Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Ampel-Pleite Die politisch Amputierten laufen einfach weiter
Die Ampel ist nach dem Haushaltsurteil aus Karlsruhe pleite. Politisch und finanziell. Ihr Gebaren wirkt nur noch grotesk. Jetzt hängt alles von der CDU ab. Hilft sie? Oder lässt sie die Regierung vor die Wand fahren?
Wenn das alles noch witzig wäre, könnte man an das legendäre Duell aus Monty Python's "Ritter der Kokosnuss" denken. König Artus schlägt in dieser unvergessenen Szene dem Schwarzen Ritter bei einem Schwertkampf im Wald beide Arme ab, was diesen nicht anficht ("das ist doch nur 'ne Fleischwunde"), bis er schließlich beinlos als Rumpf am Boden sitzt und sagt: "Also gut, einigen wir uns auf ein Unentschieden."
Ähnlich schmerzbefreit agiert die vom Bundesverfassungsgericht politisch amputierte Ampelkoalition und macht weiter, als sei nichts geschehen: War was? Ist doch nur ein Kratzer.
Ihr Gebaren sprengt dabei die Grenzen des Slapsticks. Wenn Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nicht gerade in Weinerlichkeit versinkt, stichelt und stänkert er gegen die Union, namentlich Friedrich Merz: weil der die Regierung in Karlsruhe verpetzt hatte.
Ebenso gut könnte man denjenigen, der einen brenzligen Geruch in der Nase hat und die Feuerwehr ruft, zum Brandstifter erklären.
Brandmelder wird zum Brandstifter erklärt
Finanzminister Christian Lindner (FDP) seinerseits geriert sich, als habe er lange auf dieses Urteil gewartet, das ihn als Herrn über den Haushalt des Verfassungsbruchs überführt – weil nun endlich die Ausgabenorgien seiner beiden ungeliebten Koalitionspartner ein Ende haben. Und der Kanzler schließlich sagt so gut wie gar nichts, und wenn, dann reiht er mit dem ungebrochenen Selbstbewusstsein des Schwarzen Ritters von Monty Python und mit belegter Stimme Durchhalteplattitüden intonationsfrei aneinander.
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Der Rücktritt als Instrument der politischen Hygiene ist lange schon nur noch ein diffuses Echo aus vergangenen Zeiten. Weshalb sich eine Forderung nach ihm auch erübrigt hat. Aber festzuhalten bleibt: Seit zwei Jahren quält die Ampel sich und das Land damit, dass hier nichts zusammenpasst. Und jetzt hat das entscheidende Verfassungsorgan der Exekutive das viele Geld (oder die vielen Schuldscheine) aus der Hand geschlagen, mit dem SPD, Grüne und FDP die Gräben zuschütten wollten, die sie in Wahrheit trennen.
Diese Regierung ist seither insolvent. Pleite. Politisch und finanziell. Der Insolvenzverwalter, Staatssekretär Werner Gatzer, hat inzwischen die Sache an sich gerissen und die Kasse vorläufig mit einer Haushaltssperre geschlossen. Das entspricht nicht dem Shutdown in den USA, bei dem dann auch die Beamten nicht mehr bezahlt werden. Aber es ist dennoch eine Situation von einer Dimension, wie sie diese Republik in mehr als 70 Jahren ihres Bestehens nicht erlebt hat.
Gebaren und Realität klaffen auseinander
Wenn Gebaren und Realität so weit auseinandergehen wie bei dieser Ampel, dann wird aus dieser Realsatire schnell Wut. Es ist vermutlich richtig und wichtig, wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Kiew der Ukraine weitere 1,3 Milliarden Euro an Hilfe verspricht. Aber es wirkt verheerend, wenn das an ein und demselben Tag passiert, an dem Insolvenzverwalter Gatzer zu Hause die Schatulle absperrt und den Schlüssel in die Spree wirft.
Über die Runden retten kann sich die Ampel möglicherweise damit, eine Notlage festzustellen. Auch wenn man dabei festhalten muss: Es ist eine Notlage, die sie geschaffen hat. Die Notlage: Das ist sie selbst. Das reicht aber nur, um bis zur nächsten Ecke zu kommen, also das Jahr 2023 haushälterisch über den Dezember zu bringen. Fürs kommende Jahr und die kommenden Haushalte reicht das nicht.
Die Ampel und ihr stolzer Kanzler befinden sich da in den Händen der Union. Die könnte helfen, wenn sie sich unter gewissen Bedingungen zu einer Reform der Schuldenbremse oder einem zweiten Ausnahmetatbestand Klima neben Bundeswehr im Grundgesetz bereit erklärte. Den Preis dafür könnte sie sehr hoch ansetzen. Oder aber die Union lässt die Koalition voll gegen die Wand fahren, wonach es im Moment eher aussieht.
Erinnerungen an Lafontaines Blockadepolitik
Die Situation erinnert stark an das Jahr 1997. Damals quälte SPD-Chef Oskar Lafontaine die Regierung von Helmut Kohl und dessen Finanzminister Theo Waigel mit einer Blockade bei einer dringend benötigten Steuerreform. Das war eiskalt und skrupellos – und legte zugleich den Grundstein für den Wahlsieg der SPD 1998.
Ebenso wie Lafontaine könnte derzeit Friedrich Merz kalkulieren. Mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht bloß um eine Steuerreform geht. Sondern um die Funktionsfähigkeit des ganzen Landes. Das Land fährt dann mit der Regierung vor die Wand. Und weil die Union als Mehrheitsbeschaffer in dieser Schlüsselrolle ist, würde sie dafür mit mehr Recht mitverantwortlich gemacht als von Schmoll-Habeck für das Urteil aus Karlsruhe.