Interessenkonflikt vermutet Warum hält Baerbocks Ministerium das Geld für die Retter zurück?
Eine Seenotrettungsorganisation wartet auf Fördermittel vom Auswärtigen Amt. Das könnte laut einem Bericht auch an der Personalpolitik des grünen Ministeriums liegen.
Das Außenministerium von Annalena Baerbock soll sich mit der Auszahlung von Fördermitteln für Seenotretter schwertun. Konkret geht es um Geld für den Betrieb von Schiffen von einer nicht staatlichen Rettungsorganisation. Der Verein United4Rescue – Gemeinsam Retten hat sich gegenüber "Spiegel Online" darüber beklagt, dass bislang kein Geld eingegangen sei. Dabei hatte der Bundestag im November beschlossen, dass zwischen 2023 und 2026 zwei Millionen Euro pro Jahr an die Organisation fließen sollen.
Dem Bericht nach sei das Auswärtige Amt zwar bereit, Projekte an Land zu fördern. Die Hilfe für die Schiffe, die der Verein unterstützt, scheint sich aber schwierig zu gestalten. Nach Gesprächen mit Ministeriumsbeamten sei dem Verein gesagt worden, es gebe "eine politische Vorgabe", keine Schiffe zu finanzieren. So wurde es dem Bericht nach in einem Gesprächsprotokoll vermerkt.
Verein hat Rettungsschiffe finanziell unterstützt
United4Rescue – Gemeinsam Retten hat eine Allianz gegründet, die mit ihren Finanzmitteln drei Rettungsschiffe unterstützt: die Sea-Eye 4 und 5 und die Humanity 1. Betrieben werden diese von den Organisationen Sea-Eye e.V. und SOS Humanity e.V. United4Rescue hat vor allem beim Erwerb der Rettungsschiffe geholfen. Es werden auch kleinere Initiativen gefördert, wie solche, die Schnellboote zur Rettung benutzen oder die Hubschrauberflüge durchführen. Außerdem sieht sich der Verein verpflichtet, für die Anliegen der Geflüchteten in der Öffentlichkeit zu werben und einzutreten.
Das Außenministerium bestätigte gegenüber "Spiegel Online", dass United4Rescue noch kein Geld bekommen habe. Die Abstimmungen über die konkrete Vergabe der Mittel und die genaue Projektausgestaltung liefe noch, eine abschließende Entscheidung sei noch nicht gefallen. Geld für die Seenotrettung sei aber keineswegs tabu, hieß es.
Liegt das Problem auf der politischen Ebene?
Der Verein sieht das anders. Im März habe man ihm angeboten, die Mittel zu teilen. "Konkrete Vorschläge/Projekte von Partnern von United, die ähnliche Arbeit wie Ärzte ohne Grenzen in Lampedusa auch für Geflüchtete an Land durchführen" wurden in E-Mails vorgeschlagen, die "Spiegel Online" nach dessen Angaben vorliegen. Für schiffsbezogene Kosten gebe es noch keine Freigabe. Dafür lägen keine formalen Gründe vor, man wolle stattdessen noch einmal "auf die politische Ebene" zugehen.
"Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die Spitze des Hauses die Freigabe der Gelder blockiert – und somit auch die Rettung von Menschen in Lebensgefahr", sagte Vereinsvorstand Liza Pflaum. In der Nacht zum Mittwoch war erneut ein Flüchtlingsboot gekentert. Bei dem Unglück vor Griechenland hat es Dutzende Tote gegeben.
Retter warnen vor Einstellung des Betriebs
Dass sich das Außenministerium zurückhält, könnte daran liegen, dass die Bundesregierung das Verhältnis mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nicht belasten möchte. Ihre rechtsnationale Regierung hat bereits im vergangenen Oktober die Arbeit von Seenotrettern erschwert. Meloni will damit verhindern, dass weitere Flüchtlinge nach Italien kommen. Zuletzt stand das Thema auch bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Rom auf dem Programm.
Es gibt aber laut "Spiegel Online" noch einen weiteren möglichen Grund: Im Vorstand des Vereins sitzt Thies Grundlach, der mit der Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt liiert ist. Eventuell will man im Ministerium laut Spiegel einen möglichen Interessenkonflikt vermeiden – was aber nicht erklärt, warum man dann Gelder für Landprojekte angeboten hat.
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Die Seenotretter kommen offenbar selbst in Not: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs gibt es weniger Spenden, außerdem wird mehr Diesel verbraucht, um weiter entfernt liegende Häfen anzulaufen. Der Verein SOS Humanity warnte auf Twitter: "(...)ohne ausreichend Spenden bis zum 15. Juli werden wir unsere Einsätze anschließend nicht fortführen können."
Gorden Isler, Vorsitzender der Organisation Sea-Eye, macht Baerbock für die Finanzprobleme der Retter verantwortlich. "Die Verzögerungstaktik des Auswärtigen Amtes passt zu den Beschlüssen der letzten Tage", sagt er, der selbst Grünen-Mitglied ist. Isler meint damit vor allem die Zustimmung der Bundesregierung zum EU-Asylkompromiss. Er vermutet, die Beziehung zu Meloni sei wichtiger als das eigene Grundsatzprogramm oder der Koalitionsvertrag.
Der Verein United4Rescue hatte den Asylkompromiss der EU-Staaten scharf kritisiert. "Schutzsuchende werden damit weiter entrechtet & Menschenrechte ausverkauft. Wir sind schwer enttäuscht & entsetzt!", hieß es auf Twitter. Man warf der Bundesregierung vor, "selbst gezogene rote Linien noch überschritten" zu haben.
- spiegel.de: "Auswärtiges Amt blockiert Millionenhilfe für zivile Seenotretter"
- united4rescue.org: Homepage des Vereins
- twitter.com: Profil von United4Rescue