Teilmobilisierung in Russland Habeck über Putins Drohung: "Schlimmer, falscher Schritt"
Russlands Präsident Putin hat die Teilmobilmachung der Armee angekündigt. Deutschland und Großbritannien lassen sich davon nicht einschüchtern.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat Russlands Entscheidung zur Teilmobilisierung seiner Streitkräfte scharf kritisiert. Das sei ein "schlimmer und falscher Schritt", erklärte der Bundeswirtschaftsminister am Mittwochmorgen in Berlin. Die Bundesregierung berate derzeit über eine Antwort auf diese Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Habeck sagte der Ukraine in diesem Zusammenhang erneut die volle Unterstützung Deutschlands zu.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Misserfolge im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Grund für die Ankündigung einer Teilmobilmachung durch Präsident Wladimir Putin. Scholz habe Putins Äußerungen zur Kenntnis genommen, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in Berlin und zitierte den Kanzler mit den Worten: "Das alles kann man sich nur erklären vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der russische Angriff auf die Ukraine nicht erfolgreich verlaufen ist."
FDP-Chef Christian Lindner hat die Entscheidung für eine Teilmobilmachung in Russland als "Zeichen der Schwäche" bezeichnet. "Die Ukraine lässt sich davon nicht einschüchtern und wir sollten es auch nicht tun", sagte Lindner am Mittwoch in Berlin. Die Teilmobilmachung zeige aber, dass man es mit einem noch lange dauernden Konflikt zu tun habe. "Darauf müssen wir uns politisch und wirtschaftlich einstellen. Vor allen Dingen müssen wir im Kreis unserer Verbündeten und Partner prüfen, wie wir die Ukraine bei einem noch lange dauerndem Kampf um Frieden und Freiheit auch dauerhaft unterstützen können."
CDU-Politiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter, Putin habe etwas ankündigen müssen, "um den Schein der Stärke zu wahren". Eigentlich sei es aber Schwäche. Putin greife mit seiner angekündigten Teilmobilisierung einem Scheitern der Aktion vor, indem er öffentlich erklärte, er folge dem Vorschlag des Verteidigungsministers Schoigu. "Damit trägt dieser die Verantwortung für Erfolg und Misserfolg der Teilmobilmachung."
Strack-Zimmermann: "Nicht nervös machen lassen"
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte, man solle sich von Putins Teilmobilmachung "nicht nervös machen lassen". Sie sei schlicht ein Eingeständnis der Erfolge der Ukraine und ein Zeichen russischer Schwäche. Sie solle als Anlass dienen, die Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine zu intensivieren. "Zudem dürfen wir nicht vergessen: Für eine gelungene sogenannte Teilmobilmachung benötigt es eine sehr intensive und funktionierende Infrastruktur, über die Russland aktuell schlicht gar nicht verfügt. Die westlichen Partner sollten besonnen, aber entschieden reagieren", schrieb sie auf Twitter.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sagte, dass Putin endgültig die Maske fallen lasse. "Die Ukraine hat die Möglichkeit, das eigene Land erfolgreich zu verteidigen und von Russland besetzte Gebiete zu befreien." Doch dafür brauche es mehr als zuletzt substanzielle Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft in Form von schweren Waffen. "Es ist höchste Zeit, dass Deutschland endlich den entscheidenden Schritt geht und Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart liefert", sagte Wadephul laut Mitteilung.
Die EU-Kommission wirft Russlands Präsidenten Wladimir Putin ein sehr gefährliches Nuklear-Spiel ("nuclear gamble") vor. Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf ihn ausüben, damit er "dieses rücksichtslose Verhalten einstellt", sagt ein Sprecher der EU-Kommission. "Putin geht ein nukleares Spiel ein. Er nutzt das nukleare Element als Teil seines Terrorarsenals, das ist nicht hinnehmbar." Die von der Regierung in Moskau unterstützten "falschen, illegalen Referenden" in den von Russland besetzten ukrainischen Regionen würden nicht anerkannt werden.
Kiew hat mit Spott auf die Teilmobilmachung reagiert. Der externe Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, fragte am Mittwoch auf Twitter: "Läuft immer noch alles nach Plan oder doch nicht?" Der für "drei Tage" geplante Krieg dauere bereits 210 Tage. Die Russen, die eine Vernichtung der Ukraine forderten, hätten nun unter anderem die Mobilmachung, geschlossene Grenzen, blockierte Konten und Gefängnisstrafen für Deserteure erhalten. "Das Leben hat einen wunderbaren Sinn für Humor", schloss Podoljak.
Sein Kollege Olexij Arestowytsch interpretierte den Schritt des Kremls dahingehend, dass die hohen Verluste Russland zu dieser Maßnahme zwingen. "Es sind mehr als 100.000 an Getöteten und Verwundeten, eher knapp 150.000", schrieb Arestowytsch. Dabei seien bereits jetzt die nächsten 150.000 mental abgeschrieben. "Wie gut es doch ist, Russe unter Putin zu sein", schrieb er ironisch. Moskau hatte am Mittwoch von 5.937 toten eigenen Militärangehörigen seit Kriegsbeginn gesprochen. Auch unabhängige Beobachter halten die realen Verluste aber für ein Vielfaches höher als genannt.
Russland werde versuchen, die Ukraine zu zerstören und ihre Grenzen zu ändern, sagt der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki. "Wir werden gemeinsam mit unseren Verbündeten alles tun, damit die Nato die Ukraine noch stärker unterstützt, damit sie sich selbst verteidigen kann." Morawiecki fordert mehr Hilfe für die Regierung in Kiew von den westlichen Verbündeten.
Der tschechische Regierungschef, Petr Fiala, erklärte: "Die von Wladimir Putin verkündete Teilmobilmachung ist ein Versuch, den Krieg, den Russland gegen die Ukraine begonnen hat, weiter zu eskalieren. Und sie ist ein weiterer Beweis dafür, dass Russland der alleinige Aggressor ist." Es sei notwendig, der Ukraine zu helfen. "Und in unserem eigenen Interesse müssen wir dies fortsetzen."
"Scheinreferenden und Mobilmachungen sind Zeichen der Schwäche, des russischen Versagens", erklärt die US-Botschafterin in Kiew, Bridget Brink, auf Twitter. "Die Vereinigten Staaten werden den Anspruch Russlands auf angeblich annektiertes ukrainisches Gebiet niemals anerkennen, und wir werden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite stehen."
Briten: Beunruhigende Eskalation
Die Rede von Putin stellt Großbritannien zufolge eine beunruhigende Eskalation dar. Die Drohungen müssten ernst genommen werden, sagte Gillian Keegan, Staatssekretärin im britischen Außenministerium, bei Sky News.
Der britische Verteidigungsminister wertet die Teilmobilmachung als Zeichen dafür, dass "seine Invasion scheitert". Zusammen mit seinem Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe Putin Zehntausende Bürger in den Tod geschickt, erklärte Ben Wallace. "Noch so viele Drohungen und noch so viel Propaganda können die Tatsache nicht verhehlen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, die internationale Gemeinschaft geeint ist und Russland weltweit zu einem Geächteten werden wird."
Putin hatte die Entscheidung zur Teilmobilmachung laut eigenen Angaben nach einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums getroffen und das Dekret unterschrieben. Das sagte der Kremlchef am Mittwoch in einer Fernsehansprache.
Die Teilmobilmachung bedeutet nach Putins Worten, dass Reservisten eingezogen werden. Sie würden den gleichen Status und die gleiche Bezahlung bekommen wie die jetzigen Vertragssoldaten und vor dem Fronteinsatz noch einmal militärisch geschult, sagte Putin.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und AFP