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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aufregung in NRW Moschee lässt Kinder mit Kampfanzügen marschieren
Ein Video aus Herford sorgt für Aufregung: Anlässlich eines türkischen Gedenktags lässt eine Ditib-Moschee Kinder mit Kampfanzügen und Spielzeugwaffen aufmarschieren.
Kinder marschieren mit Uniform und posieren mit Spielzeugwaffen. Dazu rufen sie türkische Militärkommandos. Ein Video von den Vier- bis Sieben-Jährigen wurde in einer Moschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Herford aufgenommen und sorgt für Empörung bei Politikern und Medien.
Mit der nachgespielten Militärparade erinnerte die Moschee an die gefallenen Soldaten der Schlacht von Çanakkale (Schlacht von Gallipoli, 1915-1916). Bei der Schlacht im Ersten Weltkrieg gewannen die Osmanen gegen Briten und Franzosen.
Moschee bedauert Vorfall
Das Gedenken an die Schlacht ist in der kemalistischen Ideologie nichts Neues. Besonders seit dem Putschversuch in der Türkei im Jahr 2016 mehren sich derartige Veranstaltungen auch in Deutschland. Die Instrumentalisierung von Kindern für nationalistische und politische Zwecke ist in der Türkei bislang aber keine Normalität – auch wenn die Bilder sich nach Beginn der Syrien-Offensive mehren. Deshalb schlägt der Ditib-Moschee nun eine Welle der Entrüstung entgegen.
Die Herforder Gemeinde drückte inzwischen ihr Bedauern aus: Man werde dafür Sorge tragen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Das für die Aufführung zuständige Gemeindemitglied sei kurzfristig schwer erkrankt, sodass die Aufführung von einer anderen Person vorbereitet wurde. Die Aufführung sei ohne Zutun der Gemeinde entstanden und finde nicht ihre Zustimmung, zitiert der Westdeutsche Rundfunk (WDR) ein Statement des Vereins.
Ohne politische Gedanken?
Auch der Vorstand der Gemeinde, Necati Aydin, versucht die Öffentlichkeit zu beschwichtigen: "Das Schauspiel ist in guter Absicht und ohne politischen Gedanken aufgeführt worden, um den hohen Gedenktag zu würdigen", sagte Ayding gegenüber "Bild". Die Gemeinde bedauere, dass dies solche Reaktionen ausgelöst habe.
Ob die Aufführung tatsächlich ohne "politischen Gedanken" aufgeführt wurde, ist allerdings fraglich. Die Schlacht von Çanakkale wird vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan auch für den aktuellen Krieg in Syrien genutzt. Am 18. März nahm die türkische Armee zusammen mit syrischen Rebellen die Stadt Afrin von der kurdischen YPG ein. Am 18. März 1915 gewannen die Osmanen die Schlacht von Çanakkale. Mit dem Motto "Von Çanakkale nach Afrin" versucht Erdoğan, einen Bezug zur Vergangenheit herzustellen.
Instrumentalisierung von Kindern
Und auch Kinder werden zunehmend Teil der türkischen Propaganda, um den Kriegseinsatz in Syrien zu rechtfertigen. Seit dem Beginn der "Operation Olivenzweig" posiert auch Erdoğan neben Kindern, die eine Militäruniform tragen. So auch am 24. Februar neben einem weinenden fünfjährigem Mädchen. "Wenn sie eine Märtyrerin wird, werden sie sie hoffentlich mit der türkischen Flagge bedecken. Sie ist zu allem bereit", zitiert die Tageszeitung "taz" den türkischen Präsidenten.
Damit Kinder vor dieser Instrumentalisierung geschützt werden, schreitet nach dem Vorfall in der Ditib-Moschee der Herforder Bürgermeister Tim Kähler ein. Das sei "verstörend und alles andere als integrationsfördernd", sagte Kähler gegenüber dem WDR. Der Bürgermeister habe bereits Kontakt mit der Moschee-Gemeinde aufgenommen und seine Kritik geäußert.
Am Freitag sind Vertreter der Gemeinde zu einem Gespräch in das Herforder Rathaus eingeladen und die Stadt wird nach eigenen Angaben prüfen, ob gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen wurde.
- Bericht des Westdeutschen Rundfunks
- Meldung der "Bild"
- Türkische Kriegsspiele für Kinder / "taz"
- Eigene Recherche