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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Demo zum Frauentag in Berlin "Von Gleichberechtigung kann nicht die Rede sein"
Feminismus heißt Widerstand: Das war das Motto der Demonstration zum Frauentag 2018 in Berlin. Zahlreiche Menschen gingen gegen Sexismus und für mehr Gleichberechtigung auf die Straße. Hier sind Stimmen, Bilder und Emotionen.
Eine Reportage von Patrick Diekmann.
Ein Protest im Schatten der #MeToo-Debatte: Bereits um 17 Uhr stehen mehr als 5.000 Menschen auf dem Berliner Hermannplatz. Das Publikum ist ein Querschnitt unserer Gesellschaft. Junge und alte Menschen haben sich für die Demonstration zusammengefunden. Während in der Straßenmitte ein Vater steht, der seinen kleinen Sohn auf den Schultern trägt, stehen um ihn herum einige Gruppen Jugendlicher mit Fahnen in der Hand. Über den ganzen Platz verteilt stehen kleine Menschentrauben, die sich unterhalten und auf den Beginn der Demonstration warten. Flankiert wird die Menschenmasse von zahlreichen Polizisten, die aber an dem Abend beschäftigungslos bleiben werden.
Im Mittelpunkt steht der Protest und viele der Teilnehmer und Teilnehmerinnen geben sich kämpferisch. Der "Frauenkampftag" in Berlin ist auch ein Fest der Kreativität. Vielerorts sieht man selbst gebastelte Schilder und Transparente. "Kita-Plätze statt rechter Hetze", steht auf einem Schild, das eine junge Frau hochhält. Ein Seitenhieb gegen die AfD, denn unter dem Spruch ist ein Bild von Beatrix von Storch zu sehen. "Frauenrechte sind Menschenrechte", heißt es auf einem Transparent der Linken, in deren Mitte auch die Parteichefin Katja Kipping mit demonstriert.
"Nötig, etwas zu tun"
Während im Jahr 2017 die Sexismusdebatte um Donald Trump sehr viele Menschen für die Frauentagsdemonstration mobilisierte, sind die Gründe in diesem Jahr vielfältiger. "Ich kämpfe für die Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft. Das ist im Alltag unserer Gesellschaft leider noch nicht angekommen", sagt die 21-jährige Franziska, die zum wiederholten Mal an der Demonstration am 8. März teilnimmt.
Auch die #MeToo-Debatte ist ein großes Thema. Es gehe um die Macht von Männern über Frauen und dies sei noch genauso wie vor langer Zeit, sagt die 67-jährige Gisela (Name und Alter geändert). "Deswegen ist es nötig, weiter etwas zu tun."
Volksfest und Protest
Nach einer Stunde Wartezeit setzt sich die Menschenmasse langsam in Bewegung. Die Lautstärke ist enorm. Einige haben Trommeln oder Pfeifen mitgebracht und auf den Wagen läuft Musik von Hip-Hop bis Techno. Während an einer Kreuzung die Menschen zu Trommelklängen tanzen, steht an der nächsten ein Frauenchor, der von der "feministischen Revolution" singt.
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Ein Thema scheint die Gemüter aktuell besonders zu erregen: Der Streit um den Paragraphen 219a, der Ärzten und Ärztinnen verbietet, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Auf einem großen Transparent ist "Mein Körper, meine Entscheidung" zu lesen. Auf diversen Schildern, die langsam die Straße entlangziehen, wird ein "Recht auf Informationen" proklamiert.
Solidarität mit Frauen in der Pflege
Der Demonstrationszug schreitet die kurze Strecke in Richtung Oranienplatz voran. Nur knapp drei Kilometer soll der Demonstrationszug zurücklegen. Trotzdem ist es mittlerweile dunkel. So manchem Autofahrer steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Zwischen Neukölln und Kreuzberg gibt es kein Durchkommen. Auf dem Weg mischen sich Protestveranstaltung und Volksfest. Kiosk-Besitzer spielen ihrerseits Musik und Menschen decken sich mit Verpflegung und Kaltgetränken ein. "Typisch Berlin", murmelt einer der zahlreichen Passanten, die mittlerweile die Straße säumen und sich das Spektakel angucken.
Zu sehen gibt es viel: In der Menschenmasse fallen immer wieder Leute mit kreativen Verkleidungen auf. Eine Gruppe ist mit weißen Overalls und einem Mundschutz bekleidet. Sie möchten auf den Pflegenotstand aufmerksam machen. Dabei ist auch wieder Franziska. "90 Prozent der Beschäftigten im Pflegebereich sind Frauen und wir möchten uns mit ihnen solidarisieren", sagt sie.
Gleichstellung im Alltag
Nach der Demonstration stehen die Menschen noch lange am Oranienplatz. In vielen Gesprächen klingt heraus, dass Gleichstellung ein Prozess ist, der in vielen Gesellschaftsbereichen noch Verbesserungen erfordert. Es wird über anhaltende Lohnunterschiede diskutiert und über das immer noch bestehende Patriarchat, das man bekämpfen müsse. "Die Bedingungen haben sich verändert, aber von Gleichberechtigung und Gleichrangigkeit kann immer noch nicht die Rede sein. Wir werden weitermachen müssen", meint Gisela.
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Der Frauentag ist mittlerweile ein fester Termin im Jahr, an dem die Menschen sich gegenseitig daran erinnern, welche Schritte auf dem Weg zur Gleichstellung noch zu gehen sind. Bei diesem Prozess kommt es auch auf die Männer an. "Frauen werden immer noch im Alltag diskriminiert", meint der 31-jährige Moritz, der mitdemonstrierte. "Auch wir Männer müssen uns hier mit den Frauen solidarisieren." Dass die Solidarität über den Frauentag hinausgeht, ist wünschenswert, denn das Thema Gleichberechtigung begleitet die Menschen im täglichen Leben und nicht nur einen Tag im Jahr.
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