Internationale Politik Merkel verteidigt Aktivitäten der Geheimdienste
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zum ersten Mal persönlich zum Spionage-Skandal durch den US-Geheimdienst NSA geäußert. Sie habe von dem Anhörprogramm erst aus den Medien erfahren, sagte Merkel in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Im Umgang mit den USA mahnte sie zu Sachlichkeit.
Die anstehenden Gespräche müssten in einem Geist geführt werden, "der bei allen mehr als berechtigten Fragen nie vergisst, dass Amerika unser treuester Verbündeter in all den Jahrzehnten war und ist", sagte die Kanzlerin.
Sie verwies auf die Unterstützung der USA für die Deutsche Einheit, die "einen großen Vertrauensvorschuss für das wiedervereinigte Deutschland" bedeutet habe.
"Durch die Berichterstattung erfahren"
Merkel sagte, inwieweit Berichte über NSA-Programme wie Prism zuträfen, müsse geklärt werden. Sie habe davon "durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen". Medien zufolge soll die NSA unter dem Codenamen Prism ein weltweites Programm zum Ausspähen von Telefon- und Internetdaten betreiben.
Grundsätzlich stehe der Einsatz von Nachrichtendiensten für sie nicht infrage, sagte Merkel. "Die Arbeit von Nachrichtendiensten in demokratischen Staaten war für die Sicherheit der Bürger immer unerlässlich und wird es auch in Zukunft sein. Ein Land ohne nachrichtendienstliche Arbeit wäre zu verletzlich."
Zusammenarbeit "dient unserer Sicherheit"
Merkel verteidigte auch die Zusammenarbeit der deutschen Dienste mit deren US-Partnern: "Dass Nachrichtendienste unter bestimmten und in unserem Land eng gefassten rechtlichen Voraussetzungen zusammenarbeiten, entspricht ihren Aufgaben seit Jahrzehnten und dient unserer Sicherheit."
Vergleiche mit der Staatssicherheit der DDR wies Merkel scharf zurück: "Für mich gibt es überhaupt keinen Vergleich zwischen der Staatssicherheit der DDR und der Arbeit der Nachrichtendienste in demokratischen Staaten." Dies seien "zwei völlig verschiedene Dinge, und solche Vergleiche führen nur zu einer Verharmlosung dessen, was die Staatssicherheit mit Menschen in der DDR angerichtet hat".
Medien wie der "Spiegel", die "Süddeutsche Zeitung" oder die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" hatten in den vergangenen Tagen berichtet, dass die Bundesregierung womöglich besser über die Aktivitäten der Amerikaner im Bilde war, als sie zugibt.
So betrieben die Amerikaner ihren globalen Überwachungsapparat auch von Stützpunkten in Deutschland aus, schrieb der "Spiegel". Der frühere österreichische Verfassungsschutz-Chef Gert René Polli sagte der "FAS", ihm sei das Programm Prism unter anderem Namen bekannt gewesen. Darum sei es "widersinnig und unnatürlich", wenn die Deutschen nichts davon gewusst hätten.
Jahrzehntealte Verträge
Claus Arndt, der jahrelang für die SPD in dem Parlaments-Gremium saß, das die Geheimdienste kontrolliert, sagte dem "Spiegel", es gebe jahrzehntealte Verträge zur Zusammenarbeit von BND und US-Diensten.
Der Historiker Josef Foschepoth nannte in einem Interview mit der Onlineausgabe der "Süddeutschen" unter anderem das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut von 1961 und geheime Verwaltungsvereinbarungen der Bundesregierung mit den drei Westmächten aus dem Jahr 1968.
Eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger glaubt der Regierung nicht, von den NSA-Aktivitäten nichts gewusst zu haben. Einer "Umfrage des Magazins "Stern" zufolge nehmen nur 15 Prozent der Kanzlerin ab, erst durch die Medien davon erfahren zu haben. 80 Prozent glauben das nicht.