Vor Staatsbesuch Scholz kündigt Kurswechsel gegenüber China an
Nach viel Kritik hat sich der Kanzler zur anstehenden China-Reise geäußert. Er werde "schwierige Themen" nicht ausklammern.
Vor seiner mit Spannung erwarteten Reise nach Peking hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen Kurswechsel gegenüber China angekündigt. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" begründete er das am Mittwoch mit den Ergebnissen des Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas vor zwei Wochen.
Die Bekenntnisse zum Marxismus-Leninismus hätten dabei deutlich breiteren Raum eingenommen als bei früheren Parteitagen. Dem Streben nach Stabilität des kommunistischen Systems und nationaler Autonomie komme künftig mehr Bedeutung zu. "Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren", schreibt Scholz. "Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern."
Koalitionsvertrag rückt Rivalität in den Vordergrund
Der Kanzler bricht am Donnerstag zu einem nur elfstündigen Besuch in Peking auf. Dort wird er Präsident Xi Jinping treffen – als erster westlicher Regierungschef seit der Wiederwahl zum Parteichef. Xi hatte dabei auch die Führungsriege neu aufgestellt und damit seine Macht gefestigt.
Während die USA schon seit längerer Zeit einen harten Kurs gegenüber der autoritären Regierung in Peking verfolgen, hatte das wirtschaftlich stark mit China verflochtene Deutschland unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Pragmatismus und Kooperation gesetzt. Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, eine neue China-Strategie zu entwickeln. "Wir wollen und müssen unsere Beziehungen mit China in den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestalten", heißt es darin.
Unternehmen sollen sich breiter aufstellen
In dem "FAZ"-Beitrag buchstabiert Scholz nun erstmals aus, was er sich unter einer neuen China-Strategie vorstellt. Er ist zwar gegen eine wirtschaftliche Entkopplung. Einseitige Abhängigkeiten müssten aber abgebaut werden. "Wo riskante Abhängigkeiten entstanden sind – etwa bei wichtigen Rohstoffen, manchen seltenen Erden oder bestimmten Zukunftstechnologien –, stellen unsere Unternehmen ihre Lieferketten nun zu Recht breiter auf. Wir unterstützen sie dabei, zum Beispiel durch neue Rohstoff-Partnerschaften", schreibt er.
Scholz kündigte an, bei seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung "schwierige Themen" nicht ausklammern zu wollen. "Hierzu zählt die Achtung bürgerlicher und politischer Freiheitsrechte sowie der Rechte ethnischer Minderheiten etwa in der Provinz Xinjiang." Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen wirft der chinesischen Führung Unterdrückung der überwiegend muslimischen Uiguren in Xinjiang vor. Die Regierung in Peking weist die Vorwürfe zurück.
Sorge um Taiwan
Beunruhigt äußerte sich Scholz mit Blick auf die angespannte Lage rund um Taiwan. "Wie die USA und viele andere Staaten verfolgen wir eine Ein-China-Politik. Dazu gehört aber, dass eine Veränderung des Status quo nur friedlich und in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen darf."
China betrachtet das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan als Teil der Volksrepublik und lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh entschieden ab. Taiwan hingegen sieht sich schon lange als unabhängig an. Xi Jinping hatte auf dem Parteitag erneut mit einer Eroberung der Insel gedroht.
Scholz war zuletzt in der eigenen Koalition wegen seiner Haltung zu China unter Druck geraten. Die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen setzte er nur gegen den Widerstand mehrerer seiner Minister durch. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte ihn daraufhin an den Koalitionsvertrag erinnert.
China habe sich in den vergangenen Jahren massiv verändert, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch im ZDF. "Deswegen haben wir gemeinsam im Koalitionsvertrag verankert, dass wir die China-Politik so ausrichten, wie das viele europäische Länder in der Vergangenheit bereits gemacht haben." Es gebe zwar eine Zusammenarbeit bei globalen Fragen, aber zunehmend auch einen Wettbewerb, in dem China auch unfaire Methoden anwende. Zudem entwickele sich das Land immer mehr zum "systemischen Rivalen".
- Nachrichtenagentur dpa