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Mindestlohn beschlossen: Mehr Geld für Millionen Deutsche


Mehr Geld für Millionen Deutsche
Bundestag beschließt Mindestlohn von 8,50 Euro

Von t-online, dpa, afp
Aktualisiert am 03.07.2014Lesedauer: 4 Min.
Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles bei der Abstimmung im BundestagVergrößern des Bildes
Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles bei der Abstimmung im Bundestag (Quelle: dpa-bilder)
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Nach teilweise heftiger Kritik von Arbeitgebern und Gewerkschaften hat der Bundestag am Donnerstag mit großer Mehrheit den Entwurf zum Mindestlohn von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verabschiedet. Mit der Regelung, dem sogenannten Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, steigt zum 1. Januar 2015 für rund 3,7 Millionen Menschen der Lohn auf mindestens 8,50 Euro in der Stunde.

Dabei gibt es einige Ausnahmen und Übergangsregelungen - beispielsweise für Jugendliche unter 18 Jahren. Auch Langzeitarbeitslose bleiben das erste halbe Jahr in einem neuen Job außen vor. (Lesen Sie hier die wichtigsten Fakten zum Mindestlohn.)

Nur fünf Nein-Stimmen

Von den 601 abgegebenen Stimmen votierten 535 für das Gesetz. Es gab fünf Nein-Stimmen, 61 Abgeordnete enthielten sich. Für das Gesetz war die absolute Mehrheit des Bundestages von 316 Stimmen notwendig.

Zuvor hatte das Gremium mehr als zwei Stunden lang über den Gesetzentwurf debattiert.

Am Freitag kommender Woche will sich auch der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause mit dem Gesetz befassen. Nachdem die Grünen bereits im Bundestag zugestimmt hatten, wird erwartet, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auch in der Länderkammer eine Mehrheit bekommt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach von einem "historischen Tag für Deutschland". "Rückblickend wird diese Entscheidung als großer sozialer Fortschritt bewertet werden", sagte Gabriel. "Viel zu lange wurden Tarifverträge, faire Löhne, Mitbestimmung und Gewerkschaften bekämpft. Der heutige Tag ist ein Wendepunkt in dieser Entwicklung", erklärte Gabriel weiter. Der Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde setze eine Grenze nach unten.

Nahles: "Wir setzen heute einen Meilenstein"

Der Zoll stellt 1600 neue Mitarbeiter ein, um die Umsetzung des Mindestlohns besser kontrollieren zu können. Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn nütze auf dem Papier nichts, er müsse in der Wirklichkeit umgesetzt werden, sagte Nahles in der Debatte vor der Abstimmung.

Sie bezeichnete den Beschluss als einen "Grund zur Freude" und dankte dem Bundestag für die "intensiv geführte Debatte". "Wir setzen heute einen Meilenstein in der Arbeitsmarktpolitik der Bundesrepublik Deutschland", so die Ministerin. Für viele Menschen sei dies die höchste Lohnerhöhung ihres Lebens, so Nahles weiter.

Ihre Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer sagte in der Debatte, die Koalition sei mit den Sonderregelungen für einzelne Branchen zwar vor Lobbyinteressen eingeknickt. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn sei aber längst überfällig. Die Grünen wollten sich nunmehr dafür einsetzen, dass der Mindestlohn umfassender und gerechter wird.

Ernst: "Flickenteppich"

Demgegenüber bekräftigte die Linke, dass sie sich der Stimme enthalten wird. "Wir sind von einem allgemeinen Mindestlohn meilenweit entfernt", sagte Fraktionsvize Klaus Ernst. Vor allem Frauen würden weiter mit Dumpinglöhnen abgespeist. "Was sie hier vorlegen, ist kein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, sondern ein Flickenteppich." Die Linke verlangt in einem eigenen Antrag einen Mindestlohn von zehn Euro.

Die Union wies die Kritik der Opposition zurück. Ihr Arbeitsmarktexperte Karl Schiewerling verteidigte die Ausnahmen für Jugendliche, Langzeitarbeitslose und Praktikanten. Bei den Erwerbslosen müsse verhindert werden, dass ihnen durch einen falsch gesetzten Lohn der Zugang zum ersten Arbeitsmarkt verwehrt werde.

Diese Regelung soll zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden. Die genauen Auswirkungen des Mindestlohnes könnten im Augenblick noch nicht vorhergesagt werden. Die Einführung des Mindestlohns sei "eine Operation am offenen Herzen der sozialen Marktwirtschaft".

"Bei den Saisonarbeitern hat sich die Bauernlobby durchgesetzt"

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sieht den Gesetzentwurf trotz einiger Ausnahmen und Übergangsregelungen positiv. "In der politischen Gesamtbewertung allerdings ist ganz klar: Der Mindestlohn ist ein Erfolg für uns Gewerkschaften", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". "Die SPD hat in der Großen Koalition viele von unseren Vorstellungen durchgesetzt."

Arbeitsministerin Nahles wollte Ausnahmen für einzelne Branchen vermeiden. Für einige gibt es aber auf Betreiben der Union Übergangsregelungen bis 2017 - vornehmlich für Saisonarbeiter und Zeitungszusteller.

"Bei den Saisonarbeitern hat sich die Bauernlobby durchgesetzt", kritisierte DGB-Chef Hoffmann. Er sei aber froh, "dass es keine regionalen Ausnahmen gibt und keine dauerhaften Ausnahmen für bestimmte Wirtschaftsbereiche."

Auswirkungen auf billiges Obst

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, sprach hingegen von einer "Mogelpackung". "Die Große Koalition hat für Saisonarbeitskräfte nur Scheinlösungen ins Gesetz aufgenommen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstag). "Der Wettbewerbsnachteil, den unsere Obst- und Gemüsebauern wie Winzer erfahren, wird damit keinesfalls ausgeglichen."

Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) wies darauf hin, dass der Anbau von billigem Obst und Gemüse in Deutschland durch den Mindestlohn deutlich erschwert werde. "Es wird sicherlich eine Tendenz geben, dass die billigsten Angebote vom Markt verschwinden, beziehungsweise nur von außerhalb Deutschlands dann noch bedient werden können", sagte Schmidt am Donnerstag im RBB-Inforadio.

Insgesamt sei der Mindestlohn eine richtige Sache. "Aber er wird unterschiedliche Branchen unterschiedlich betreffen."

"Der Mindestlohn wird kein Jobkiller sein"

DGB-Chef Hoffmann wies Vorwürfe, der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gefährde mehr als eine Million Arbeitsplätze, als "Propaganda" zurück. "Der Mindestlohn wird kein Jobkiller sein, das bestätigen seriöse Studien und die Erfahrungen aus unseren europäischen Nachbarländern oder den Vereinigten Staaten", sagte Hoffmann.

Von 2016 an soll die Höhe der flächendeckenden Lohnuntergrenze alle zwei Jahre von einer Mindestlohnkommission festgelegt werden, in der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind.

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