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Inflation, Gesundheitswesen, Wohnungsbau: Deutschland ist zu langsam


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Warum Deutschland so lahmt
Die Bröckelrepublik


Aktualisiert am 08.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Deutschlandflagge: Es knarzt und knackt an allen Ecken in der Bundesrepublik.Vergrößern des Bildes
Deutschlandflagge: Es knarzt und knackt an allen Ecken in der Bundesrepublik. (Quelle: IMAGO/blickwinkelGetty images Montage: Uf/t-online)

Vom Gesundheitswesen über die Bundeswehr bis zum Wohnungsbau: In vielen Bereichen kommt Deutschland nicht voran. Woran liegt das? Und wie könnte der Ausweg aus dem Schlamassel aussehen?

Deutschland geht es gut, könnte man meinen: Die Inflation ist etwas zurückgegangen und die Arbeitslosigkeit niedrig, die Wirtschaft hat sich nach der Corona-Krise und den hohen Energiepreisen wieder stabilisiert. Also alles super?

Die Wahrheit ist: Unter der Decke des vermeintlich guten Eindrucks sind die Probleme nicht weniger geworden. In vielen Bereichen ist der Reformbedarf seit Jahren riesig. Doch es passiert auf diesen Gebieten nichts – oder zu wenig. Was sind die Gründe dafür? Und wie könnte es besser laufen? Ein Streifzug durch die größten Baustellen der Bundesrepublik.

Gesundheitswesen

Im Gesundheitsbereich herrscht auf allen Ebenen Krisenstimmung: In den Apotheken sind Hunderte Medikamente knapp, vom Hustensaft bis zu Blutdrucksenkern gibt es Lieferschwierigkeiten. Pflegeheimen und Krankenhäusern läuft das Personal davon, allein in der Pflege fehlen 200.000 Vollzeitstellen. Ein Gros der Krankenhäuser schreibt tiefrote Zahlen, zahlreichen Häusern droht die Insolvenz oder gar die Schließung. Auch die Krankenkassen warnen vor einem Milliardenminus in zweistelliger Höhe für 2024. Fachverbände schlagen seit Monaten Alarm: Die Gesundheitsversorgung in Deutschland stehe auf dem Spiel, sie leide schon jetzt enorm.

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Die Herausforderungen für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sind also riesig. An kleinen Stellschrauben zu drehen, wird nicht helfen, allzu oft sind die Probleme strukturell bedingt. Experten fordern grundlegende Reformen, also den ganz großen Wurf. Gleich mehrere Gesetzentwürfe hat Lauterbach angeschoben, darunter ein Lieferengpass-Gesetz sowie die größte Krankenhausreform seit Jahrzehnten. Bisher aber ist die Kritik an den Vorhaben groß: Zu wenig, zu mutlos, zu kopflos, heißt es oft. Reförmchen statt Revolution. Diese, warnen Experten, könnten Deutschland zwar eine Atempause verschaffen, die langfristige Rettung seien sie nicht.

Bundeswehr

Boris Pistorius fällte jüngst ein vernichtendes Urteil. "Wir haben keine Streitkräfte, die verteidigungsfähig sind", sagte der Verteidigungsminister Anfang März in einer SPD-Fraktionssitzung. Vergangene Woche legte er in der "Welt am Sonntag" nach: Klar sei schon jetzt, dass die Mängel in der Truppe bis 2030 nicht vollständig zu beheben seien.

Dabei bezog Pistorius sich lediglich auf Mängel der Ausrüstung – und damit nur auf eine Baustelle der Truppe: Angeblich wären die deutschen Munitionsvorräte im Ernstfall schon nach wenigen Tagen aufgebraucht. Doch die Probleme gehen tiefer: Es ist ein Zusammenspiel aus schlechter Ausstattung gepaart mit einem aufgeblähten Personalapparat und ausgedünnten Finanzen.

An der Personalfront räumt Pistorius bereits auf: Der Generalinspekteur, eine Staatssekretärin und die Leitung des viel kritisierten Beschaffungsamtes wurden ausgetauscht – und das ist vermutlich erst der Anfang. Finanziell forderte der Minister zuletzt eine Erhöhung des Wehretats um zehn Milliarden Euro pro Jahr. Doch dass es mit mehr Geld allein nicht getan ist, zeigt das 100-Milliarden-Sondervermögen: Der Topf wurde bisher kaum angerührt, während die Inflation ihn ganz von allein schmelzen lässt.

Bildung

In der Bildungspolitik könnten die Bundesländer selbst Tempo machen: Die Hoheit über diesen Bereich liegt bei ihnen. Doch stattdessen geht es kaum vorwärts. Bereits vor Jahren wurde von der Bundesregierung der "Digitalpakt" aufgelegt – die Länder konnten hohe Fördermittel beantragen. Finanziert werden sollten damit unter anderem iPads für Schüler. Doch nur ein Bruchteil der Mittel floss ab.

Ein weiteres Problem: In Deutschland entscheidet häufig noch immer das Elternhaus, ob Kinder später studieren: Weniger als 20 Prozent der Schulabgänger mit Eltern ohne Abitur schaffen es an eine Hochschule.

Digitalisierung

Die Digitalisierung läuft in Deutschland nicht gerade im Gigabittempo. Im europäischen Vergleich landete Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung von Gesellschaft und Wirtschaft im vergangenen Jahr nur auf Platz 13.

Das liegt auch an der Netzinfrastruktur, etwa den wichtigen Glasfaseranschlüssen für zukunftsfähiges Internet: Mitte 2022 lag Deutschland hier im OECD-Vergleich auf Platz 35. Nur in Österreich, Belgien und Griechenland waren Glasfaseranschlüsse noch seltener. Auch bei der seit Jahren versprochenen elektronischen Patientenakte kommt Deutschland nicht voran. Ende 2024 soll sie flächendeckend eingeführt sein – bis dahin wird fröhlich weiter gefaxt.

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Als peinliche Fehlzündung erwies sich auch der digitale Führerschein. Der wurde 2021 eingeführt und gleich wieder kassiert, weil die App unsicher umgesetzt war. Ersatz gibt es bis heute nicht.

Den Führerschein sollte man übrigens bis Ende 2022 bequem digital beantragen können – genauso wie knapp 600 weitere Verwaltungsdienstleistungen, die die Bürgerämter bis dahin laut Onlinezugangsgesetz (OZG) in digitaler Form hätten anbieten müssen. Stand heute sind flächendeckend nur 122 Leistungen verfügbar. Folgen für den Fall, dass das Ziel verfehlt wird, sah das Gesetz nicht vor. Jetzt will man es besser machen. Immerhin.

Wohnungsbau

Von einem "Aufbruch" beim Wohnungsbau schrieben die Ampelparteien noch in ihrem Koalitionsvertrag. 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sollten entstehen, davon 100.000 sozial gefördert. Es kam anders. 2022 verfehlte die Bundesregierung das Ziel deutlich, in diesem Jahr könnte es noch schlimmer kommen: Wegen der hohen Zinsen und der Inflation kommt die Bautätigkeit immer mehr zum Erliegen.

Dabei ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum seit Jahren eines der drängendsten Probleme, vor allem für die Bewohner größerer Städte. Laut dem Pestel-Institut fehlen insgesamt 700.000 Wohnungen. So groß war die Wohnungsnot seit 30 Jahren nicht mehr.

Besonders dramatisch ist die Lage bei den Sozialwohnungen: Es werden jedes Jahr weniger. Zwar werden jährlich einige Tausend gebaut, zuletzt waren es knapp 20.000. Doch haben Sozialwohnungen ein Ablaufdatum. Nach einem gewissen Zeitraum, oft sind es 30 Jahre, fallen sie aus der sogenannten Bindung – und werden dann auf dem Mietmarkt angeboten.

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Und wo verläuft der Weg raus aus der Misere? Die Bau- und Wohnungswirtschaft fordern deutlich mehr staatliche Förderungen für den sozialen Wohnungsbau. Mieterverbände wünschen sich Mietobergrenzen und eine stärkere Präsenz der öffentlichen Hand auf dem Wohnungsmarkt, damit diese preisgestaltender eingreifen kann. Mehr zu möglichen Lösungsansätzen lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • igbau.de: Bilanz zum sozialen Wohnungsbau: Deutschland verliert alle 19 Minuten eine Sozialwohnung
  • welt.de: "Dann hätten wir Herausforderungen, die derzeit kaum vorstellbar wären" (kostenpflichtig)
  • dbwv.de: "Pistorius: Bundeswehr ist nicht verteidigungsfähig"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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