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Ampel will Klimaschutzgesetz reformieren: Darum ist die Sorge groß


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Reform der Ampel
"Was sollen gesetzestreue Bürger denken?"


22.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Minister Habeck ist selbst nicht recht glücklich mit seinem Gesetz.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck: "Keine Sau hat sich daran gehalten", sagte er über das alte Klimaschutzgesetz. Jetzt will die Ampel es reformieren. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die Ampelregierung will das Klimaschutzgesetz reformieren. Heute ist es erstmals im Bundestag. Doch selbst in der Koalition wächst die Sorge vor einer Flucht aus der Verantwortung.

Klaus Mindrup redet sich fast in Rage. "Es ist so, als hätte ich keine Lust mehr, mich an Verkehrsregeln zu halten – und würde deshalb jetzt das Gesetz ändern, damit ich über Rot fahren darf", ruft er ins Telefon. "Das darf nicht sein. Was sollen denn all die gesetzestreuen Bürger von der Politik denken?"

Klaus Mindrup, 59, war selbst lange Teil der Politik. Von 2013 bis 2021 saß er für die SPD im Bundestag. Länger schon engagiert er sich als Biologe und Berater für den Klimaschutz, Mitte der 80er-Jahre trat er dem Bundesverband Windenergie bei. Er ist ein Dinosaurier der Bewegung, wie er selbst sagt.

Als Mindrup dann im Bundestag saß, verhandelte er für seine SPD das Klimaschutzgesetz mit, das 2019 beschlossen wurde. Damals hieß die Kanzlerin noch Angela Merkel und die SPD regierte mit der Union in einer Großen Koalition. Die Ampelregierung will das Klimaschutzgesetz nun reformieren – oder wie es nicht nur Mindrup sagen würde: deutlich schleifen.

Es ist auch sein politisches Erbe, das Klaus Mindrup nun so umtreibt. Und nicht nur ihn. Am heutigen Freitag wird der Bundestag das erste Mal über die Reform beraten. Besonders bei den Grünen regt sich Widerstand.

Der Kern der Reform

Im Kern geht es bei der Reform um die Frage, wer künftig Verantwortung dafür trägt, wenn Deutschland seine Klimaziele verfehlt. Bislang sah das Klimaschutzgesetz vor, dass das die zuständigen Bundesministerien sind – und damit die Ministerinnen und Minister selbst.

Sie hatten jährliche Budgets, die verbindlich regeln sollten, wie viele CO2-Emissionen die Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie, Energie, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft verursachen durften – die sogenannten Sektorziele. Wer die Ziele nicht einhielt, musste in einem Sofortprogramm darlegen, wie es künftig gelingen sollte.

Die Ampelregierung will das nun nicht mehr. Die Emissionen der einzelnen Sektoren sollen zwar weiterhin ausgewiesen werden, aber die verbindlichen Ziele für jeden Sektor inklusive der Verantwortlichkeit sollen wegfallen. Stattdessen soll es ein Gesamtbudget der Bundesregierung geben, stärker als vorher sollen sich die Sektoren "aushelfen" können.

Und statt jährlich zu schauen, ob die Sektorziele im vergangenen Jahr eingehalten wurden, soll nun anhand einer Prognose nur noch alle zwei Jahre überprüft werden, ob Deutschland auf Kurs ist. Erst dann muss die Bundesregierung nachlegen, wobei vor allem die Ministerien in der Pflicht seien sollen, die die Ziele am stärksten reißen.

"Jetzt wird Verantwortung verschmiert"

Besonders die FDP argumentiert, so würden Emissionen schneller und vermehrt dort eingespart, wo es auch funktioniere. Der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung jedoch wies mehrfach darauf hin, dass eigentlich kein Sektor so gut abschneide, dass er aushelfen könne – und kritisierte die Reform.

Klaus Mindrup sagt: "Wir hatten ein klares Gesetz, jetzt wird Verantwortung verschmiert." Wie viele Klimaaktivisten und Umweltverbände sieht er die Reform vor allem als Weg, das Scheitern beim Klimaschutz zu kaschieren. Denn die Maßnahmen der Bundesregierung reichen bislang nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Im Gebäudesektor und vor allem im Verkehrssektor von FDP-Minister Volker Wissing klafft eine Lücke.

"Die Bundesregierung hat kein schlüssiges Gesamtkonzept, mit der sie die Klimaziele einhalten kann – und schwächt nun gleichzeitig die Kontrolle der Ziele", sagt Mindrup. "Das ist brandgefährlich. In der EU drohen uns damit Strafzahlungen. Wir schwächen unsere Volkswirtschaft, weil sie nur klimaneutral zukunftsfähig sein wird. Und für die Akzeptanz der Demokratie ist das toxisch, weil die Bundesregierung ein Gesetz schleift, an das sie sich nicht halten will." Der Bundestag, findet er, sollte das nicht mit sich machen lassen.

"Keine Sau hat sich daran gehalten"

Für die Grünen war die Reform nie ein Herzensanliegen, sondern ein Zugeständnis an die FDP. Besonders die Spitze stellt sich nun trotzdem hinter das Vorhaben. Man stehe dazu, dass die Verantwortung künftig bei der Gesamtregierung liege, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag. Und bemühte ein Argument, das auch Klimaminister Robert Habeck nun häufig verwendet: "Das Beste, was wir tun können, ist tatsächlich Emissionen einzusparen."

Soll heißen: Endlich konkrete Maßnahmen zu beschließen, die dem Klima helfen, statt nur Ziele zu formulieren und dabei zuzuschauen, wie sie nicht eingehalten werden. Es ist das zweite Grünen-Argument, mit dem sie die Reform gerade rechtfertigen. Auch bisher habe das Klimaschutzgesetz ja nicht dazu geführt, dass alle Sektoren ihre Ziele erreicht hätten. Oder wie Habeck es einmal formulierte: "Keine Sau hat sich daran gehalten."

Die Frage ist nur, ob das wirklich besser wird, wenn die Regierung die Verantwortung nun noch breiter verteilt. Daran zweifeln auch viele Grüne, nicht nur hinter vorgehaltener Hand.

"Ohne Verantwortlichkeit wird es nicht gehen"

Die Grünen-Abgeordnete Karoline Otte etwa hält die Sektorziele nach wie vor für "sinnvoll". "Der neue Vorschlag, dass die Ministerien untereinander ihre Versäumnisse ausgleichen können, ist nicht zielführend", sagt Otte t-online, "da es dafür zum einen wenig Spielraum gibt und da er zum anderen verkennt, dass es sich bei den im Gesetz verankerten Einsparzielen um ein Mindestmaß handelt."

Grünen-Abgeordnete und Klimaschutzaktivistin Kathrin Henneberger sieht ein Hauptproblem bei den mangelnden Fortschritten im Verkehrssektor. "Verkehrsminister Wissing versucht, sich mit einer Schwächung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz seiner Verantwortung zu entziehen", sagt sie t-online. "Deshalb werden wir im Bundestag über den vorliegenden Gesetzentwurf diskutieren und um Veränderungen ringen."

Gründlichkeit verlangt bei dem Gesetz auch die Obfrau der Grünen im Klimaausschuss, Lisa Badum. "Wir können nicht von der Industrie und der Landwirtschaft erwarten, dass sie die Klimalücke des Verkehrs schließen", sagt sie t-online. "Wer trägt die Verantwortung für die Einhaltung der Klimaziele?", fragt Badum und deutet selbst eine Kompromissidee an: "Das können die Minister für ihr Ressort sein oder der Bundeskanzler für das Gesamtprogramm. Aber ohne Verantwortlichkeit wird es nicht gehen."

Bundeskanzler Olaf Scholz persönlich – und nicht die Bundesregierung als Ganzes, wie es die Reform bisher vorsieht. Es wäre zumindest ein kleiner Erfolg für die Grünen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Gespräche und Recherchen
  • Pressekonferenz von Grünen-Chefin Ricarda Lang am 18. September 2023
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