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Scholz und die Migrationspolitik: Der Kanzler dealt mit Placebos


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Migrationskrise und die Ampel
Scholz dealt mit Placebos

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

13.10.2023Lesedauer: 3 Min.
imago images 0308001455Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Wenig Lösungsansätze für ein großes Problem. (Quelle: IMAGO)

Wie will Deutschland die Migrationskrise meistern? Plötzlich liefert die Bundesregierung auf diese Frage viele Antworten. Zielführend sind sie nicht.

Migration, Migration, Migration – so schallt es seit den Landtagswahlen in Hessen und Bayern durch das Land. Dabei bestehen die Probleme durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Bisher allerdings wurden sie von der Bundesregierung und insbesondere dem Kanzler kleingeredet und mit Stanzen bedacht. Passiert ist wenig.

Nun aber hat die AfD bei den Landtagswahlen Rekordwerte erzielt, die Ampelkoalition wurde empfindlich abgestraft. Und siehe da, plötzlich bewegt man sich, plötzlich kann innerhalb einer Woche sehr viel passieren.

Da sprach Scholz in den "Tagesthemen" zum Thema Migration. Da trafen sich der Kanzler, sein Vize Habeck und Finanzminister Lindner, um endlich ein wichtiges Gesetzespaket auf den Weg zu bringen, das seit Monaten in ihren Schubladen wartete. Da beschäftigten sich die Regierungschefs der Bundesländer bei einer Ministerpräsidentenkonferenz zwei Tage lang mit dem Thema Asyl. Da trifft der Kanzler am Freitagabend den CDU-Chef Merz und zwei Ministerpräsidenten, um einen "Deutschland-Pakt" voranzutreiben, der beim Thema Migration Brücken zwischen Ampelregierung und Opposition schlagen soll.

Beruhigungspillen für eine aufgebrachte Nation

So liegt ein Strauß von Vorhaben seit dieser Woche auf dem Tisch: Um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, sollen beispielsweise Ausweisungen bei Nacht verstärkt erlaubt werden; sollen nicht nur die Zimmer der Betroffenen, sondern ganze Flüchtlingsheime durchsucht werden dürfen; soll die Zahl der Haftgründe für Abschiebungshaft erhöht und der Ausreisegewahrsam verlängert werden. So wollen es Scholz, Lindner und Habeck.

Den Ländern schwebt zusätzlich eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen vor sowie eine verschärfte Pflicht für Asylbewerber, ehrenamtlich zu arbeiten, während sie auf den regulären Arbeitsmarkt keinen Fuß setzen dürfen.

Viele dieser Vorschläge aber sind problematisch, noch mehr sind nicht zielführend. Scholz und Co. arbeiten mit Placebos. Sie reichen Beruhigungspillen für eine aufgebrachte Nation, die in der Realität nur wenig an den Problemen ändern werden.

Zweifelhaft restriktiv – und Praktiker werden ignoriert

Die Vorstöße sind zum Teil so restriktiv, dass in der linksliberalen Regierung selbst mancher zweifelt, ob sie mit den Menschenrechten und unserer Gesetzgebung vereinbar sind – also auch: ob sie vor Gerichten überhaupt Bestand haben werden.

Mit dem Thema Abschiebungen bespielt man außerdem ein Feld prominent, das sich im aktuellen Klima wohlklingend hart verkaufen lässt. Nur zu gern unterschlägt man dabei allerdings, dass die allermeisten Menschen, die keinen Aufenthaltstitel in Deutschland haben, gar nicht abgeschoben werden können. Weil die Sicherheitslage in ihrer Heimat katastrophal ist oder ihre Herkunftsländer sie nicht zurücknehmen, zum Beispiel. Sehr laute Kanonen für winzige Spatzen also.

Lieber schweigen Ampel wie Länder auch darüber, dass viele ihrer Maßnahmen in der Praxis kaum umzusetzen sind. Der Verwaltungsaufwand für Abschiebungen sowie die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen zum Beispiel ist riesig. Die zuständigen Ämter aber sind völlig ausgezehrt. Experten warnen seit Monaten vor dem Kollaps, flehen händeringend um Personal. Nur ist das Problem eben nicht leicht zu lösen, klingt zudem angestaubt – wird also einfach ignoriert.

Immer offensichtlicher wird so, dass der Regierung Scholz die Ideen und vor allem der notwendige Mut fehlen, um erstens die Krise zu lösen und zweitens dem Narrativ der Rechten etwas entgegenzusetzen. Die linksliberale Regierung, die Deutschland noch vor ein paar Monaten vollmundig zum Einwanderungsland erklärte, springt jetzt lieber willig über das Stöckchen der AfD.

Zentrale Chance vertan

Dabei gäbe es andere Wege. Arbeitsverbote für Asylbewerber aufzuheben zum Beispiel, sodass sie schon nach kurzer Zeit einen Job aufnehmen und sich selbst versorgen können. Auf mehr Arbeitserlaubnisse und verkürzte Asylverfahren, die Menschen schneller in Arbeit bringen, drangen am Freitag nach ihrer Länderrunde auch die Regierungschefs der Länder.

Aus gutem Grund: Es würde die Kommunen entlasten und die Deutschen beruhigen, die über faule Flüchtlinge fluchen, aber ignorieren, dass sie per Gesetz zur Untätigkeit verpflichtet sind. Und es könnte die Nöte auf dem Arbeitsmarkt lindern, wo auch bei einfachsten Beschäftigungen inzwischen Mangel herrscht.

Doch die Angst davor, dass die Opposition über neue Pullfaktoren schimpft, scheint größer. Also sollen Arbeitsverbote nach dem Willen der Ampel bisher nur geringfügig um drei Monate reduziert werden, wie gerade verabredet wurde. Die Regierung lässt die Chance verstreichen, der große Wurf bleibt aus.

Blass, getrieben, ideenlos – die Ampel wird die Migrationskrise so nicht lösen. Und auch die AfD wird sie so nicht kleinkriegen, sondern weiter bestärken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen
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