Anti-Israel-Demo in Berlin Intifada-Rufe im Berliner Regierungsviertel
Palästinenser demonstrieren in Berlin gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt. Doch es geht ihnen um mehr: Israel wollen sie nicht als Staat anerkennen. Sie wollen lieber – sagen zumindest einige von ihnen: ein Land ohne Juden.
Von Jonas Mueller-Töwe
Palästinensische Flaggen wehen über der Menge auf dem Washington-Platz am Berliner Hauptbahnhof. Der Wind zerrt an den Bannern, zwischen ihnen sitzen junge Männer auf den Schultern ihrer Mitdemonstranten. Schreien, rufen, beschwören auf Arabisch, lauthals ohne Mikrofon: "Allahu Akbar", also "Gott ist groß". Hauptsächlich andere junge Männer umkreisen sie, bilden einen Chor und wiederholen die Rufe, putschen sich gegenseitig auf, Arafat-Tücher um den Hals geschlungen, Bandanas in den Farben der Flagge auf den Köpfen.
"Für die Ewigkeit unsere Hauptstadt"
Rund 450 Menschen demonstrieren am Dienstag – dagegen, dass US-Präsident Donald Trump Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt hat, sagen sie. "Jerusalem wird für die Ewigkeit unsere Hauptstadt bleiben", sagt Demo-Anmelder Ahmad Muhaisen von der "Palästinensischen und arabischen Vereinigung Berlin". Wer hinter diesem Namen steht – dazu wird weiter keine Auskunft gegeben. Auch die Polizei weiß nichts Näheres, es handele sich um einen Einzelanmelder. "Palästina bis zum Sieg" und "Intifada bis zum Sieg" rufen junge Leute, filmen sich dabei mit dem eigenen Handy.
Bereits am Wochenende hat es Kundgebungen anderer Anmelder in Berlin gegeben, israelische Flaggen brannten, antisemitische Sprechchöre wurden laut. "Tod den Juden", "Tod Israel", "Kindermörder Israel" – das sind beliebte Parolen auf pro-palästinensischen Demonstrationen. Sie waren nicht zum ersten Mal in Deutschland zu hören. Als der israelische Staat auf fortwährende Raketenangriffe und die Morde an drei israelischen Jugendlichen vor drei Jahren mit einer Militäroffensive im Gaza-Streifen reagierte, musste die Polizei bei einer Kundgebung in Essen einschreiten – um Teilnehmer daran zu hindern, eine jüdische Synagoge anzugreifen.
Polizei trennt die Veranstaltungen
Auch deswegen sind am Dienstag die Befürchtungen im Vorfeld groß: Am Abend soll das jüdische Chanukka-Fest mit einer Feier am Brandenburger Tor beginnen. Unbedingt will die Polizei die Veranstaltungen deswegen trennen. Das Fest erinnert an die Wiedereinweihung des jüdischen Tempels 164 v. Chr. – in Jerusalem. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller entzündet das erste Licht am zehn Meter hohen siebenarmigen Leuchter, der "Menora".
Im gesamten Bereich zwischen Washington-Platz am Hauptbahnhof und Brandenburger Tor sind deswegen Polizeikräfte im Einsatz, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf t-online.de. Auch sonst will die Polizei rigider durchgreifen als in den letzten Tagen.
Polizei dokumentiert arabische Sprechchöre
"Wir haben per Auflage untersagt, Gegenstände zu verbrennen", sagt Neuendorf weiter. Das sei notwendig, da dass Verbrennen einer Fahne nicht zwangsläufig eine Straftat darstelle – das sei nur der Fall, handele es sich tatsächlich um eine Flagge, die zuvor an einer offiziellen Landesvertretung gehangen habe, demnach also ein Hoheitssymbol darstelle. Ein Tischtuch bemalen und verbrennen – ohne polizeiliche Auflage ist das offenbar legal.
"Es sind außerdem sprachkundige Beamte im Einsatz", sagt Neuendorf. Die Dolmetscher sollen feststellen, ob die arabischen Sprechchöre möglicherweise gegen Auflagen oder sogar Gesetze verstoßen. Nach einer halben Stunde beginnen Beamte die Parolen mit Video-Aufnahmen zu dokumentieren. "Dazu haben wir Anlass gesehen. Wir müssen das aber noch abschließend strafrechtlich bewerten."
"Wir erkennen Israel nicht an"
Auch wenn die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch die USA den Anlass der Demonstration bilden soll – für viele ist Ost-Jerusalem nicht der eigentliche Grund zu demonstrieren. Es geht nicht allein um den Status Jerusalems, das Israel seit 1980 offiziell als seine unteilbare Hauptstadt betrachtet und deren östlichen Teil offiziell palästinensische Vertreter als Hauptstadt eines möglichen zukünftigen Staats beanspruchen. Viele der Kundgebungsteilnehmer lehnen Israel und damit eine Zwei-Staaten-Lösung vehement ab.
"Wir erkennen Israel nicht an", sagt ein stämmiger freundlicher Mann mittleren Alters. "Tür an Tür" wolle man mit Juden und Christen "wie eine Familie" leben. Doch radikale Juden würden das verhindern. "Sie wollen keinen Frieden und deswegen wird es auch keine friedliche Lösung geben." Jüngere Kundgebungsteilnehmer werden noch deutlicher und formulieren nicht ganz so diplomatisch. Niemand möchte aber seinen Namen nennen.
"Juden sind ein von Gott verfluchtes Volk"
"Wir werden unser Land zurückbekommen – so steht es im Koran. Ohne Juden, ohne Christen, unser Land. Sie haben die Politik, wir haben Allah. Dann wird die Sonne im Westen aufgehen und dann wird die Welt untergehen", beschreibt er den Tag des Gerichts nach islamischer Prophezeiung, die den Endzeit-Beschreibungen des Alten Testaments ähnelt. "Ich habe nichts gegen Juden, aber sie sind ein von Gott verfluchtes Volk", sagt der junge Mann. "Sie werden keinen Staat haben." Die Terrororganisation Hamas sei nur so etwas wie die Bundeswehr für Palästina, ergänzt ein etwa gleichaltriger Mitdemonstrant.
Am Ende wird die Polizei bei der Kundgebung zwei Männer festnehmen. Unter "Unmutsbekundungen" der übrigen Demonstranten, sagt Polizeisprecher Neuendorf. Es gibt Gerangel. Die Festgenommenen haben den verbotenen Gruß des sogenannten "Islamischen Staats" gezeigt.