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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundespräsident hält Grundsatzrede "Eine nukleare Eskalation muss verhindert werden"
Energiekrise, Inflation, Krieg – für viele ist die aktuelle Situation eine Belastungsprobe. Der Bundespräsident hat in einer Grundsatzrede darüber gesprochen. Seine wichtigsten Aussagen im Überblick.
Hohe Energiepreise, Inflation, politische Polarisierung und Proteste: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs befindet sich die Welt einmal mehr in herausfordernden Zeiten. Angesichts dessen hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gewandt.
Die wichtigsten Aussagen hat t-online für Sie zusammengefasst:
Über den Krieg in der Ukraine: "Jeder Mensch in unserem Land, der am 24. Februar aufwachte und die Bilder sah von Raketeneinschlägen in Kiew, von Panzerkolonnen auf ukrainischen Straßen, von der russischen Invasion auf breitester Front – jeder, der mit diesen Bildern erwachte, wusste: An diesem Morgen war die Welt eine andere geworden", begann Steinmeier seine Rede. Der Bundespräsident hatte am Dienstag das Kriegsgebiet besucht und mit Zivilistinnen und Zivilisten in einem Luftschutzkeller gesprochen. Für niemanden sei der Schrecken so entsetzlich wie für die Menschen in der Ukraine selbst, sagte Steinmeier in seiner Rede.
Über die Folgen des Krieges für Deutschland und die Welt: "Der 24. Februar war ein Epochenbruch", betonte der Bundespräsident. Er habe auch Deutschland in eine Zeit der Unsicherheit gestürzt: "eine Zeit, gezeichnet von Krieg, Gewalt und Flucht, von Sorge vor der Ausweitung des Krieges zum Flächenbrand in Europa". Auch die Energiekrise und die explodierenden Preise benannte Steinmeier als Folgen der russischen Invasion. "Wir erfahren die tiefste Krise, die unser wiedervereintes Deutschland erlebt." Der Bundespräsident stimmte das Land auf harte Zeiten ein. "Es kommen härtere, raue Jahre auf uns zu." Die Friedensdividende sei aufgezehrt. Es beginne für Deutschland eine Epoche im Gegenwind.
Über die Anforderungen an Deutschland in Krisenzeiten: "Wir müssen konfliktfähig werden, nach innen wie nach außen", forderte Steinmeier. Man brauche den Willen zur Selbstbehauptung und auch die Kraft zur Selbstbeschränkung. "Wir brauchen keine Kriegsmentalität – aber was wir brauchen, ist Widerstandsgeist und Widerstandskraft", appellierte der Bundespräsident. Dazu gehöre eine starke und gut ausgestattete Bundeswehr.
Deutschland sei das starke Land in der Mitte Europas und stehe in der Pflicht, seinen Beitrag zur Bündnisverteidigung zu leisten. "Ich versichere unseren Partnern: Deutschland nimmt seine Verantwortung an, in der Nato, in Europa", so der Bundespräsident.
Über die Anforderungen an die Welt: "Sanktionen, Abbruch von Kontakten, Waffenlieferungen in einen tobenden Krieg: Nichts davon ist Alltag, nichts davon verträgt sich mit unseren Vorstellungen von einem friedlichen Miteinander", sagte Steinmeier. "Aber wir leben nicht in einer idealen Welt, wir leben im Konflikt." Dafür brauche es Konfliktinstrumente. "Eine Ausweitung des Krieges, gar eine nukleare Eskalation muss verhindert werden", stellte der Bundespräsident klar.
Über die Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger: Der Staat lasse die Menschen nicht allein, versicherte Steinmeier. "Er setzt seine Kraft ein, um denen zu helfen, die es allein nicht schaffen", etwa mit den verschiedenen Entlastungspaketen und der geplanten Gaspreisbremse. "Wichtig ist: Diese Unterstützung muss jetzt rasch bei den Betroffenen ankommen", ermahnte der Bundespräsident zugleich die Politik.
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Über die Erwartungen an Bürgerinnen und Bürger: Die neue Zeit fordere jeden Einzelnen, sagte Steinmeier in Richtung der Deutschen. "Vielleicht konnte man in den Zeiten mit Rückenwind noch durchkommen, ohne sich selbst großartig einzusetzen. Vielleicht konnte man es sich erlauben, Politik den anderen zu überlassen." Das gelte heute nicht mehr. "Deutschland, unser Land, braucht Ihren Willen zur Veränderung, braucht Ihren Einsatz für unser Gemeinwesen, damit wir dort ankommen, wo wir hinwollen", appellierte der Bundespräsident.
Vermögende und reiche Menschen müssten jetzt ihren Beitrag dazu leisten, die immensen Kosten der Entlastungen zu stemmen. Beeindruckende Entlastungspakete seien wichtig – aber nicht weniger wichtig sei Gerechtigkeit bei der Verteilung der Lasten.
Über das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland: Steinmeier sieht eine neue Frontstellung zwischen den beiden Ländern. "Wenn wir auf das Russland von heute schauen, dann ist kein Platz für alte Träume", sagte er. "Unsere Länder stehen heute gegeneinander", sagte er mit Blick auf den Überfall auf die Ukraine. Dabei machte er Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich verantwortlich.
Steinmeier dämpfte Hoffnungen auf Friedensverhandlungen mit Moskau. Im Angesicht des Bösen reiche guter Wille nicht mehr aus. Das russische Vorgehen sei niederträchtig und menschenverachtend. "Ein vermeintlicher Friede, der solches Handeln belohnt, ein Friede, der Putins Landraub besiegelt, ist kein Friede", so der Präsident.
Über Kremlchef Wladimir Putin: "Am 24. Februar hat Putin nicht nur Regeln gebrochen und das Spiel beendet. Nein, er hat das ganze Schachbrett umgeworfen!", sagte Steinmeier in seiner Rede. Russlands brutaler Angriff in der Ukraine habe die europäische Sicherheitsordnung in Schutt und Asche gelegt. "In seiner imperialen Besessenheit hat der russische Präsident das Völkerrecht gebrochen, Grenzen infrage gestellt, Landraub begangen", so der Bundespräsident. Der russische Angriff sei ein Angriff auf alle Lehren, die die Welt aus zwei Weltkriegen gezogen hatte.
Über die Unterstützung der Ukraine: Steinmeier sprach den neuen ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, an. "Wir unterstützen die Ukraine, solange es nötig sein wird." Man unterstütze sie militärisch, finanziell und politisch. "Und wir unterstützen sie ganz akut beim schnellen Wiederaufbau nach Russlands niederträchtigen Angriffen auf Strom, Heizung, warmes Wasser, auf alle lebenswichtigen Infrastrukturen vor dem nahenden Winter", betonte Steinmeier.
- Rede von Frank-Walter Steinmeier am 28. Oktober 2022
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP