Regierungsbildung offen Die FDP schafft es in den hessischen Landtag, das nützt aber niemandem
Drinnen und doch draußen: Die hessische FDP schaffte mit 5,0 Prozent doch noch gerade so den Einzug in den Wiesbadener Landtag, nachdem sie zuvor aus sieben anderen und sogar erstmals aus dem Bundestag herausgeflogen war. Ein paar hundert Stimmen halfen ihr über die Klippe. Für Schwarz-Gelb reicht es in Hessen trotzdem nicht mehr. Die Regierungsbildung ist völlig offen.
"Die hessische FDP wird es weiterhin geben, hoffentlich auch als Fraktion", hatte der bisherige Vize-Ministerpräsident und Noch Parteichef Jörg-Uwe Hahn in einer ersten Stellungnahme erklärt. Dass die Hessen-FDP auch dem neuen Landtag angehören wird, was erst gegen Mitternacht feststand, ist ein Trost für die Liberalen - aber ein schwacher. Und es nützt so richtig auch niemandem.
height:33.3em;width:19.67em;border:0;padding:0;margin:0;
Als die FDP sich stetig unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde bewegte, wurde davon ausgegangen, dass Hahns Tage gezählt sind. Nun liegt die Partei weniger als 1000 Stimmen drüber. Der Landeschef sprach von einer "ganz klaren Klatsche. Wir hätten das vorher erkennen müssen und haben es nicht erkannt."
Die Liberalen dürften nun damit beschäftigt sein, ihre Wunden zu lecken. Die neue Regierung formen müssen andere. Hahn geht aber davon aus, dass das nicht gelingt und es schon im nächsten Jahr Neuwahlen geben wird. Bis dahin werde der Landtag wohl mit einer geschäftsführenden Landesregierung von CDU und FDP leben, sagte er dem Hessischen Rundfunk (HR) und bekräftigte: Für eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen stehe seine Partei nicht zur Verfügung.
Große Koalition schwierig, aber wahrscheinlich
Die CDU stellt klar die stärkste Fraktion, braucht aber einen neuen Partner. Da die Gräben zwischen den hessischen Lagern besonders tief sind, war von einer Großen Koalition in allen Wahlsendungen lange nicht die Rede. Mit einer SPD, die hinzugewann, aber nicht genug Stimmen für einen Machtwechsel auf sich vereinte, wäre das ein außergewöhnlich stabiles Bündnis - rechnerisch, nicht unbedingt politisch. Möglicherweise wird Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) dafür seinen Hut nehmen müssen, heißt es.
Schwarz-Grün ist in Hessen kommunal schon Realität, beispielsweise in Frankfurt und Darmstadt. Von den Frankfurter Grünen hieß es aber bereits, dass ein solches Bündnis mit der als besonders konservativ geltenden Landes-CDU nicht vorstellbar sei. Der Landesvorsitzende der Grünen, Tarek Al-Wazir, betonte, man wolle nicht um der Regierungsposten willen regieren. Es gehe um die Inhalte, und die Schnittmenge sei mit der SPD am größten.
Grünen-Spitzenkandidatin Angela Dorn schloss eine Koalition mit der CDU nicht aus. "Wir haben noch nie etwas ausgeschlossen. Wir werden das auch weiter nicht tun", sagte sie am Sonntagabend. Zugleich betonte sie: "Wir kämpfen für Rot-Grün. Wir wollen Rot-Grün."
Traum von Rot-Grün ausgeträumt
Dass der Traum von Rot-Grün geplatzt ist, muss wohl auch die SPD erst realisieren. Es sei denn, sie denkt an eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken. "Wir werden zuerst mit Bündnis 90/Die Grünen reden, wie es jetzt in Hessen weitergehen soll", erklärte Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel und betonte: "Wir wollen gestalten." Wie und mit wem, verriet er nicht.
"Das ist ein schwieriges Ergebnis, das hat sich kein Mensch gewünscht. Es wird keine schnelle Lösung geben", sagte Schäfer-Gümbel im HR. Für einen Machtwechsel braucht Rot-Grün die Linken, die ebenfalls wieder im Parlament sind. "Wäre die Linke nicht hineingekommen, hätten wir jetzt Rot-Grün", klagte Al-Wazir in der Elefantenrunde und wandte sich wie Schäfer-Gümbel müde lächelnd von der Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler ab.
Bouffier sieht einen klaren Auftrag für seine Partei zur Regierungsbildung. Er bot am Abend sowohl der SPD als auch den Grünen Gespräche über eine mögliche Koalition an. "Ich hab da keine Präferenzen", sagte Bouffier im HR. "Wir sind bereit für faire Gespräche. Wer auch immer dann eine inhaltliche Mehrheit zusammen bringt, stellt die Regierung."
"Formal" nicht ausgeschlossen
Rot-Rot-Grün hatte Schäfer-Gümbel vor der Wahl "politisch" ausgeschlossen, "formal" jedoch nicht und sich somit ein Hintertürchen offengelassen. Bouffier verlangte von seinem Widersacher im Wahlkampf vergeblich ein "Ehrenwort", nicht mit der Linken zu koalieren. Die neuen Warnungen konterte Schäfer-Gümbel im HR kalt: "Belehrungen von Herrn Bouffier nehme ich nicht mal zur Kenntnis."
Die zeigte sich offen für eine Koalition mit SPD und Grünen. Die neuen Mehrheiten im Parlament müssten für einen Politikwechsel genutzt werden, sagte Wissler. Ihre Partei sei "natürlich auch bereit, darüber zu reden".
"Wortbruch oder stabile Verhältnisse"
Entsprechend zeichnete Bouffier zwei Szenarien: "Entweder gibt es einen neuen Wortbruch oder stabile Verhältnisse unter Führung der CDU." Den Wortbruch beging Schäfer-Gümbels Vorgängerin Andrea Ypsilanti. 2008 hatte sie eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, sich dann aber doch von ihr wählen lassen wollen. Vier sozialdemokratische Abweichler ließen diesen Plan scheitern. Daraufhin stürzte die SPD bei der vorgezogenen Landtagswahl 2009 ab.
Der alte Landtag wird auf jeden Fall noch bis Mitte Januar 2014 im Amt bleiben. Erst dann endet die Legislaturperiode. Zeit, die eine äußerst schwierige Regierungsbildung verlangen wird.