiegenen Flüchtlingszahlen in Deutschland ausmachen.
Ihre Anträge werden der Bundesregierung zufolge praktisch immer als unbegründet abgelehnt. Die Entscheidung der bayerischen Landesregierung rief jedoch massive Kritik hervor.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte der "Bild"-Zeitung: "Schrille Töne wie etwa aus Bayern, den Flüchtlingen per se massenhaften Asylmissbrauch zu unterstellen, verschärfen die Debatte dabei in unverantwortlicher Weise."
Vorwürfe von SPD bis Grünen
Der frühere langjährige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sagte zu "Focus Online": "Wenn die CSU den Flüchtlingen den Aufenthalt möglichst unattraktiv gestalten will, will sie sie vergraulen." Auch Rechtsextreme, die Flüchtlingsunterkünfte anzünden, "wollen Asylbewerber dadurch vergraulen", sagte Ude weiter. Das sei "eine erschreckende geistige Nähe, vor der man sich als Politiker hüten sollte".
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt nannte Seehofers Rhetorik in der "Stuttgarter Zeitung" "menschenverachtend". Derzeit würden "Asylsuchende verprügelt, es brennen Heime - auch in Bayern" und der CSU-Chef fordere eine "Abschreckungspolitik". "Das ist nicht nur Populismus. Das ist Zynismus und geht weit über das hinaus, was ich ertragen kann", kritisierte Göring-Eckhardt.
Großteil nur aus wirtschaftlichen Gründen in Deutschland?
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bekräftigte hingegen die Linie seiner Partei in der Flüchtlingspolitik. "Die Belastungsgrenze für die Kommunen und die Gesellschaft vor Ort ist überschritten", sagte er dem Fernsehsender Phoenix. "Das ist keine Polemik und keine Scharfmacherei, sondern blanke Realität." Bei einem großen Teil der Asylbewerber handle es sich um "bloße Wirtschaftsflüchtlinge", fügte Scheuer hinzu und forderte: "Wir müssen uns auf die schutzbedürftigen Kriegsflüchtlinge konzentrieren, denen gehört unsere volle humanitäre Unterstützung und Verantwortung."
Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn nannte Scheuers Aussagen "so erbärmlich wie entlarvend". Der Präsident des Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte der "Saarbrücker Zeitung", Deutschland brauche eine Willkommenskultur, die in der Gesellschaft verankert sei. "Denn die Unternehmen sind immer stärker auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen."