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Protestbewegung Pegida: "Die Angst muss weg"


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Experte: Wie wir mit Pegida umgehen sollten
"Die Angst muss weg"

Von Evelyn Bongiorno-Schielke

12.12.2014Lesedauer: 3 Min.
Teilnehmer einer Demonstration des Bündnisses Pegida laufen mit Transparenten durch die Dresdner InnenstadtVergrößern des Bildes
Teilnehmer einer Demonstration des Bündnisses Pegida laufen mit Transparenten durch die Dresdner Innenstadt (Quelle: imago/Michael)
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Die Protestbewegung Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes") treibt in Dresden 10.000 Menschen gegen eine angebliche "Islamisierung des Abendlands" auf die Straße. Politiker sehen hier "Neonazis in Nadelstreifen" oder "Rattenfänger" am Werk. Doch der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, warnt davor, das Gros dieser Demonstranten mit Rechtsextremisten gleichzusetzen. "Wir müssen dringend einen Gesprächsfaden knüpfen", sagte er gegenüber t-online.de. "Die Angst muss weg."

"Viele der Demonstranten sind einfache Bürger, die sich benachteiligt fühlen. Das ist alarmierend. Wir dürfen deren Forderungen nicht einfach auf der Straße liegen lassen", warnte er. Ohne Dialog drohe eine noch größere Gefahr: dass sich der Protest verselbständigt, vergrößert und radikalisiert.

Wichtig sei deshalb das permanente Angebot zum Gespräch von möglichst vielen Seiten, von der Politik, der Kirche, den Gewerkschaften, den Ausländerräten. "Wenn Pegida das dauerhaft ablehnt, bekommen sie selbst ein Problem."

"Dialog mit besorgten Bürgern" führen

Pegida sei ein Sammelbecken verschiedenster Gruppierungen, die Ressentiments gegen Ausländer schüren. Es sei aber "nicht besonders intelligent", wenn die Politik "reflexhaft mit Ablehnung reagiere und Pegida als rechtsextrem abstemple". Bei Pegida handele es sich um eine "komplexes Phänomen", auf das es keine einfachen Antworten gebe. Deshalb sei es auch so wichtig, die geäußerten Ängste ernst zu nehmen.

Natürlich marschierten bei Pegida auch Neonazis und Hooligans mit, aber die Mehrzahl der Teilnehmer seien "im guten Sinne besorgte Bürger", so Richter. Er, selbst ein Ur-Sachse, versucht, sich in die Demonstranten hineinzuversetzen: Viele fühlten sich nach der Wiedervereinigung "heimatlos in der eigenen Heimat". Ihnen falle es offensichtlich schwer, "Fremde mit offenen Armen zu empfangen", gibt Richter zu bedenken. Diese Menschen sehen sich offensichtlich von keiner Partei oder politischen Vereinigung vertreten und machten jetzt von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch. Das sei in der Demokratie erst mal eine gute Sache, so Richter.

Richter, ehemaliger Teilnehmer an den 89er Demonstrationen, warb bereits in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" für einen "inhaltlichen Dialog mit besorgten Bürgern". Man müsse "den Demonstranten" genau zuzuhören und den durchaus "mühsamen" Versuch unternehmen, sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen. "Wir verstehen Pegida immer noch nicht. Wir müssen genau zuhören. Das braucht Zeit, offene Ohren und Herzen".

Verharmlosung als "andächtiger Spaziergang"

Richter warnte auch davor, die Initiatoren der Bewegung zu unterschätzen: "Das sind politische, intelligente Figuren." Ihre Reden seien aggressiv, aber die Demos an sich werden als "Spaziergang verharmlost". Sie erfolgen "still, schweigend und andächtig", so Richter, der sich auch die letzte Veranstaltung in Dresden angeschaut hatte. Das mache die Veranstaltung "unangreifbar". Pegida konterkariere den traditionellen Vorwurf, dass Rechtsextreme aggressiv sind. "Sie tun genau das Gegenteil von dem, was man von ihnen erwartet - ein geschickter Schachzug."

Nach Richter ist es auch auffällig, dass 85 Prozent der Teilnehmer Männer seien. "Hier versammeln sich viele Männer, um angeblich das Abendland zu verteidigen". Das passe zu Erkenntnissen von Sozialwissenschaftlern, dass gerade jüngere Männer in der heutigen Zeit keine richtigen Rollenvorbilder mehr finden.

Angst vor Überfremdung im Osten

In Sachsen leben nur 0,4 Prozent Muslime, trotzdem sind die Pegida-Proteste in Dresden losgegangen. Richter will nicht von einem Ost-Phänomen sprechen. Auch im Westen würden viele Menschen nicht das komplexe Asylrecht verstehen oder sich Sorgen um Einwanderer machen. Er gibt aber zu bedenken, dass die Ostländer weniger Erfahrungen mit Fremden und Flüchtlingen haben und hier vielleicht noch mehr "politische Bildung" wichtig sei, um solche Ressentiments auszuräumen.

Richter forderte von der Politik, sich mit Vertretern der Zivilgesellschaft und von Pegida an einen runden Tisch zu setzen. Auf Bundesebene könnte es eine "große Asylkonferenz" geben, schlug er vor.

"Wir müssen mit den Bürgern darüber reden, wie wir mit Asylbewerbern umgehen wollen, wie viele wir aufnehmen können, wie und wo sie untergebracht werden." Dazu gehöre auch, darüber aufzuklären, wie viele Salafisten und radikale Islamisten es überhaupt gebe - um den Menschen ihre diffuse Angst zu nehmen. "Wir müssen endlich für alle verständlich durchbuchstabieren, was es heißt, ein Einwanderungsland zu sein."

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