Topdiplomat Wolfgang Ischinger Donald Trump setzt die "Abrissbirne" an
Angesichts der Differenzen zwischen Europa und US-Präsident Donald Trump muss die EU nach Ansicht des Chefs der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, deutlich handlungsfähiger werden.
"Dass die USA mit der Abrissbirne durch das Bauwerk der westlichen Werte und Zielvorstellungen toben, das ist neu", sagte Ischinger dem Bayerischen Rundfunk (BR). Europa müsse entscheidungsfähiger werden, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten.
Ischinger forderte vor allem, das Vetorecht zu reformieren. "Wieso kann eigentlich die EU nicht in außenpolitischen Fragen mit Mehrheit entscheiden?" Dann könne Europa "endlich auch in schwierigen und kritischen Fragen als handlungsfähig dastehen".
Nach Ansicht des Sicherheitsexperten ist der Auftritt von Trump bei der Nato und auf dem G7-Gipfel eine Chance für Europa. Trumps Verhalten könnte auch "für die EU einen Weckruf bedeuten". "Die Trumpsche Politik bietet eine historische Gestaltungschance, die muss jetzt ergriffen werden", sagte er.
Die sieben führenden Industriestaaten (G7) hatten bei ihrem Gipfel im italienischen Taormina am Wochenende kaum Fortschritte erzielt, in vielen Fragen stellte sich Trump quer. Beim vorherigen Nato-Gipfel in Brüssel hatte der US-Präsident den Ländern, die das Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben nicht erreichen, eine Standpauke gehalten.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Europäer daraufhin auf, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei", sagte sie am Sonntag in einer Bierzeltrede.
Ischinger unterstützt Merkels Ansage an Trump. Er warnte zugleich davor, die "transatlantische Nabelschnur" ganz zu kappen. Es wäre "ganz falsch, jetzt denen zu folgen, die die transatlantische Nabelschnur am liebsten gleich ganz durchtrennen möchten, sagte Ischinger der "Bild"-Zeitung vom Montag.
"Auch wenn es sehr ärgerlich wird - wir Europäer können alle unsere globalen Ziele leichter durchsetzen, wenn wir sie gemeinsam mit den USA vertreten."