Asylrechtsreform Roth kritisiert Kretschmann scharf
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) muss sich wegen seiner Zustimmung im Bundesrat zu einer Asylrechtsreform scharfe Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen: "Ich glaube, die Entscheidung war nicht verantwortungsvoll, nicht in der Sache und nicht gegenüber der Partei", sagte die frühere Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth im Interview mit dem "Spiegel".
Sie verstehe den Alleingang nicht und sei enttäuscht. Roth warf Kretschmann vor, die Glaubwürdigkeit der Grünen aufs Spiel gesetzt zu haben. "Die Gefahr besteht, dass viele nun sagen, jetzt habe man Grüne auch dazu gebracht, zwischen richtigen und falschen Flüchtlingen zu unterscheiden."
Drei Länder für "sicher" erklärt
Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag einer Gesetzesänderung zugestimmt, die Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Damit können Asylbewerber aus diesen Ländern schneller abgeschoben werden. Roth sagte dazu: "Das Signal der Härte ist sinnlos, das ganze Gesetz ist Scheinpolitik."
Die neue Einstufung hatten vor allem CDU und CSU gefordert. Im Gegenzug setzten die Grünen mehrere ihrer Forderungen durch. So erhalten Asylbewerber und Flüchtlinge mehr Freiheit bei der Wahl von Wohnort und Arbeitsplatz.
Heftiger Parteistreit um den Asylkompromiss
Kaum ein innenpolitisches Thema hat die Grünen in der bisherigen Legislaturperiode so entzweit wie der neue Asylkompromiss. Durch Kretschmanns Ja war im Bundesrat am Freitag eine Mehrheit für die Änderung zustande gekommen. Die Zahl der Asylbewerber ist seit Jahresbeginn stark gestiegen.
Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter distanzierte sich von Kretschmann. Die Einstufung von Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten beschneide das Grundrecht auf Asyl. Die Grünen hätten zwar in den Verhandlungen Zugeständnisse erzielt. Das Gesamtpaket bleibe aber unzureichend.
Die Berliner Grünen-Chefin Bettina Jarasch verteidigte Kretschmanns Alleingang. "Wir wissen, dass es uns allen um Verbesserungen für die Flüchtlinge geht", sagte sie. Im Bundesvorstand, dem Jarasch angehört, sei lange darüber diskutiert worden. Die Grünen hätten versucht, das Maximum herauszuholen.
Man müsse akzeptieren, dass Kretschmann bei diesem Kompromiss die Folgen für die Menschen in seiner Verantwortung abgewogen habe, sagte Jarasch. Bei einem Scheitern der Verhandlungen hätten die Grünen im Vermittlungsausschuss zudem keinen Einfluss mehr gehabt.
Sinti und Roma sehen sich als "Manövriermasse"
Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Es ist ein bisschen traurig, dass wir das Gefühl haben, in dieser Sache Manövriermasse zu sein für Kompromisse." Rose fügte hinzu: "Die Leute, die in die genannten Staaten abgeschoben werden, werden in die Perspektivlosigkeit abgeschoben."
Die frühere Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John (CDU), sagte im rbb-Inforadio, die Entscheidung des Bundesrates, die Rechtswege zu verkürzen, sei richtig. Unter Diskriminierung hätten Angehörige der Minderheit der Roma nicht nur in diesen drei Balkanstaaten zu leiden, sondern auch in den EU-Staaten Ungarn und Slowakei. Das Problem müsse in den Herkunftsländern gelöst werden.