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Kolumne von Lamya Kaddor: Wer über Islamhass klagt, darf nicht selber zündeln


Brennende Israel-Fahnen
Wer über Islamhass klagt, darf nicht selber zündeln

Meinungt-online, Lamya Kaddor

12.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Protest gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt: Demonstranten verbrennen am 10.12.2017 in Berlin eine selbstgemalte Fahne mit einem Davidstern.Vergrößern des Bildes
Protest gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt: Demonstranten verbrennen am 10.12.2017 in Berlin eine selbstgemalte Fahne mit einem Davidstern. (Quelle: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V./dpa)

Bei Protesten in Berlin gegen die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels wurden Israel-Fahnen verbannt und antisemitische Parolen gerufen. Das ist erbärmlich.

Hallo Teilnehmerinnen und Teilnehmer der anti-israelischen Proteste in Berlin. Ihr könnt euch nicht über Islamfeindlichkeit beklagen und gleichzeitig Judenhass verbreiten und Israel-Fahnen verbrennen.

Ihr nehmt eine historische Episode aus der Entstehungszeit des Islams vor 1.400 Jahren, die ihr nicht verstanden habt, und droht, die "Armee Mohammeds" werde erneut über "die Juden" kommen, um euren Antisemitismus auszuleben. Das ist erbärmlich. "Khaybar Khaybar, o ihr Juden! Mohammeds Heer wird wieder kommen", grölt ihr ausgerechnet auf den Straßen Berlins, wo das grausamste Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die industrielle Massenvernichtung unschuldiger jüdischer Männer, Frauen und Kinder ihren Anfang nahm.

Und erzählt mir jetzt bloß nicht, auch unschuldige muslimische Männer, Frauen und Kinder würden umgebracht. Diese angebliche Relativierung ändert nichts an eurem verabscheuenswertem Verhalten. Ihr zieht uns Muslime allesamt mit in euren Sumpf aus Gewalt, Hass und Verschwörungstheorien. Ich wehre mich öffentlich dagegen, dass ihr Juden verunglimpft und dafür noch meine Religion benutzt. Genauso wie ich mich dagegen wehre, dass Terroristen ihre Barbarei hinter meiner Religion verstecken.

Wie soll man euch ernst nehmen?

Wenn Muslime angefeindet werden, bin ich Muslimin. Wenn Christen angefeindet werden bin ich Christin und wenn Juden angefeindet werden bin ich Jüdin! Ihr aber beklagt euch darüber, dass "die Deutschen" uns als "Schwarzköppe" und "Ölaugen" diskriminieren, und gleichzeitig macht ihr nichts anders, nur mit anderen Worten, wenn ihr über Juden und Israel sprecht.

Ihr verlangt Differenzierung, wenn es um die Beurteilung des Islams und der Muslime geht, aber seid kein Stück bereit, selbst zu differenzieren, wenn es um Juden und Israel geht. Ihr versteckt euch hinter dem Begriff Israel-Kritik, so wie die Islamhasser sich hinter dem Begriff Islamkritik verstecken. Wenn man euch kritisch nach dem Hass auf Juden fragt, zeigt ihr mit dem Finger auf die Vergehen israelischer Regierungen, so wie die Islamhasser auf die Vergehen von Islamisten zeigen, wenn man sie nach dem Hass auf Muslime fragt. Wie soll man euch ernst nehmen?

Ihr fallt all jenen in den Rücken, die sich gegen den Hass auf Muslime zur Wehr setzen. Ich selbst musste meine Tätigkeit als islamische Religionslehrerin aufgeben, weil mich Rechtsextreme und Völkische derart dafür angefeindet haben, dass ich das Problem des Rassismus und der Islamfeindlichkeit eines Teils der deutschen Gesellschaft in einem Buch benannt habe. Alle, die künftig weiter in der Abwehr von Islamfeindlichkeit unterwegs sind, müssen sich nun auch wegen eurer Exzesse rechtfertigen und uns andere Muslime von euch abgrenzen. Herzlichen Dank dafür! Ja, das Ganze hat für mich eine zutiefst persönliche Perspektive.

Jedes Mal wenn es im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt breitere Kritik am Handeln einer israelischen Regierung oder deren Verbündeter gibt, strömt ihr auf die Straßen und zieht eure Show ab. Nennt mir eine andere Gelegenheit, wo ihr aus freien Stücken ähnlich engagiert auf die Straße rennt?

Kaum Proteste gegen islamistischen Terror

Der deutsche Islamverband Mili Görüs findet unzählige Argumente und Einwände, warum er als Religionsgemeinschaft mal wieder gerade nichts gegen islamistischen Terror unternehmen, sondern lieber auf die grassierende Islamfeindlichkeit hinweisen muss. Aber mit großer Motivation hat sie zur Teilnahme an den europaweiten Protestaktionen gegen die US-Entscheidung über Jerusalem aufgerufen. Ich nenne das: verlogen!

Ich habe in der Vergangenheit so oft von Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund gehört, dass sie sich wohler fühlten mit dem Heimatland ihrer Vorfahren im Rücken. Türkischstämmige Deutsche verteidigen die Türkei samt ihres Präsidenten auch deshalb so vehement, weil sie die Sicherheit haben wollen, dorthin gehen zu können, sollte die Ausgrenzung in Deutschland einmal zu stark werden. Deshalb lassen sie nichts auf die Türkei kommen. Nichts anderes verbinden Juden mit Israel. Israel ist für sie ein sicherer Hafen für den Fall, dass der Antisemitismus noch weiter zunimmt. Entsprechend lassen sie nichts auf Israel kommen, gefestigt durch ihre historischen Erfahrungen in Europa, die mit nichts vergleichbar sind. Ich kann diese emotionale Verbindung gut nachvollziehen.

Die Existenz des Staates Israels ist Realität

Und das heißt nicht, dass man alles seitens der israelischen Regierungen in Vergangenheit und Gegenwart gut finden muss. Die härtesten Kritiker israelischen Regierungshandelns sitzen in der Regel in Israel selbst. Gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu gehen Tausende Israelis auf die Straße. Ein Naftali Bennet oder ein Avigdor Lieberman, zwei aktive israelische Regierungspolitiker, sind in meinen Augen nichts als rechtspopulistische Stimmungsmacher. Die Anerkennung Jerusalems durch den unsäglichen US-Präsidenten Donald Trump halte ich für einen Fehler. Aber: Die Existenz des Staates Israels ist Realität. Findet euch damit ab!

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