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"Ein europäischer Patriot": Europa nimmt Abschied von Helmut Kohl


Historische Trauerfeiern
Der bewegende Abschied von Helmut Kohl

Von dpa, rok

Aktualisiert am 02.07.2017Lesedauer: 4 Min.
Der Sarg wird nach dem europäischen Trauerakt für den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl im EU-Parlament in Straßburg von Soldaten des Wachbataillon aus dem Saal gebracht.Vergrößern des BildesDer Sarg wird nach dem europäischen Trauerakt für den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl im EU-Parlament in Straßburg von Soldaten des Wachbataillon aus dem Saal gebracht. (Quelle: reuters)
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Berührende, auch persönliche Worte prägten die Trauerfeierlichkeiten für Helmut Kohl. Das Europaparlament war ein passender Ort für den Abschied: Der deutsche Kanzler sei vor allem auch "ein europäischer Patriot" gewesen - darin waren sich alle Redner einig.

Mit einem historischen Trauerakt hat Europa Abschied von einem seiner bedeutendsten Staatsmänner genommen und dessen visionäres Vermächtnis gewürdigt. "Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Samstag im Europarlament von Straßburg. "Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant."

EU-Ratspräsident Donald Tusk verband seine Würdigung des Altkanzlers vor dem in eine blaue Europaflagge gehüllten Sarg mit einem Appell an die heutigen Politiker des Kontinents, klare Botschaften zu senden: "Ein Ja für die Union, ein Ja für die Freiheit, ein Ja für die Menschenrechte." Kohl war am 16. Juni mit 87 Jahren in Ludwigshafen-Oggersheim gestorben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte Kohl einen großen Brückenbauer. "Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker", sagte die CDU-Chefin. Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren - den engagierten, unermüdlichen Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit.

Merkel dankt Kohl "für die Chancen, die sie mir gegeben haben"

Merkel dankte dem Altkanzler auch persönlich: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben." Sie schilderte ihren Amtsvorgänger als Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung - und auch als Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben hätten und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.

Merkel als letzte Rednerin erlaubte sich aber auch kritische Töne über den Machtmenschen und einstigen Übervater ihrer CDU, von dem sie sich nach der Parteispendenaffäre auch distanziert hatte. "So manche Geister schieden sich an ihm, nicht wenige haben sich an ihm abgearbeitet und gerieben", sagte die Bundeskanzlerin. "Viele von uns, auch ich, können davon erzählen."

Merkel war es auch, die in ihrer Rede an Kohls 2001 verstorbene Ehefrau Hannelore erinnerte, die den Kanzler "in guten wie in schlechten Zeiten" begleitet habe. In der ersten Reihe im Plenarsaal saß derweil die Witwe Maike Kohl-Richter, der Merkel bescheinigte, den Altkanzler bis zuletzt "voller Hingebung und Liebe begleitet" zu haben.

"Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt."

EU-Kommissionschef Juncker erinnerte an Kohls Rolle als Kanzler der deutschen Wiedervereinigung und beim Zusammenwachsen Europas. Zwischen beiden Zielen habe es für ihn keinen Widerspruch gegeben. In "geduldigen Einzelgesprächen" habe er die Skepsis in manchen europäischen Ländern gegen die deutsche Einigung abgebaut. "Er hat die Gunst der Stunde richtig eingeschätzt und genutzt." Ohne Kohl hätte es zudem den Euro nicht gegeben, sagte Juncker. "Für ihn war der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln."

EU-Ratschef Tusk nannte Kohl einen Wegbereiter der europäischen Einigung sowohl im Westen als auch im Osten des lange geteilten Kontinents. "Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus." Der Deutsche habe "verstanden, dass die ersten, die der Berliner Mauer Risse beigebracht haben, die Werftarbeiter von Danzig waren", betonte der selbst aus Danzig stammende Pole Tusk mit Blick auf die Verdienste der Gewerkschaft Solidarnosc für die demokratische Entwicklung Ost- und Mitteleuropas.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani hob Mut und Tatkraft Kohls hervor. "Er war ein Kämpfer für die Freiheit und die Demokratie und einer der Protagonisten der Wiedervereinigung unseres Kontinents. Stets und überall verteidigte er die Würde des Menschen gegen Mauern, gegen eiserne Vorhänge und gegen totalitäre Regime." Kohl habe maßgeblich den Lauf der Geschichte beeinflusst, so Tajani. "Wir finden kein Kapitel der europäischen Integration, dem er nicht mutig seinen Stempel aufgedrückt hätte."

Macron: "Helmut Kohl reichte uns die Hand"

Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den Altkanzler als großen Freund seines Landes. "Helmut Kohl reichte uns die Hand." Macron erinnerte an die Annäherung beider Länder in den 80er Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Der 39-Jährige bekräftigte seinen Willen zur engen Zusammenarbeit mit Deutschland und Bundeskanzlerin Merkel. Auf Deutsch sagte er: "Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus."

Der frühere US-Präsident Bill Clinton sagte, Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. "Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert." Zum Schluss sagte Clinton: "Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür."

Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew erinnerte an die engen Beziehungen Kohls zu seinem Land. Für den Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen, sagte Medwedew, der in Straßburg als Privatperson sprach. "Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht."

Kein deutscher Staatsakt für Helmut Kohl

Erstmals wurde für einen Politiker ein solcher europäischer Trauerakt ausgerichtet. Einen deutschen Staatsakt für Kohl wird es dagegen nicht geben. Der mit einer Europaflagge bedeckte Sarg des Altkanzlers war am Morgen aus Kohls Haus in Ludwigshafen-Oggersheim getragen worden. Anschließend machte sich ein Fahrzeugkonvoi auf den Weg nach Straßburg. Am Abend wurde der frühere Bundeskanzler nach einem Requiem im Speyerer Dom beerdigt. Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler, 25 Jahre lang CDU-Vorsitzender und "Ehrenbürger Europas".

Vor den abschließenden Feierlichkeiten in Speyer wurde der Sarg des verstorbenen Altkanzlers nach Ludwigshafen geflogen. Dort zeigt sich auch noch einmal die Verbundenheit vieler Menschen mit dem langjährigen Kanzler, der vor rund zwei Wochen im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim starb. Hunderte Menschen säumten die Straßen und Plätze der Stadt, als bei einem Trauerzug der dunkle Wagen mit dem - nun mit einer deutschen Flagge bedeckten - Sarg durch die Straßen fuhr.

Anschließend wurden die sterblichen Überreste Kohls am Rhein auf ein Schiff gebracht, das von dort nach Speyer fuhr. An dem Requiem im Dom von Speyer nahmen ebenfalls zahlreiche Spitzenpolitiker wie Merkel, Steinmeier, Juncker und Clinton teil. Bischof Karl-Heinz Wiesemann nannte Kohl einen "wahrhaft großen Staatsmann" und schloss in seine Predigt sowohl Kohls Witwe als auch dessen Söhne ein. Nach einem militärischen Ehrengeleit auf dem Domplatz wurde Kohl abschließend im engsten Kreis auf dem Friedhof des Domkapitels von Speyer beigesetzt.

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