Poroschenko in Deutschland Merkel will neue Friedensinitiative starten
Vor drei Jahren trug der Schokoladenfabrikant Petro Poroschenko alle Hoffnungen der Ukraine. Am 25. Mai 2014 vertrauten ihm die Ukrainer mit 54 Prozent die Führung ihres Landes an, das weiterhin tief in der Krise steckt. Am Samstag empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kiewer Präsidenten im Gästehaus der Bundesregierung, auf Schloss Meseberg bei Berlin: Bei seiner "ersten Visite auf dem Land", wie Merkel sagt. Der blutige Konflikt im Osten seines Landes und viele verpasste Reformchancen sorgen für gedämpfte Stimmung. Doch Poroschenko kann mit der Aussicht auf einen neuen Versuch für eine Annäherung an den Frieden nach Hause fahren.
Seine Regierungsarmee kämpft weiter gegen prorussische Separatisten, hinter denen sich Moskaus Militärmacht verbirgt. Etwa 10 000 Menschen wurden nach Angaben der Vereinten Nationen seit Frühjahr 2014 getötet. Den Frieden, den Poroschenko seinen Landsleuten im Wahlkampf versprochen hatte, brachte er nicht.
Russland tritt als Vermittler und nicht als Konfliktpartei auf
Der Krieg im Kohlerevier Donbass stand an erster Stelle bei dem Gespräch mit Merkel. Auf keinen internationalen Konflikt verwandte die Kanzlerin als Vermittlerin so viel Energie wie auf den in der Ukraine. Merkel sprach oft mit Poroschenko (51), mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Frankreichs ehemaliger Staatschef Francois Hollande war als zweiter Vermittler mit von der Partie. Nun will sein Nachfolger Emmanuel Macron die Rolle übernehmen und den Friedensprozess fortsetzen, wie Merkel ankündigt: Schnell sollten Möglichkeiten für ein neues Spitzentreffen Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands ausgelotet werden.
Die Lage ist verfahren. Zwar gibt es zwei Friedensvereinbarungen, unterzeichnet 2014 und 2015 in Minsk in Weißrussland. Ein Geburtsfehler dieser Abkommen ist, dass Russland darin als Vermittler, nicht als Konfliktpartei auftritt. Moskau bleibt bei der Behauptung, in der Ostukraine nicht militärisch beteiligt zu sein, auch wenn Nachschub an Rüstung, Munition und Bewaffneten nur über die Grenze aus Russland kommen kann.
Ukraine hängt von den Zahlungen des Westens ab
Die Ukraine wiederum sollte dem Osten Autonomie gewähren und dort Wahlen abhalten lassen. Kiew erklärt, das dies erst infrage komme, wenn der geltende Waffenstillstand auch eingehalten wird. Poroschenko unterstreicht, "dass ich derzeit keine andere Alternative sehe". Die Ukraine fürchtet, dass Moskau über die Gebiete im Osten den Kurs des gesamten Landes bestimmen will. Derzeit sieht es so aus, als ob Kiew eher ein Weiterköcheln der Kämpfe mit mehreren Toten jede Woche in Kauf nimmt. Die Zeichen für eine Abspaltung des Donbass haben sich verstärkt.
Einen symbolisch wichtigen Erfolg konnte Poroschenko Mitte Mai verkünden: Die Ukrainer dürfen künftig visafrei in die EU reisen. Für die Annäherung an Europa hatten die Demonstranten im Winter 2013/14 auf dem Maidan in Kiew ausgeharrt.
Zu seinen Verdiensten gehört, dass aus der derangierten ukrainischen Armee überhaupt wieder eine Truppe wurde, die den Gegner in Schach halten kann. Wirtschaftlich geht es der Ukraine schlecht, sie hängt von Geld aus dem Ausland ab. Merkel lobt zwar Reformfortschritte, aber spricht auch von den großen Aufgaben, die Kiew noch vor sich hat. Aber immerhin konnten Poroschenko und seine Mannschaft die Finanzhilfen von außen organisieren, die Lage hat sich etwas stabilisiert. Bei Polizei und in Verwaltung begannen unter gesellschaftlichem Druck Reformen.
Ukrainische Politik wird durch Absprachen einflussreicher Großunternehmer bestimmt
Kritiker halten dem Präsidenten aber vor, dass die Reformen nicht weit genug gegangen seien. Bei der Säuberung des Justizapparates hatte Poroschenko gebremst. Nach wie vor wird ukrainische Politik durch Absprachen einflussreicher Großunternehmer bestimmt - mit Poroschenko als dem mächtigen Ober-Oligarchen. Korruption ist weit verbreitet.
Umstritten ist der jüngste Erlass von Poroschenkos Sicherheitsrat. Er blockierte das auch in der Ukraine populäre russische soziale Netzwerk VKontakte, russische Internetfirmen und Medien müssen den Markt verlassen. Poroschenko begründete das mit Sicherheitsbedenken. Doch Kritiker sehen einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Und auf genau die war die Ukraine immer stolz - und hatte sich damit auch zu Russland abgegrenzt.