"Was ist das für eine Demokratie?" Bozdag erhebt schwere Vorwürfe nach Auftrittverbot
Nach dem Verbot eines geplanten Wahlkampfauftritts des türkischen Justizministers Bekir Bozdag in einer Halle im baden-württembergischen Gaggenau hat Bozdag Deutschland scharf kritisiert und ein geplantes Treffen mit Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) abgesagt.
Der Türke wollte nicht einsehen, dass sein Auftritt in Gaggenau gestoppt wurde. Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden ignoriert. "Was ist das für eine Demokratie?", sagte der Minister.
"Es ist nicht möglich, dass wir diese antidemokratische Auffassung akzeptieren", ereiferte er sich. Und wetterte weiter: "Das kann man mit Demokratie und Meinungsfreiheit nicht erklären. Schon gar nicht schickt es sich für einen Rechtsstaat."
Erdogan-Sprecher: "Skandal-Entscheidung"
Auch der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat die Absage des Auftritts als "Skandal-Entscheidung" kritisiert. Das Auftrittsverbot sei aus "fadenscheinigen Gründen" erfolgt, teilte der Sprecher auf Twitter mit.
"Mit solchen Entscheidungen kommt das wahre Gesicht derjenigen offen zum Vorschein, die bei jeder Gelegenheit versuchen, der Türkei Lektionen in Demokratie und Meinungsfreiheit zu erteilen."
Ankara hat unterdessen den deutschen Botschafter einbestellt. Dem Diplomaten sei das "Unbehagen" der Türkei "über diese Entwicklungen" vermittelt worden, sagte ein türkischer Beamter.
Stadt Gaggenau kann Sicherheit nicht gewährleisten
Die Stadt Gaggenau hatte eine geplante Veranstaltung mit Bozdag in ihrer Festhalle aus Sicherheitsgründen gestoppt. "Wir gehen davon aus, dass die Situation zu gefährlich werden könnte", sagte Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) zur Begründung.
Der Beschluss der Kommune sei keine politische Entscheidung und nicht mit höheren politischen Ebenen abgesprochen. Die Halle, die Parkplätze und die Zufahrten reichten für den erwarteten Besucherandrang nicht aus.
"Terroristen dürfen sich ausdrücken"
Doch diesen Argumenten zeigte sich Bozdag nicht zugänglich. Stattdessen wiederholte er die Anschuldigung der türkischen Regierung, wonach Deutschland nicht gegen Angehörige der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgehe. "Die Terroristen dürfen sich ausdrücken, für sie gilt das Versammlungsrecht und das Demonstrationsrecht. Aber es wird nicht ermöglicht und erlaubt, dass der Minister eines demokratischen Landes auf einer Versammlung seine Meinung darlegt."
Bozdag lobte dagegen "das demokratische Klima in der Türkei". Er sagte: "Heute kann sich in der Türkei jeder versammeln, wie er will, um sich auszudrücken. Wer auch immer aus Deutschland eine Versammlung, eine Demonstration abhalten oder eine Rede halten will, dem stehen alle Gemeinden, alle Säle offen."
Tatsächlich ist die Versammlungsfreiheit unter dem seit Juli 2016 geltenden Ausnahmezustand eingeschränkt. Bereits davor ging die Regierung mit großer Härte gegen regierungskritische Demonstrationen vor.
Zu großer Besucherandrang erwartet
Bei der ursprünglich geplanten Veranstaltung in Gaggenau sollte die örtliche Gründungsversammlung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) stattfinden. Dazu wurde die Festhalle Bad Rotenfels angemietet. Nach Bekanntwerden der Teilnahme des türkischen Justizministers Bozdag rechnete die Stadt mit einem "großen Besucherandrang".
Weil die Kapazitäten dafür nicht ausreichten, sei "die Zulassung zur Überlassung der Festhalle an die UETD" widerrufen worden, erklärte die Stadt. Der Verwaltung sei nicht bekannt, ob die Veranstaltung nun an einem Ort stattfinden solle. Unklar ist auch, ob die Veranstalter vor Gericht ziehen, um den Beschluss rückgängig zu machen.
Köln dementiert Auftritt von Zeybekci
Unterdessen hat die Stadt Köln einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci am Sonntag im Bezirksrathaus Köln-Porz dementiert. "Es gibt keinen Mietvertrag für diese Veranstaltung am 5. März und es wird auch keinen geben", sagte eine Sprecherin.
Im August 2016 sei ein Saal des Rathauses von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten für eine Theaterveranstaltung angefragt worden. "Daraufhin haben wir monatelang nichts mehr gehört. Also haben wir das von unserer Agenda gestrichen", sagte die Sprecherin. Erst am Mittwoch habe es erneut eine Anfrage gegeben. Bei der sei erstmalig zur Sprache gekommen, dass es sich um einen Informationsabend mit "derart prominenter Besetzung" handeln soll.
"Wie Kanalratten krepieren"
Zeybekci hatte nach der Niederschlagung des Putsches in der Türkei im Juli 2016 für Irritationen gesorgt, als er den Putschisten gedroht hatte: "In 1,5 bis 2 Quadratmeter großen Räumen werden sie wie Kanalratten krepieren."
Türkische Regierungsvertreter werben derzeit für eine umstrittene Verfassungsreform zur Stärkung der Befugnisse des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Bei dem für den 16. April geplanten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt.