Nach Politiker-Forderungen Ärzte sind gegen Alterstests bei jungen Flüchtlingen
Die Bundesärztekammer lehnt obligatorische medizinische Altersprüfungen bei minderjährigen Flüchtlingen ab. Nach der Bluttat in Kandel hatten Politiker der Union ein härteres Durchgreifen gefordert.
Der Präsident der Bundesärztekammer spricht sich vehement gegen obligatorische Altersprüfungen bei minderjährigen Flüchtlingen aus. "Wenn man das bei jedem Flüchtling täte, wäre das ein Eingriff in das Menschenwohl", sagte Verbandspräsident Frank Ulrich Montgomery der Süddeutschen Zeitung. "Das lehnen wir deswegen ab."
Bluttat löste die Diskussion aus
Im Zuge der Debatte nach der Gewalttat von Kandel in Rheinland-Pfalz hatten mehrere Unionspolitiker gefordert, das Alter von Flüchtlingen etwa durch ein Röntgenbild des Handgelenks zu überprüfen. In der Kleinstadt hatte vergangene Woche ein angeblich 15-jähriger afghanischer Flüchtling seine 15-jährige Ex-Freundin erstochen. Später wurden Zweifel am Alter des Verdächtigen laut.
Vor allem in der CSU wird eine obligatorische Altersfeststellung mittels medizinischer Untersuchungen etwa der Handknochen verlangt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Wir brauchen eine strikte Regelung für eine medizinische Altersüberprüfung von allen ankommenden Flüchtlingen, die nicht klar als Kinder zu erkennen sind." Gerade dieses Verfahren lehnt die Bundesärztekammer aber ab.
Nur im Rahmen von Strafprozessen zulässig
"Röntgen ohne medizinische Indikation ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit", sagte Kammerpräsident Montgomery. Nach den Regeln des Strahlenschutzes sei eine Altersfeststellung nur im Rahmen eines Strafprozesses zulässig – wie nun beispielsweise im Fall des Tatverdächtigen von Kandeln. Andere Verfahren, zu denen auch Genitaluntersuchungen gehören, seien zudem "mit großen Unsicherheiten belastet". Zuletzt hatte bereits die Zentrale Ethikkommission der Bundesärztekammer sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Verfassungskonformität von ärztlichen Altersfeststellungen angezweifelt.
Eine Sprecherin des Gesundheitsministerium schloss sich dieser Auffassung an: "Es gibt bisher keine verlässliche wissenschaftliche Methode, um das aktuelle Lebensalter eines Menschen festzustellen." Die Spannbreite einer ärztlichen Altersfeststellung betrage ein bis zwei Jahre nach oben und unten. Neben ethischen Bedenken sei also auch die wissenschaftliche Beweiskraft fraglich. Auch die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie lehne die Altersdiagnostik bei minderjähirgen Flüchtlingen ab.
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik, Professor Andreas Schmeling widersprach gegenüber der "Welt am Sonntag" zumindest hinsichtlich der Beweiskraft der Methodiken: "Zwar kann man nicht das exakte Alter bestimmen, doch der zweifelsfreie Nachweis der Volljährigkeit ist möglich."
Quellen:
– dpa, AFP
– Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer