Parteien Nervöse Genossen: GroKo-Konflikt in SPD spitzt sich zu
Berlin (dpa) - Setzen sich die GroKo-Befürworter oder die Gegner durch? Drei Tage vor dem richtungsweisenden SPD-Parteitag spitzt sich die parteiinterne Auseinandersetzung über eine Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zu. Die Nervosität unter den Genossen steigt.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warf den GroKo-Kritikern und deren Frontmann, Juso-Chef Kevin Kühnert, vor, in der Debatte mit Unwahrheiten zu arbeiten. Kühnert ließ das an sich abtropfen und sagte, er sehe eine "reale Chance", dass die Gegner einer großen Koalition die Abstimmung auf dem Parteitag gewinnen könnten.
SPD-Chef Martin Schulz wiederum mühte sich um ein öffentliches Signal für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen - indem er sich demonstrativ Rückendeckung der Gewerkschaften holte.
Am Sonntag wird es ernst für die SPD. Beim Sonderparteitag in Bonn stimmen die Delegierten darüber ab, ob ihre Partei in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigen soll oder nicht. Die SPD ist in der Frage zerrissen. Seit Tagen wirbt die SPD-Führung bei der Basis um ein Ja - allen voran Schulz. Inzwischen müssen auch ehemalige Parteigrößen ran, um diese Linie zu empfehlen. Die Gegner trommeln ihrerseits für ein Nein, an vorderster Stelle Kühnert.
Würde der Parteitag gegen den Kurs der SPD-Spitze votieren, hätte das dramatische Folgen. Schulz könnte sich in dem Fall wohl kaum auf dem Chefposten halten. Die gesamte Führung wäre beschädigt. Ein weiterer Absturz im Fall einer Neuwahl würde drohen. Es ist daher nicht sehr wahrscheinlich, dass die Delegierten dies in Kauf nehmen.
Doch absolut sicher ist sich da niemand. Entsprechend nervös sind viele Genossen. Die SPD-Abgeordnete Eva Högl etwa sagte auf die Frage nach dem Ausgang der Abstimmung: "Ich weiß es wirklich nicht. Das ist eine ganz schwierige und kritische Situation."
Nahles ließ sich in dieser Lage zu einem Hieb gegen Kühnert hinreißen. "Was der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert in Sachsen-Anhalt zum Thema Rente gesagt hat, ist schlichtweg falsch", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Es geht um Aussagen von Kühnert bei einem Landesparteitag in Wernigerode (Sachsen-Anhalt) am vergangenen Wochenende. Er hatte das Sondierungsergebnis von Union und SPD kritisiert, wonach die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2025 gesetzlich abgesichert werden soll - und von einer Scheineinigung gesprochen.
Kühnert reagierte betont gelassen auf die Attacke von Nahles. Er stehe nach wie vor zu der inhaltlichen Kritik, sagte er bei einem Auftritt in der SPD-Zentrale. Die geplante Festschreibung des Rentenniveaus lasse die wesentlichen Fragen zur Zukunft der gesetzlichen Rente unbeantwortet. Das Sondierungsergebnis in der Rentenfrage sei "kein großer Wurf".
Im Gegensatz zu Nahles schlug Kühnert versöhnliche Töne an und verzichtete demonstrativ auf eine Gegenattacke. "Wir setzen uns argumentativ, ruhig und besonnen miteinander auseinander." Alle eine das Ziel, die SPD für die Zukunft gut aufzustellen. "Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung (...) für diese Partei."
Schulz überließ Kühnert am Donnerstag jedoch nicht die Bühne, sondern beraumte kurzfristig einen gemeinsamen Auftritt mit dem Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, in der SPD-Zentrale an. Nach einem Treffen des Gewerkschaftsrates, einer Runde aus SPD-Führungsleuten und Gewerkschaftsvertretern, warb Hoffmann öffentlich für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Im Sondierungspapier von Union und SPD sei viel Substanz für die Arbeitnehmer in Deutschland enthalten. Das müsse man nutzen.
Schulz sagte, er sei dankbar für die Ermutigung und Unterstützung der Gewerkschaften. "Es ist eine herausfordernde Zeit", räumte er ein.
Parteivize Manuela Schwesig warnte vor einer Spaltung der SPD. "Wir müssen alles tun, damit es nicht dazu kommt", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Nahles gab die Einschätzung ab, ein Drittel der Delegierten sei noch unentschlossen.
Entscheidend wird sein, wie sich die großen und GroKo-skeptischen Landesverbände verhalten , aus denen viele Delegierte kommen - etwa Nordrhein-Westfalen. Interessant dürfte dabei auch sein, ob eine größere Zahl von regulären Delegierten ausfällt und dafür - wie sonst oft üblich - Jusos nachrücken. Die sind nämlich geschlossen gegen eine weitere GroKo.
Nach bisherigem Stand werden laut Kühnert von den Jusos 80 bis 90 Delegierte aus verschiedenen Landesverbänden beim Parteitag erwartet. Es könne sein, dass die Zahl durch Nachrücker noch steige.