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AfD-Hochstapler-Affäre: Alice Weidel und ihr Falschaussagen-Schlupfloch


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PR-Coup oder Debakel?
Mit diesem Beschluss riskiert Weidel alles


22.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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AfD-Chefin Alice Weidel: Mitglieder werfen ihr intern vor, Hochstapler unter den Kandidaten zu decken. Ein Vorstandsbeschluss nährt diesen Verdacht. (Quelle: imago images/Frank Hoermann/Sven Simon)

Die AfD-Spitze lässt ihre EU-Kandidaten angeblich genauestens überprüfen. Doch der Beschluss wirkt maßgeschneidert – und deutet damit möglicherweise die wahren Absichten an.

Womöglich feilt die AfD-Spitze schon am PR-Coup, jetzt müssen nur noch Prüfer, Basis und Presse mitspielen. Bislang sah es so aus, als habe die Hochstapler-Affäre den AfD-Vorstand in Bedrängnis gebracht. t-online-Recherchen hatten zahlreiche Falschangaben eines Europakandidaten aufgedeckt. Nun endlich will die Parteiführung alle Kandidaten überprüfen lassen und damit wohl zum Befreiungsschlag ausholen.

Das Dilemma des Vorstands

Gern tut sie das wohl nicht, ihr Vorstoß ist das Ergebnis anhaltenden Drucks von der Basis. Mitglieder wittern Betrug, verfassen Briefe, wettern öffentlich über Vetternwirtschaft und Postenschieberei in ihrer Partei. Und so musste etwas getan werden, auch wenn die Parteiführung möglicherweise gern über das eine oder andere hinweggesehen hätte. Schließlich ist die Wahlliste das Ergebnis eines schwierigen Machtpokers, aus dem Parteichefin Alice Weidel anscheinend als Siegerin hervorgegangen war.

Weidel und ihr Co-Vorsitzender Chrupalla standen also vor dem Dilemma, die Mitglieder beruhigen zu müssen, aber möglichst die konkret verdächtigten Kandidaten nicht der Falschaussagen zu überführen. Herausgekommen ist ein offenbar maßgeschneiderter Beschluss des Vorstands, der mindestens einen Hochstapler eher schützt, als in Bedrängnis bringt. Oder sich diese Option zumindest weit offen hält. Es droht ein Scheinverfahren, das möglicherweise die tatsächlichen Vorgänge verschleiern soll.

Alibi-Prüfung zu PR-Zwecken?

Der Vorteil ist offensichtlich: Mit einem positiven Ergebnis könnten Mitglieder beruhigt werden, die in die Schusslinie geratenen Kandidaten entlastet, und gleichzeitig wäre die Krise auch noch eine Chance. Welche Partei konnte bislang von sich behaupten, die Lebensläufe aller ihrer Kandidaten geprüft zu haben? Kann man damit nicht Wahlwerbung machen? Der Teufel liegt dabei aber im Detail.

Der Vorstand hat beschlossen, die Antworten der Kandidaten auf die Pflichtfragen nach Universitäts- und Berufsabschlüssen überprüfen zu wollen. Nicht überprüft wird allerdings, ob auch andere Pflichtfragen wahrheitsgemäß beantwortet wurden. Eine davon zielte auf "Berufserfahrung außerhalb der Politik". Das dürfte sowohl dem Hochstapler Arno Bausemer entgegenkommen als auch der von Mitgliedern bezichtigten Mary Khan-Hohloch. An beiden Angaben bestehen nämlich größte Zweifel.

Falschangaben im Lebenslauf

Besonders, dass Khan-Hohloch somit nicht ihre Berufserfahrung von vier Jahren nachweisen muss, die viele bezweifeln, dürfte in der Partei Aufsehen erregen. Mit ihrer Personalie ist nämlich vor allem auch Weidel verknüpft, weil die AfD-Chefin noch während der Versammlung zu ihren Gunsten intervenierte, um einen kritischen Antrag zu verhindern.

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Nicht überprüft werden außerdem die vollständigen Angaben der Kandidaten, die sie in ihren Lebensläufen auf der Bewerberseite zur Wahlversammlung gemacht haben. Nur Angaben aus ihrer Rede sollen überprüft werden. Und das ist erneut von großem Vorteil, zumindest für Arno Bausemer. Ein Großteil seiner Falschangaben steht in diesem Lebenslauf, während er in der Versammlung kaum Angaben zu seinem biografischen Hintergrund machte.

So wird also offenbar nicht überprüft, dass er angab, mehr als zehn Jahre "Geschäftsführer eines mittelständischen Landwirtschaftsbetriebs" gewesen zu sein. Tatsächlich war er nur fünf Jahre "mitarbeitender Angehöriger" auf dem Geflügelhof seiner Eltern, wie er mittlerweile eingeräumt hat. Eine "Geschäftsführung" existierte in dem Betrieb schon aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nicht.

Auch wird auf Grundlage des Antrags offenbar nicht überprüft, dass er mehrere falsche oder irreführende Arbeitsreferenzen für seine angebliche journalistische Tätigkeit bei Medienhäusern anführte. Eine nach wenigen Wochen abgebrochene Ausbildung wurde so zur "beruflichen Station". Eine Hilfstätigkeit als Student zur Berufserfahrung. Für zwei weitere Referenzen gibt es überhaupt keine Belege.

Von Anfechtung ist die Rede

Und auch bei Berufs- und Studienabschlüssen ergibt sich womöglich Spielraum, den die vom Vorstand mit der Prüfung beauftragten Vertrauensleute nutzen könnten. Wohlgesonnene Prüfer könnten vielleicht doch Bausemers Behauptung zur Berufsausbildung folgen. Denn zwar gibt der MDR an, sein neunmonatiges Volontariatspraktikum gelte dort nicht als Berufsabschluss. Und die Studienordnung seines damaligen Journalistik-Studiengangs an der Universität Leipzig stellt ausdrücklich fest, dass das Kurzvolontariat nur in Verbindung mit dem Diplom tarifrechtlich zum Redakteur qualifiziere.

Aber schließlich kann Bausemer sich darauf zurückziehen, dass es im Journalismus aus historischen Gründen keine gesetzlichen Berufsbezeichnungen oder Zugangsbeschränkungen gibt. Jeder darf als Journalist arbeiten. Wenn dieses Argument in der Prüfung zugelassen wird, ist Bausemer auch dort vom Haken.

Khan-Hohloch müsste nur etwas befürchten, sollten sich die Zweifel an ihrem Studium tatsächlich bestätigen. In ihrer Rede gab sie an, ein Studium der Religionswissenschaft und des Öffentlichen Rechts "absolviert" zu haben, mit Schwerpunkt Europarecht.

Sollte sich herausstellen, was der Beschluss andeutet und was viele AfD-Mitglieder bereits befürchtet hatten, dann könnte der Vorstand den Hochstaplern aus Machtgründen Persilscheine ausstellen. Diese Vorwürfe werden schon jetzt laut. Von einer möglichen Anfechtung der Wahlliste ist parteiintern die Rede. Und auch davon, dass Weidel persönlich für das Debakel verantwortlich wäre. Vielleicht wird es dann doch kein PR-Coup des Vorstands.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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