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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Diskussion um AfD-Verbot Jetzt rächt sich die jahrelange Nachlässigkeit
Die AfD ist im Umfragehoch – und die Forderung nach einem Parteiverbot laut wie nie. Doch die Chancen auf Erfolg stehen schlecht. Das liegt nicht zuletzt an den anderen Parteien.
Es gibt gute Gründe dafür, ein Verbot der AfD zu prüfen, wie es zuletzt SPD-Chefin Saskia Esken gefordert hat: Die Partei ist rassistisch, in Teilen rechtsextrem – und diese Teile wachsen rasant. Über Jahre hat die Partei sich radikalisiert, und in den vergangenen Monaten hat sie, nicht zuletzt angesichts der hohen Zustimmung aus der Bevölkerung, dabei noch einmal ordentlich Fahrt aufgenommen.
Sie profitiert dabei von Steuergeldern und Mandaten, mit denen sie Verfassungsfeinde finanziert, Fake News verbreitet und eine Gegenöffentlichkeit antreibt, die demokratiefeindlich orientiert ist. Von Geld, das sie nur deshalb generiert, weil sie als Partei existiert und in Parlamenten vertreten ist. Als naheliegend erscheint da vielen die Idee eines Parteiverbots.
Und doch wäre es zurzeit der falsche Weg. Denn der Weg zu einem Parteiverbot ist erstens ein Monsterverfahren, für das es Einheit und Einsatz der anderen Parteien braucht. Beides ist derzeit nicht in Sicht. Zweitens wäre das Superwahljahr 2024 für ein solches Ansinnen der schlechtestmögliche Zeitpunkt.
Ihre Nachlässigkeit wird den anderen Parteien zum Verhängnis
Ein Verbotsverfahren ist für jene, die es fordern, zunächst einmal ein Riesenhaufen Arbeit. Es muss von den Antragstellern gut begründet werden, Hunderte von Nachweisen für Verfassungsfeindlichkeit müssen wasserfest geliefert werden, Gerichtsverfahren über Jahre ausgetragen werden.
Stärker als bei der NPD, gegen die solche Verbotsverfahren geführt wurden (und scheiterten), ist die AfD hierbei eine Herausforderung. Denn ihre verfassungsfeindlichen Ansichten sind oft nicht im Programm niedergeschrieben, sondern werden von ihren Politikern in Reden auf Marktplätzen, auf Podiumsdiskussionen in rechtsextremen Kaderschmieden und in alternativen Medien verbreitet. Die AfD in der Realität, die AfD auf dem Papier – das ist oft ein großer Unterschied.
Akribische Detektivarbeit ist deswegen gefordert, um die Partei als Ganzes als Staatsfeind zu überführen. Einzelne Bundesländer erfahren gerade im Kleinen, wie schwer das ist. In Thüringen, wo der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem einstuft, will der Innenminister bereits seit 2022 AfD-Mitgliedern die Waffenbesitzkarten entziehen – und schon hier ist die Argumentation schwierig, die Gerichtsprozesse dazu laufen noch.
Und ein Problem schlägt nun heftig zu Buche: Die anderen Parteien haben die AfD zu lange ignoriert, nicht zuletzt, weil sie bundesweit lange bei 15 Prozent Zustimmung stagnierte. Die Schmuddelkinder im Parlament – die anderen Abgeordneten mochten nicht mit ihnen spielen, am liebsten aber haben sie auch gleich die Augen verschlossen vor ihrem Treiben.
Der Konsens fehlt
Das rächt sich jetzt. Wer die AfD gerichtsfest stellen will, muss sie verstehen, sie genau durchleuchten. Vor den übrigen Parteien stände viel Aufholarbeit, bei der sie noch dazu an einem Strang ziehen müssten, wollten sie Erfolg haben. Im Fall der NPD gingen Anträge auf Verbotsverfahren von der Bundesregierung, vom Bundestag und vom Bundesrat aus. Angesichts der gerade sehr viel höheren Zustimmung in der Bevölkerung zur AfD bräuchte es ein solches Zeichen der Geschlossenheit.
Die Stimmen in der Politik aber sind nicht geeint. Viele, wie der Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) oder der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck, sprechen sich deutlich gegen ein Verbotsverfahren aus. Viele wollen die AfD mit anderen Mitteln kleinkriegen, setzen auf die Wehrhaftigkeit der Demokratie, auf die Intelligenz und Staatstreue der deutschen Bevölkerung. In der CDU macht man im Osten sogar gemeinsame Sache mit der AfD, nutzt sie als Beschaffer von Mehrheiten für eigene Vorhaben.
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Das zeigt deutlich: Der demokratische Konsens für ein mögliches Verbot fehlt zurzeit.
Leichtfertig und hoch riskant
Unter diesen Voraussetzungen kann ein Verbotsverfahren mehr schaden, als es nützt. Zu wenig vorbereitet und zu uneins sind die anderen Parteien. Und zu offensichtlich reagieren die prominentesten Verbotsbefürworter – wie etwa Esken – mit ihren Forderungen auf die ausgezeichneten Umfragewerte für die AfD im Osten, nicht aber auf die politischen Inhalte der Partei. Die Angst vor einem Björn Höcke oder einem Jörg Urban als Ministerpräsidenten sorgt für blinden Aktionismus statt kluges Abwägen.
Für die AfD ist das ein Traum. Sie kann sich, wie sie es schon bei Einschätzungen des Verfassungsschutzes pflegt, als Opfer eines gegen sie gerichteten Staatsapparates inszenieren. Es ist ein zentrales Element ihrer Widerstands-Erzählung, die gerade im Osten so wundervoll verfängt: wir gegen Berlin, wir gegen alle anderen.
Die Angst vor der Reaktion der AfD darf die Diskussion um ein Verbot nicht ersticken. Aber sie muss eingepreist werden: Wie groß ist unser Wille, wie gut sind unsere Chancen, wie hoch wäre der potenzielle Schaden?
Nach jetziger Lage fällt die Bilanz schlecht aus. Da sind Forderungen nach einem Verbot aus den anderen Parteien nicht nur leichtfertig, sondern hoch riskant.
- Eigene Beobachtungen