Das bringt die Reform des Sexualstrafrechts "Die Männer fürchten sich vor dem Ärger"
Der Bundestag hat den neuen Vergewaltigungsparagraphen einstimmig beschlossen. Doch die Reform des Sexualstrafrechts ist höchst umstritten. t-online.de sprach mit Experten über den Sinn des neuen Gesetzes. So hält die Rechtswissenschaftlerin Monika Frommel das Ganze für "Papierkram, aber keinen Opferschutz". Kriminologe Christian Pfeiffer hingegen sieht darin eine "großartige Gesetzesreform, aus der die Männer lernen werden".
Einig sind sich die Experten darin, dass auch ein verschärftes Sexualstrafrecht nicht dazu führen wird, dass es zu wesentlich mehr Verurteilungen kommen wird. Dafür sei bei sexuellen Übergriffen das Problem der Beweisbarkeit auch weiter zu groß. Oft stehen sich die Aussagen zweier Menschen gegenüber - ohne einen neutralen Zeugen. Es gilt auch weiterhin: Im Zweifel für den Angeklagten.
"Nein heißt Nein" brennt sich ein
Für den Kriminologen Christian Pfeiffer ist es aber nicht entscheidend, wie viele Verurteilungen am Ende rauskommen, sondern dass der "Gesetzgeber den Männern eine klare Botschaft vermittelt". Er ist überzeugt, dass die öffentliche Debatte bereits der eigentliche Erfolg sei: "Dieser Satz 'Nein heißt Nein' hat sich in das Bewusstsein eingebrannt."
"Die Männer sind sich jetzt des Risikos bewusst, wenn sie eine Frau belästigen. Sie müssen der Polizei unangenehme Fragen beantworten, einen Verteidiger anheuern und insgesamt gewaltigen Ärger fürchten, auch wenn sie am Ende nicht verurteilt werden." Pfeiffer ist überzeugt, dass die gesamte öffentliche Debatte dazu führen wird, dass "Männer daraus lernen und ihr Sexualverhalten verändern".
Seine These untermauert er mit den Erfolgen nach der Gesetzesreform zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe. Dunkelfeldstudien hätten belegt, dass sich die Übergriffe auf Frauen dadurch halbiert hätten.
"Die Fehlerquellen könnten sich häufen"
Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie an der Uni Tübingen, ist hingegen wesentlich "skeptischer", was die aktuelle Reform angeht. Er glaubt nicht, dass Frauen jetzt besser geschützt sein werden. "Das große Problem" bei solchen Gesetzesverschärfungen sei, dass "Erwartungen an die Schlagkraft des Strafrechts geweckt werden, die nur schwer einzulösen sind".
Denn auch bei sexuellen Übergriffen brauche "man hieb- und stichfeste Beweise, will man nicht Gefahr laufen, Unschuldige zu verurteilen". Deshalb dürften Vorfälle wie die Silversterereignisse in Köln auch in Zukunft nur schwer aufzuklären und zu ahnden sein.
Kinzig glaubt zwar nicht, dass es jetzt - wie von manchen Kritikern befürchtet - massenweise zu Anzeigen und Verurteilungen von Unschuldigen kommen wird. Er betont aber auch: "Dass in Zukunft ein bloßes Nein ausreichen wird, macht es der juristischen Praxis nicht einfacher. Die Fehlerquellen könnten sich häufen."
Insgesamt betrachtet er es auch als kritisch, dass die Debatte um den Paragraphen 177 durch die Ereignisse in der Kölner Silvesternacht "sehr emotional" geworden ist. Er findet es "eigenartig, dass man nicht die Ergebnisse der vom Justizministerium zum Sexualstrafrecht eingesetzten Expertenkommission abwartet, sondern das Gesetz quasi im Schweinsgalopp beschließt".
"Willkürliche Zwangsmaßnahmen"
Auch Monika Frommel, ehemalige Direktorin des Instituts für Sanktionsrecht und Kriminologie an der Universität Kiel, denkt, dass "Köln als Brandbeschleuniger gewirkt hat". Sie prangert, wie auch die Grünen, vor allem den Aspekt der Gruppenhaftung an. "Das ist absolut ungenau und ermöglicht willkürliche Zwangsmaßnahmen." Das Gesetz schütze Frauen somit nicht besser. Sie wünscht sich "einen klugen Justizminister, der die Interventionsmaßnahmen auch auf den öffentlichen Raum ausdehnt, so dass Grapscher zum Beispiel Platzverweise bekommen".
Das Strafrecht an sich führe eher zu "Papierkram als einem wirksamen Opferschutz". Ihre Prognose lautet: Es wird mehr Verfahren geben, die dann gegen eine Geldbuße eingestellt werden.