Koalitionsverhandlungen in Kiel "Jamaika"-Traum droht die Zerreißprobe
Kein Schiffbruch auf dem Kieler "Jamaika"-Dampfer - zumindest noch nicht. Nach zweitägiger Krise gehen die Koalitionsverhandlungen von CDU, Grünen und FDP weiter. Liberale und Grüne waren heftig aneinandergeraten und wollen einen Neustart versuchen.
Das Kieler "Jamaika"-Boot wäre um ein Haar untergegangen, bevor es abgelegt hat. Doch dann rauften sich die Spitzen von CDU, Grünen und FDP zusammen. Nach stundenlangen Krisengesprächen kündigten sie am Abend an, die am Vortag unterbrochenen Koalitionsverhandlungen an diesem Freitag wieder aufzunehmen. Doch das geplante Regierungsbündnis kann immer noch an einem Zerwürfnis zwischen FDP und Grünen in der Wirtschafts- und Verkehrspolitik scheitern.
Den Anlass lieferten die Grünen mit einer professionellen Fehlleistung: Ihre Verhandlungsspitze um Finanzministerin Monika Heinold und Umweltminister Robert Habeck verlangte zahlreiche Änderungen an einem Papier, das ihre Leute in der zuständigen Arbeitsgruppe, darunter Führungskräfte wie Landesparteichefin Ruth Kastner, mitgetragen hatten.
Die Liberalen lasteten den um Zustimmung ihrer Basis bangenden Grünen Vertrauensbruch und Täuschungsversuche an. Das klang schon ziemlich zum Ausstieg entschlossen. Dennoch geht es nun erst einmal weiter. Die Spitzen der drei Parteien bekundeten sich am Abend wechselseitig Vertrauen.
Verhandlungen werden zur Nervenprobe
Auf nur noch höchstens 20 Prozent bezifferte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki die "Jamaika"-Wahrscheinlichkeit am Nachmittag - rund zwei Stunden, bevor eine kleine Spitzenrunde über den Fortgang entscheiden sollte. Es folgte eine harte Kraft- und Nervenprobe.
Um 17.00 Uhr setzten sich die Verhandlungsführer Daniel Günther (CDU), Monika Heinold (Grüne) und Heiner Garg (FDP) zusammen. Ihre Begrüßung fiel freundlich aus. "Hallo Herr Günther", sagte Heinold und korrigierte sich: "Daniel - am Telefon hat es aber ja schon geklappt." Die Verhandlungsführer hatten sich am Vortag auf das Du geeinigt.
Nach über einer Stunde ging das Trio auseinander, um 18.27 Uhr schloss Günther sein Büro wieder auf und ließ Heinold ein. FDP-Mann Garg besprach sich lange mit Kubicki. Um 19.13 Uhr machte das Trio der Verhandlungsführer weiter. Günther hatte sich zwischendurch "total optimistisch" gegeben. "Jamaika" wäre gut für das Land. Es gebe keinen Grund, nicht weiter zu verhandeln. Das Ganze sei auf einem "ordentlichen Weg".
Um 19.45 Uhr erklärten Günther, Heinold und Garg vor den wartenden Journalisten, es noch einmal miteinander versuchen zu wollen. An diesem Freitag tagt nun eine Sechser-Spitzenrunde.
Drei Parteien mit unterschiedlichen Ansichten
In Kiel waren im Laufe des Tages diverse Spekulationen aufgekommen. Eine davon: Will die FDP etwa mit Blick auf die Bundestagswahl im September gar nicht mehr in Kiel im "Jamaika"-Format mitregieren, hoffend auf Schwarz-Gelb im Bund nach den jüngsten guten Umfragen? Die FDP-Spitzenmänner Wolfgang Kubicki und Bernd Buchholz (Landesparteivize) kandidieren schließlich für den Bundestag.
"Das ist kein Grund zur Dramatik", hatte der designierte Ministerpräsident Günther am Vorabend zum Aussetzen der Verhandlungen gesagt. Am Folgetag knisterte es aber mächtig. Dass wie geplant schon am nächsten Dienstag ein Koalitionsvertrag stehen kann, wurde zunehmend bezweifelt.
Offenkundig hatten die Grünen das Wirtschaftspapier in der Arbeitsgruppe zu früh abgesegnet und dann zu spät ihren Änderungsbedarf offenbart. Dieser sei eher redaktionell, sagten die Grünen. Nein, er sei bei Konfliktthemen wie Fehmarnbelt-Querung und A20-Weiterbau auch substanziell, widersprachen Liberale und Christdemokraten. Am Abend bekannte sich Heinold klar zu beiden Großprojekten, die ihre Partei eigentlich für falsch hält.
Koalitionsverhandlungen stocken nach gutem Start
Bis Mittwoch waren die Verhandlungen flott über die Bühne gegangen. In der Finanzpolitik einigten sich die Parteien recht schnell, auch das Positionspapier zum Komplex Soziales ist weitgehend abgehakt.
Sollte ein Neuanlauf an diesem Freitag nicht klappen, könnte "Jamaika" endgültig platzen. "Dass es schwierig und hart wird, ist allen klar gewesen", sagte Habeck im Laufe des Tages. Mancher fragte sich allerdings, ob dies auch für die FDP galt.
Rund um das Landeshaus an der Förde kreisten am Donnerstag viele Fragen und Spekulationen - auch über eine mögliche große Koalition, die eigentlich niemand will. Rechnerisch möglich, aber politisch sehr schwierig wäre eine Koalition aus CDU, Grünen und SSW, der Partei der dänischen Minderheit. Das wäre dann "Tansania" statt "Jamaika". Der Norden steht in jedem Fall vor spannenden politischen Entscheidungen.