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Ampelkoalition: Lindner will sparen, Grüne sind verärgert – geht das gut?


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Koalitionskrach um FDP-Pläne
Ein Mann dreht den Hahn zu


Aktualisiert am 13.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Finanzminister Lindner vor einer Kabinettssitzung: Großer Unmut bei den Grünen.Vergrößern des Bildes
Finanzminister Lindner vor einer Kabinettssitzung: Großer Unmut bei den Grünen. (Quelle: IMAGO/Emmanuele Contini)

Finanzminister Christian Linder betont, wie sehr er sparen will. Vor allem bei den Grünen wächst deshalb der Ärger. Der Streit wird zur Grundsatzfrage.

Christian Lindner hat einen neuen Lieblingssatz. Er wiederholt ihn in verschiedenen Versionen, probiert die Variationen über Monate aus. Im Januar sagt er: "Jedes Ressort ist daher aufgefordert, bereits frühzeitig die entsprechenden Umschichtungspotenziale seiner Ausgaben zu ermitteln." Vor wenigen Tagen formuliert Lindner es in der "Rheinischen Post" deutlicher: "Die Politik muss wieder lernen, mit dem Geld auszukommen, das die Bürgerinnen und Bürger erwirtschaften." Seine eigentliche Botschaft ist dabei unmissverständlich. Sie lässt sich in drei Worten zusammenfassen: Wir müssen sparen.

Kürzlich hatte Lindner angekündigt, dass er die Vorstellung der sogenannten Eckwerte des Haushalts verschieben will. Eigentlich sollten diese bereits im März im Kabinett besprochen werden. Dann wäre zumindest grob geklärt, wofür die Ampelkoalition im nächsten Jahr Geld ausgeben möchte, welche Projekte gefördert werden und welche Vorhaben verzichtbar sind. Doch die Minister können sich nicht einigen und Lindner will vor allem viel sparen, deshalb gibt es keine Eckwerte – und vor Juni wohl auch keine Einigung.

Geld ist Macht, deshalb eskaliert der Streit so

Lindner bricht mit einer jahrelangen Tradition. Der Streit legt offen, wie festgefahren die Koalitionäre sind, wenn es um die Wünsche der einzelnen Minister geht. Und dass Lindner in diesen Tagen seinen Lieblingssatz in anderen Variationen ausprobiert, ist kein Zufall. Der Finanzminister will den Druck bis zum Juni möglichst hochhalten. Doch besonders bei den Grünen stößt das auf scharfe Kritik.

Weil Geld in der Politik immer mit Macht verbunden ist, geht es in dem Streit um die Milliarden des Bundes auch um die grundsätzliche Ausrichtung der Regierung. Es geht hin und her zwischen den Ministern. So wird die Zeit, die eigentlich genutzt werden sollte, um sich zu einigen, zu einer weiteren großen Auseinandersetzung. Die Koalition ist verkantet – weil dabei auch über die grundsätzliche Auffassung, wofür der Staat eigentlich stehen soll, gestritten wird.

Bei den Grünen ist Katharina Beck eine der schärfsten Kritikerinnen Lindners. Beck, 41 Jahre alt, arbeitete vorher als Unternehmensberaterin, jetzt ist sie die stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses. Sie kennt die Zahlen, sie kennt das Problem. Beck sagt t-online: "Es kann nicht sein, dass der Finanzminister alle anderen zum Einsparen maßregelt und sagt, es gebe nicht genug Geld — aber dann die Einnahmenseite reduzieren möchte. Dadurch setzt er zweierlei Maß: Die anderen Ressorts sollen sich einschränken, er nimmt sich aber die Freiheit und will im Steuerbereich gerne verteilen."

"Das ist auch schlicht ungerecht", heißt es bei den Grünen

Beck spielt auf die sogenannte Arbeitnehmersparzulage an. Es ist einer der Punkte, an denen sich aktuell der Streit entzündet. Und er steht symbolisch für den Zwist. Mit der Arbeitnehmersparzulage werden Geldleistungen oder Lohnbestandteile, die von Arbeitgebern für ihre Mitarbeiter angelegt werden, staatlich gefördert. Wenn ein Arbeitgeber für die Mitarbeiter also in Form von Wertpapieren sparen möchte, kommt der Staat für 20 Prozent der angelegten Leistungen auf, wenn diese jährlich 400 Euro nicht überschreiten. Lindner will diesen Sparbetrag verdreifachen — also auf 1.200 Euro.

Katharina Beck sagt dazu: "Die Arbeitnehmersparzulage soll bisher besonders Menschen mit geringen Einkommen unterstützen, Lindner will sie jetzt auch für Vielverdienende ausdehnen. Das ist nicht nur haushaltspolitisch bedenklich und steht auch nicht im Koalitionsvertrag, sondern es ist auch schlicht ungerecht." Wie Beck sehen es viele Grüne, sie kritisieren vor allem, dass die Einkommensgrenzen für die Sparzulage wegfallen sollen.

Der Tenor geht dabei so: Einerseits die Ministerien zum Sparen aufrufen, andererseits locker mit Geld im Bereich der Arbeitnehmer umgehen – das passe nicht zusammen. Bei der FDP sieht man das ganz anders. Intern ist bei den Liberalen von einem "Nebenkriegsschauplatz" die Rede, der von den Grünen eröffnet werde. Denn der Anteil, den die Arbeitnehmersparzulage am Bundeshaushalt einnehmen würde, sei gering.

Ein schwacher Staat?

Der Zwist legt offen, wie unterschiedlich das Staatsverständnis vor allem von Grünen und FDP ist. Die liberale Haushaltspolitikerin Claudia Raffelhüschen sagt t-online: "Die FDP will mit dem Geld des Steuerzahlers sparsam umgehen und zugleich möglichst effizient dem Bürger zugutekommen lassen." Und dann fügt sie noch hinzu: "Andere Parteien sind mit dem Ausgeben des Geldes, das andere erwirtschaften mussten, deutlich großzügiger." So kann man das auch ausdrücken.

Wenn man mit grünen Politikern spricht, die sich nicht gern dazu wörtlich zitieren lassen wollen, ergibt sich ein negatives Bild über den Koalitionspartner FDP. Bei den Liberalen wolle man eigentlich nur noch Geld ausgeben, was direkt im Zusammenhang mit der Zeitenwende-Rede des Kanzlers stehe – also für die eigene Verteidigung gedacht sei. Nur wenn es um ihre Kernklientel gehe, also die sehr gut verdienende Mittelschicht wie bei der Arbeitnehmersparzulage, würden sich die Liberalen Ausnahmen gestatten. Doch grundsätzlich solle der Staat so wenig Geld wie möglich verteilen.

Bei der FDP sieht man das völlig anders: Der Staat habe sich an zu hohe Ausgaben gewöhnt. Die Wirtschaft brummte etliche Jahre, von kleineren Turbulenzen mal abgesehen. Und dann gewöhnte man sich an die Krise. Erst in der Corona-Pandemie, wo Unternehmen mit staatlichem Geld gerettet wurden, und nach Ausbruch des Ukrainekrieges um das Abfedern der in die Höhe geschnellten Energiepreise. Von dem Ausnahmezustand des großen Geldausgebens müsse man jetzt aber wieder weg – und das bedeute eben Sparen im gesamten Etat.

Wo ein Wille sei, sei auch ein Weg

Und was sagt zu dem Streit die Kanzlerpartei, die SPD? "Wofür in Deutschland das Geld ausgegeben wird, entscheidet am Ende der Deutsche Bundestag und nicht der Bundesfinanzminister", sagte kürzlich der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde. Von Lindner erwarte er einen ausgeglichenen Entwurf als Diskussionsgrundlage. "Gerade in der jetzigen Zeit müssen wir sicherstellen, dass innere, äußere und soziale Sicherheit gewahrt bleiben. Ich bin mir sicher, dass uns das als Ampel gelingen wird", so Rohde.

Der Streit wird weitergehen. Eine Einigung ist frühestens ab Mitte Mai in Sicht. Dann wird die Steuerschätzung veröffentlicht, und damit ändert sich die Diskussionsgrundlage: Wenn klarer ist, wie viel Geld wirklich zur Verfügung steht, könne besser verhandelt werden, hofft mancher bei den Liberalen. Bei den Grünen dagegen heißt es jetzt schon: Wo ein Wille sei, sei bekanntlich auch ein Weg – völlig unabhängig von den tatsächlichen Einnahmen.

Aber auch mit dem Ergebnis der Steuerschätzung ist noch nicht sicher, ob die Aufstellung des Bundeshaushalts wirklich überschaubarer geworden ist. Notfalls könnte der Finanzminister mit sogenannten globalen Minderausgaben oder globalen Mehrausgaben kalkulieren, also Kürzungen oder zusätzliche Ausgaben, die für alle Ressorts gelten, ohne dass die Zahlen im Einzelnen aufgeschlüsselt werden. Dann gäbe es zwar eine Einigung – aber die hätte noch keine praktischen Auswirkungen auf die realen Planungen der Ministerien. Sie stünden nur auf dem Papier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräche mit Katharina Beck
  • Gespräche mit Unionsfraktion und Christian Haase
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