Politiker fassungslos Al-Bakrs Selbstmord-Risiko war bekannt
Nachdem sich der unter Terrorverdacht festgenommene Islamist Dschaber al-Bakr das Leben genommen hat, erheben Politiker und der Anwalt des Syrers schwere Vorwürfe gegen die sächsische Justiz. Offenbar war das Suizid-Risiko des Mannes bekannt.
Das Justizministerium in Dresden bestätigte den Tod des 22-Jährigen und erklärte, Al-Bakr habe sich am Abend das Leben genommen. Politiker reagierten fassungslos und forderten Erklärungen. Der Pflichtverteidiger Al-Bakrs sprach empört von einem "Justizskandal".
Zelle nur einmal pro Stunde kontrolliert
Weiter sagte der Dresdner Rechtsanwalt Alexander Hübner "Focus-Online", der Justizvollzugsanstalt Leipzig sei das Suizid-Risiko des Mannes bekannt gewesen. Al-Bakr habe in der Zelle zuvor bereits Lampen zerschlagen und an Steckdosen manipuliert. Zudem sei er im Hungerstreik gewesen.
Hübner hatte demnach noch nachmittags mit dem JVA-Leiter telefoniert. Dieser habe ihm versichert, dass Al-Bakr ständig beobachtet werde. Dem widerspricht ein Bericht der "Bild"-Zeitung: Sie schreibt, seine Zelle sei offenbar nur einmal pro Stunde kontrolliert worden. Diesen und weiteren Fragen wird sich die Staatsanwaltschaft stellen müssen: Für 11 Uhr ist eine Pressekonferenz angekündigt.
Politiker sind fassungslos
Politiker reagierten fassungslos auf die Todesnachricht und forderten schnelle Aufklärung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte im ZDF-"Morgenmagazin", was in der Nacht passiert sei, verlange danach.
"Wie konnte das geschehen?", fragte der Grünen-Politiker Volker Beck auf Twitter. Der SPD-Verteidigungsexperte Johannes Kahrs schrieb: "Was ist denn schon wieder in Sachsen los? Irre." Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen kommentierte, er sei "sprachlos". "Was ist da los?!", fragte auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD).
Der Grünen-Haushaltspolitiker Tobias Lindner schrieb auf Twitter: "Wie kann jemand, der angeblich unter ständiger Beobachtung stehen soll, erhängt aufgefunden werden?" Er sei fassungslos. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Steffi Lemke, pochte auf eine zügige Aufklärung der sächsischen Justiz. "Ich erwarte, dass es morgen bessere Erklärungen zum Tod von Al-Bakr gibt als das Abtauchen aller Zuständigen heute", schrieb Lemke am späten Mittwochabend.
Kein Kommentar aus Karlsruhe
Al-Bakr war am Montag in Leipzig festgenommen worden. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte der anerkannte Flüchtling einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant und bereits weitestgehend vorbereitet. Der Anschlag wäre binnen Tagen möglich gewesen, sagte Behördenpräsident Hans-Georg Maaßen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die die Ermittlungen führt, wollte die Berichte nicht bestätigen, dass Al-Bakr drei Landsleute als Mitwisser bezichtigt habe. Auch die Frage, ob die drei Syrer, die ihn überwältigt hatten, noch als Zeugen oder Verdächtige in dem Ermittlungsverfahren behandelt würden, blieb in Karlsruhe unbeantwortet. Den Angaben zufolge gab es aber keine weiteren Festnahmen. Überhaupt blieb zunächst unklar, ob die Ermittler die Aussage Al-Bakrs für glaubhaft halten oder ob es sich um eine Schutzbehauptung handeln könnte.
Al-Bakr war Anfang 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Nach Recherchen des MDR war er zwischenzeitlich wieder in Syrien. Das habe die Familie des 22-Jährigen mitgeteilt, berichtete das Magazin "Exakt". Mitbewohner aus dem nordsächsischen Eilenburg hätten ebenfalls von seinem Aufenthalt in Idlib berichtet. Sie hätten den 22-Jährigen aber nicht als besonders religiös beschrieben. Nach seiner Rückkehr soll er sich jedoch verändert haben.