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Arnstein: Prozess nach Kohlenmonoxid-Tod von sechs Teenagern


"Schlimmste Katastrophe meines Lebens"
Prozess nach Tod von sechs Teenagern beginnt

Von dpa
Aktualisiert am 19.10.2017Lesedauer: 4 Min.
Dem Angeklagten gehört eine Gartenlaube im Landkreis Main-SpessartVergrößern des Bildes
Dem Angeklagten gehört eine Gartenlaube im Landkreis Main-Spessart (Quelle: Daniel Karmann/dpa/dpa-bilder)

Er wollte seiner Tochter einen schönen 18. Geburtstag bereiten. Dafür orderte der Vater sogar extra Feuerwerk. Doch der Tag endete tragisch: Sechs Jugendliche starben in seiner Gartenhütte an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Es ist ruhig im großen Saal des Landgerichts Würzburg während der Verteidiger des Angeklagten dessen persönliche Erklärung verliest. Nur das Weinen und Schluchzen des 52-Jährigen durchbricht die Stille. Der Vater hat seine zwei ältesten Kinder verloren - weil er einen Stromgenerator in seiner Gartenlaube falsch aufgestellt hatte. Seine Tochter, sein Sohn und vier weitere junge Leute im Alter von 18 und 19 Jahren starben deshalb im Januar an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung.

"Ich will keine Schuld von mir weisen"

Am ersten Prozesstag hat der Unterfranke die volle Verantwortung dafür übernommen. "Ich kann es mir nicht erklären. Ich will aber keine Schuld von mir weisen", las Strafverteidiger Hubertus Krause am Mittwoch vor.

Der Vater steht wegen sechsfacher fahrlässiger Tötung vor Gericht. Der im Technikraum des Häuschens aufgestellte Stromgenerator war nicht für Innenräume geeignet. Der Anklageschrift zufolge soll der 52-Jährige zudem eine wackelige Abgasableitung gebastelt haben, die im Laufe des Abends zusammengebrochen war. "Bei der Aufstellung des Generators missachtete der Angeklagte aus nicht nachvollziehbarer Nachlässigkeit Warnhinweise", heißt es in der Anklageschrift.

Erst 2013 hatte der Familienvater das Grundstück mit dem Gartenhaus darauf gekauft. Das fast 50 Quadratmeter große Häuschen mit seinen sechs Räumen hatte er seitdem umfassend renoviert und modernisiert. Weil es nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen ist, installierte er zudem eine Solaranlage. Den benzinbetriebenen Generator besorgte er, damit auch Geräte mit einem höheren Strombedarf genutzt werden können.

Vor Gericht versucht der Kraftfahrer so ausführlich wie möglich den Tag und die Vorbereitungen für den 18. Geburtstag seiner ältesten Tochter zu beschreiben. Zuvor hatte er sogar extra Feuerwerk gekauft und eine Genehmigung für das Abbrennen besorgt. "Es sollte ein schöner Geburtstag werden." An dem Tag war es sehr kalt. Die Wasserrohre der Laube waren eingefroren. Damit es die jungen Leute bei der Feier im Garten warm haben, fuhr er dreimal zum Grundstück. Er heizte den Holzofen an, brachte später die Geburtstagstorte und das Essen. Der Stromgenerator im Technikraum lief fast ununterbrochen. Zwei seiner drei jüngeren Kinder schauten während der Vorbereitungen im Häuschen Fernsehen. "Ich weiß noch, dass das Sams lief."

Am Abend kommen seine Tochter und die fünf Jungs. Er habe ihnen zum Abschied noch viel Spaß gewünscht und gesagt, dass sie es nicht übertreiben sollen. Das Telefon legte er beim Schlafengehen extra neben das Bett. "Damit ich es mitbekomme, falls die Kinder noch etwas brauchen. Ich hörte aber nichts mehr von ihnen." Das tödliche Gas, das nicht gerochen und geschmeckt werden kann, hatte sich schnell in der Hütte ausgebreitet. Der Anklageschrift zufolge starben die sechs Teenager vermutlich schon ein bis zwei Stunden nachdem ihre Party gegen 21 Uhr begonnen hatte.

"Etwas Schreckliches war passiert"

Die Verzweiflung des Mannes ist deutlich spürbar. "Was im Januar passiert ist, ist die schlimmste Katastrophe meines Lebens. Sie alle waren Freunde, sie alle waren noch so jung." Er selbst fand die Jugendlichen am Morgen. Zuerst habe er gedacht, sie schliefen noch. "Mein erster Gedanke war, dass sie zu viel getrunken hatten, denn ich nahm auch Geruch von Erbrochenem wahr." Doch als er seine Tochter sanft wecken wollte, fühlte sie sich kalt an - trotz einer Umgebungstemperatur von etwa 20 Grad Celsius. Wenig später sei ihm klar geworden, "dass etwas Schreckliches passiert ist".

"Das ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann"

Das Schicksal des 52-Jährigen geht vielen Prozessbeobachtern nahe. Er hat bei der schrecklichen Tragödie zwei seiner Kinder verloren. Der persönlichen Erklärung zufolge mussten er und seine Frau schon einmal ein eigenes Kind zu Grabe tragen. "Das ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann." Vor Gericht sitzt der Mann mit den langen dunkelblonden Haaren und dem Vollbart zusammengesunken auf seinem Stuhl, weint viel und antwortetet den Richtern nur mit einem Kopfnicken oder -schütteln. Immer wieder vergräbt er kopfschüttelnd den Kopf in seinen Händen, blinzelt Tränen weg.

Die Verteidiger des Mannes könnten auf den Paragrafen 60 des Strafgesetzbuches plädieren. Demzufolge kann ein Gericht von einer Strafe absehen, wenn die Folgen der Tat für den Täter bereits so schwer sind, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre.

"Es geht ihnen nicht gut. Sie haben ihr einziges Kind verloren."

Gerichtssprecher Michael Schaller gab allerdings zu bedenken, dass nicht nur die Kinder des Angeklagten, sondern auch vier weitere Jugendliche in der Gartenlaube starben. Zwei Familien sitzen als Nebenkläger im Gerichtssaal. Nebenklage-Anwalt Wolfgang Kunz über seine Mandanten: "Es geht ihnen nicht gut. Sie haben ihr einziges Kind verloren."

Die Eltern der toten Teenager sollten uneingeschränkt Antworten bekommen, damit sie das Geschehen verarbeiten könnten, sagte der 52-Jährige der persönlichen Erklärung zufolge weiter. "Wir befinden uns in Trauer. Es ist nichts verarbeitet. Ich selbst muss neben der Trauer mit der Schuld leben."

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