Kurden-Symbol bei Facebook Staatsschutz ermittelt, weil Musiker Nachrichtentext teilte
Das Foto zu diesem Artikel ist verfremdet: Wir wollen nicht, dass der Staatsschutz in Bayern gegen Sie ermittelt, weil Sie den Text teilen und das Bild auf Facebook erscheint. In München gibt es den Fall gerade. Er macht Juristen fassungslos.
Die Polizei München ermittelt gegen einen Cellisten der Münchner Philharmoniker. Sein Vergehen: Johannes König hat einen Artikel des öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunks auf seiner Facebook-Seite gepostet. Dadurch war die YPG-Fahne zu sehen, die in Deutschland verboten ist.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan findet in München Unterstützer: Der Staatsschutz dort durchforstet Facebook nach Symbolen der syrischen Kurdenmiliz YPG und der Frauenverteidigungseinheiten YPJ. Seit einem Schreiben des Bundesinnenministeriums vom März 2017 stehen die Zeichen auf einer Liste von Symbolen, die nach dem Vereinsgesetz verbotene Propaganda für die PKK darstellen können.
YPG Verbündeter im Kampf gegen IS
Die Symbole waren etwa bei der Eroberung Rakkas von der Terrormiliz IS mit einem riesigen Bild von PKK-Führer Öcalan zu sehen. Die YPG hat als Verbündeter des Westens die Terrrormiliz bekämpft. Für die Türkei ist sie aber die PKK mit anderem Anstrich, die Türkei führt in Afrin Krieg gegen die YPG.
Als Münchener Ermittler wegen des Postens solcher Bilder sogar Hausdurchsuchungen durchführten, berichtete der Bayerische Rundfunk, Bebildert war das wie bei anderen Medien mit einem ein Foto, das eine solche Fahne zeigt. Medien haben zur Berichterstattung weitergehende Rechte, sonst dürften auch keine Fotos von Hells Angels in Kutten mehr verwendet werden.
Beitrag kommentarlos gepostet
Den Artikel des BR mit dem Bild postete Johannes König am 17. August 2017 um 15.16 Uhr kommentarlos. Die genaue Zeit ist auch nachzulesen in der Vorladung eines Oberkommissars des Kommissariats 45 "Politisch motivierte Kriminalität (Ausländer)", die t-online.de vorliegt. Am 19. März soll König nun als Beschuldigter bei der Polizei erscheinen. Der Beitrag des BR wurde noch häufiger geteilt, er erhielt insgesamt 1700 Reaktionen und wurde 104 mal getwittert
Die Münchner Ermittlungen zeigen, welche Konsequenzen das Vorgehen haben könnte: Redaktionen müssten überlegen, ob sie Nutzer mit der Auswahl des Fotos einem Risiko aussetzen.
Die Staatsschützer hatten auch Zeit, König die Vorladung telefonisch anzukündigen: "Zwei Tage vorher bekam ich einen Anruf eines Polizisten, der sagte, dass es um Facebook-Ermittlungen wegen Kerem Schamberger geht", sagte er t-online.de. Der erwähnte Schamberger ist Kommunikationswissenschaftler und prokurdischer Aktivist. Gegen ihn laufen schon länger Ermittlungen wegen mehrerer Postings mit den Symbolen. Er selbst sagte t-online.de, dass es in München Verfahren gegen "Hunderte" Facebook-Nutzer gibt, die seine Postings geteilt haben.
Polizei: Wir waren verpflichtet
König ist zwar Facebook-Freund von Schamberger, hatte aber nur den Nachrichtenbeitrag des BR geteilt. "Ich kann mir aber keinerlei Reim darauf machen, wieso gegen mich ermittelt wird. Ich bin aber auch sehr entspannt, ich habe mir nichts vorzuwerfen."
Die Polizei bestätigte am Samstag nach Erscheinen dieses Textes gegenüber t-online.de, dass sie "etwa 10 Anzeigen" bearbeitet, weil Nutzer die "beschriebenen medialen Abbildungen" geteilt hätten. Das sei im Rahmen von Ermittlungen wegen anderer Delikte aufgefallen. Es gebe den Anfangsverdacht einer Straftat, und die Polizei sei gesetzlich verpflichtet, Straftaten zu verfolgen. Die Staatsanwaltschaft München unterstreicht das. "Hier steht uns kein Ermessen zu, wir sind vielmehr zum Tätigwerden verpflichtet." Von der Strafbarkeit ausgenommen sei eine Verwendung etwa im Rahmen der Presseberichterstattung. Deshalb werde nicht gegen Verantwortliche des Bayerischen Rundfunks ermittelt.
Der Hannoveraner Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl bestätigt, dass die Polizei eingreifen muss, wenn sie von strafrechtlich relevantem Handeln ausgeht. Diese Annahme sei hier aber abwegig, sagte er t-online.de: "Wenn man von öffentlich-rechtlichen Sendern etwas postet, hat man wohl kaum einen Vorsatz zur Tat. Das Verfahren ist zum Scheitern verurteilt."
Anwalt bringt Dienstaufsichtsbeschwerde ins Gespräch
Das unterstreicht auch der Leipziger Rechtsanwalt Jürgen Kasek, der auch Landesvorstandssprecher der Grünen in Sachsen ist: "Entscheidend sind der Kontexte und ob die Symbole der Verherrlichung der PKK dienen oder nicht." Wenn das nicht der Fall sei, liege auch keine Strafbarkeit vor. "In diesem Fall ist das Ermittlungsverfahren geradezu absurd." Nutzer dürften darauf vertrauen, dass sie öffentlich zugängliche Beiträge von allgemein anerkannten Medien teilen können, ohne eigene Prüfungen anzustellen." Kasek meint, ein Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Ermittler sollte nicht ausgeschlossen werden. Der Fall zeige aber auch, dass es an klar verständlichen Regeln fehle.
Die Bundesregierung hatte sich im April, nachdem die Symbole verboten wurden, auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke um eine klare Antwort gedrückt. "Die Frage zielt auf die rechtliche Bewertung von Einzelsachverhalten. Dies ist nicht Aufgabe der Bundesregierung." Jelpke hatte wissen wollen, ob das Teilen von Beiträgen Dritter mit Bildern eine Straftat nach dem Vereinsgesetz darstellt und ob es länderspezifische Unterschiede gibt.
- Der von Johannes König geteilte Text des Bayerischen Rundfunks
- Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage zum Verbot der Symbole
- Bericht der "Huffington Post"