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EU-Gipfel: Ungarn und Polen blockieren Erklärung zur Migration


Bei EU-Gipfel in Granada
Ungarn und Polen blockieren Erklärung zur Migration

Von dpa, reuters
Aktualisiert am 06.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Granada: Scholz gibt sich zuversichtlich angesichts der EU-Einigung zur Migration. (Quelle: reuters)

Die EU-Staaten wollten auf dem Gipfel in Spanien eine gemeinsame Erklärung zur Migration abgeben. Doch Polen und Ungarn sträuben sich dagegen. Es ist nicht das einzige Streitthema.

Polen und Ungarn haben beim EU-Gipfel im spanischen Granada eine geplante Erklärung zur Migrationspolitik blockiert. Das sagten mehrere EU-Diplomaten am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki kündigte beim Kurznachrichtendienst X (früher Twitter) an: "Ich habe beschlossen, gegen den Teil über die Migration mein Veto einzulegen."

Auch die Asylreform der EU war ein Streitthema auf dem Gipfel – obwohl die EU bereits am Mittwoch Pläne für einen Krisenmechanismus vereinbart hatte. Demnach könnte die EU bei einem größeren Zustrom von Migranten weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen. Polen und Ungarn lehnten diesen Teil der Reform als unzureichend ab, wurden aber zunächst überstimmt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Rande des Gipfels, dass die Europäische Union bei dem Thema noch viel Arbeit vor sich habe. Ungarns Premierminister Viktor Orbán kündigte weitere Gegenwehr gegen die Pläne für eine Pflicht zur Solidarität mit besonders stark von Migration betroffenen Staaten an. Aus seiner Sicht gebe es keinerlei Chance mehr auf Kompromisse und Vereinbarungen, nachdem Ungarn und Polen "rechtlich vergewaltigt" worden seien, sagte er.

Auch Polen sträubt sich gegen Pläne der Asylreform

Auch Polen lehnt die Pläne entschieden ab. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki betonte bei dem Treffen, er habe keine Angst, sich dem "Diktat aus Brüssel und Berlin" zu widersetzen. Bereits beim Juni-Gipfel waren Spitzengespräche zum Thema Migration wegen dieses Streits ergebnislos und ohne Erklärung geendet.

Polen und Ungarn wehren sich insbesondere dagegen, dass den Plänen zufolge stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen.

Die Blockade der geplanten gemeinsamen Erklärung zur Migration hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf den laufenden Prozess für eine europäische Asylreform. Denkbar ist allerdings, dass Polen und Ungarn die derzeit laufenden Verhandlungen über eine Revision des langfristigen EU-Haushalts nutzen, um weiteren Druck beim Thema Asylreform zu machen. Bei diesem Thema ist Einstimmigkeit erforderlich, und die Revision soll auch eine Fortsetzung der Finanzhilfen für die Ukraine ermöglichen.

Scholz: Geflüchtete werden nach Deutschland durchgewunken

Kanzler Olaf Scholz hat Staaten wie Polen und Ungarn eine widersprüchliche Position in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. Es könne nicht sein, dass ausgerechnet Länder, die in der EU-Asyldebatte für eine harte Linien stünden, "diejenigen, die bei ihnen ankommen, durchwinken, damit sie in Deutschland ankommen", sagte er am Freitag nach Ende des Gipfels, ohne beide Länder ausdrücklich zu nennen. Beide nationalkonservative Regierungen hatten aber die von den EU-Innenministern mit qualifizierter Mehrheit erreichte Einigung über eine neue EU-Asylpolitik abgelehnt.

Zugleich spielte Scholz Warnungen beider Ministerpräsidenten herunter, eine endgültige Einigung auf europäischer Ebene noch zu verhindern. "Das kann nicht von Einzelnen blockiert werden", betonte der Kanzler. Deshalb sei er "zuversichtlich", dass eine in dem Trilog zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat verhandelte Einigung noch gelingen werde. Er gehe fest davon aus, dass eine Regelung dann für alle 27 EU-Staaten gelten werde.

Ukraine-Hilfen weiteres Streitthema

Zudem droht wegen neuer Ukraine-Hilfen der EU eine Zerreißprobe. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte am Rande des informellen EU-Gipfels in Granada Widerstand gegen Unterstützungspläne an.

Zu Vorschlägen, für die Unterstützung der Ukraine bis Ende 2027 bis zu 70 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, sagte Orbán, man werde in keinem Fall einer unüberlegten Budgeterweiterung zustimmen. Ungarn wolle einen Waffenstillstand und Frieden. Zusätzliche Waffenlieferungen würden das Töten verlängern, argumentierte er.

Ungarn könnte mit einem Veto die Finanzierung der Hilfen über die EU verhindern. Als wahrscheinlich gilt aber, dass Orbán den Hilfen doch zustimmen wird – insbesondere dann, wenn im Gegenzug EU-Gelder für Ungarn freigegeben würden, die derzeit wegen rechtsstaatlichen Defiziten in dem Land eingefroren sind.

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Scholz dringt auf Reform für Aufnahme weiterer Staaten

Nicht nur die Hilfen für die Ukraine, auch eine mögliche Aufnahme des kriegsgeplagten Landes in die EU beschäftigt die Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzler Olaf Scholz drang in Granada erneut auf eine Reform der EU, um sie für die Aufnahme weiterer Länder fit zu machen. "Wir müssen dann auch mit qualifizierten Mehrheiten Entscheidungen treffen können, damit die Souveränität und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union gewährleistet ist", sagte er. Derzeit können viele Entscheidungen nur bei Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten getroffen werden, unter anderem in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Man müsse sich auch über die Zahl der Mitglieder der EU-Kommission Gedanken machen, sagte Scholz. "Man kann ja nicht einfach immer quasi die Regierung erweitern und neue Ministerien erfinden." Außerdem gehe es um die Zahl der Sitze im Europäischen Parlament und die Finanzierung der Staatengemeinschaft.

Macron stärkt Scholz den Rücken

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich für eine neue Herangehensweise bei der Aufnahme weiterer Länder in die EU ausgesprochen. "Es bildet sich ein Konsens heraus, dass wir vor einer geopolitischen Transformation von Europa stehen", sagte Macron am Freitag während des informellen EU-Gipfels in Granada. "Wir haben die Überzeugung, dass wir schneller vorankommen müssen."

Einige Mitgliedsländer wollten am klassischen Weg für eine Erweiterung festhalten, andere hätten eine neue Methode und neue Ambitionen vorgeschlagen. "Es ist klar, dass die geopolitische Situation im Westbalkan, wie mit Moldau und der Ukraine, eine gemeinsame Herangehensweise rechtfertigt."

Startschuss für die Beitrittsverhandlungen im Dezember?

Im Dezember soll entschieden werden, ob mit der Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden und ob Georgien den Status des Beitrittskandidaten bekommt. EU-Ratspräsident Charles Michel sprach sich zuletzt dafür aus, dass die EU bis 2030 bereit für die Aufnahme von Ländern wie der Ukraine sein muss. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen befürwortet eine rasche Erweiterung, nennt jedoch kein Datum.

Ein Beitritt der Ukraine gilt als kniffelig, etwa weil das kriegsgeplagte Land vergleichsweise groß ist und vermutlich auf nicht absehbare Zeit Zuschüsse erhalten müsste. Zudem würde die riesige Landwirtschaft eine umfangreiche Reform der EU-Agrarförderungen notwendig machen.

Beitrittsverhandlungen führt die EU auch mit den Balkanstaaten Montenegro, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien. Zudem sind neben der Ukraine auch noch der Kosovo sowie Moldau, Georgien und die Türkei Bewerberländer. Mit der Türkei gab es bereits lange Beitrittsverhandlungen, sie liegen allerdings seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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