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Kirchensteuer: Christliche Kirchen erzielen neuen Rekord in Deutschland


Nur ein paar Prozent für die Armen
Die Bilanztricks der reichen Kirche

t-online, Maria M. Held

Aktualisiert am 22.06.2016Lesedauer: 4 Min.
Das macht die christliche Kirche aus ihrem Reichtum.Vergrößern des Bildes
Deutschlands christliche Kirchen verfügen über hohe Summen an Kirchensteuer. (Quelle: imago/Eibner)

Die christlichen Kirchen in Deutschland nehmen mit 11,5 Milliarden Euro eine Rekordsumme an Geld durch Kirchensteuer ein. Dafür können die Kirchen nichts. Es liegt an der guten Entwicklung der Löhne von denen die Kirchensteuer abgezogen wird. Aber nur einen minimalen Bruchteil ihres Reichtum investiert die Kirche in das Unternehmen Barmherzigkeit.

Das reichste Bistum Deutschlands ist München-Freising - nach Chicago das wohlhabendste der Welt. Man mag sich in Chicago großherzige Spenden aus Mafia-Kreisen vorstellen, in München kommt das Geld aus dem Steuertopf, aus Immobilien und Vermögenswerten - und das nicht zu knapp.

Kirchliche Finanzen entwirren

Ein Beispiel: München-Freising - das einflussreichste und größte der 27 deutschen Bistümer - hat jetzt eine Bilanz vorgelegt, eine wie sie das Handelsgesetzbuch für Unternehmen vorsieht. Dazu war jahrelange Vorbereitung nötig, um das Finanzgeflecht zu entwirren und darzustellen. 6,3 Milliarden Euro besitzt das Erzbistum unter der Leitung von Kardinal Reinhard Marx. Die evangelisch-lutherische Kirche Landeskirche in Bayern verfügt über 3,1 Milliarden, sagt deren Bilanz aus dem Jahr 2014. Zum Vergleich: Die Stadt München besitzt ein Gesamtvermögen von 22,5 Milliarden Euro.

"Kreative Bilanzen"

Noch ein Zahlenspiel: Das Münchner Rathaus wird mit 148 Millionen Euro veranschlagt, der Münchner Dom dagegen nur mit einem Euro. Der Münchner Dom gehört einer Stiftung. "Denn wer will schon einen Dom kaufen?", fragt Christian Weisner ironisch, er ist Deutschlandsprecher der kirchlichen Reformbewegung "Wir sind Kirche". Ihm ist weniger der hohe Betrag des Kirchenvermögens in München, als vielmehr die Art der Präsentation mit Hochglanzbroschüren und riesiger Pressekonferenz sauer aufgestoßen. "Und Bilanzen können schon sehr kreativ gestaltet werden", stellt Weisner fest.

Während Papst Franziskus direkt neben dem Petersdom in Rom Duschen und Toiletten für Obdachlose bauen lässt, kauft die Münchner Kirche eine stark sanierungsbedürftige Immobilie in bester Lage, ein Filetstück in der City für 80 Millionen Euro. "Nähe zum Menschen" heißt die Formel, die Kardinal Marx zur Rechtfertigung bemüht, die aber auch Papst Franziskus für seine Bauaktivität beanspruchen könnte.

Gute Werke sind kaum zu finden

Doch was die Kirche an Gutem tut, ist nur schwer herauszufinden. In der Zusammenstellung finden sich Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft und vor allem Personalkosten. Zwar werden die nur zu einem kleinen Teil von den Kirchen finanziert, die aber beansprucht starkes Mitspracherecht bei der Mitarbeiterauswahl und in der Kontrolle deren Lebensführung. Stichwort wiederverheiratet Geschiedene im kirchlichen Dienst.

Weniger als 1,7 Prozent für die Entwicklungshilfe

Wer Hilfe für die Armen sucht, muss tief in das Zahlenwerk der Münchner Kirchen-Bilanz eintauchen. Dann stellt man allerdings fest, dass nur 1,79 Prozent des Münchner Kirchenvermögens auf überdiözesane Aufgaben entfallen und nur ein Teil davon auf Entwicklungshilfe für die Partnerdiözese Honiara auf den Salomonen-Inseln.

Auch die Flüchtlingshilfe ist nicht ganz umsonst. Für leerstehende Gebäude in Kirchenbesitz, in denen Flüchtlinge wohnen können, erhalten Diözesen eine Aufwandsentschädigung wie auch Hoteliers, die ihr Haus zur Verfügung stellen.

Transparenzoffensive nach Protzskandal

"Kirche ist ein Unternehmen, muss aber wieder mehr sein als nur das", fordert Weisner. Noch mehr soziale Hilfen wie für AIDS-Kranke oder in Hospizen wünscht sich die Basis. "Es ist auch nicht gut, wie Bettelmönche durch die Lande zu ziehen, denn die Kirche braucht Geld für Bauvorhaben und caritative Aufgaben." Gute Werke der Kirche, die unentgeltlich geleistet werden, tauchen laut "Wir sind Kirche"-Vertreter, in deren Bilanz nicht auf. Seit dem Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst besteht große Erklärungsnot. Die Kirchen fahren eine Transparenzoffensive, die kritische Christen grundsätzlich begrüßen. Doch laut Weisner lässt die Informationsdichte für Menschen, die keine Bilanzen lesen können, noch zu wünschen übrig.

Ordensgemeinschaften und lokale Stiftungen müssen beispielsweise keine Rechenschaft ablegen. Nicht erfasst sind in den Bilanzen die umfangreichen ehrenamtlichen Leistungen, ob Putzdienste, Büchereiarbeit oder Krankenbesuche, die der Kirche eine Menge Personalkosten sparen.

Fehlende Kontrollen

Ein weiterer Kritikpunkt sind die fehlenden Kontrollgremien. Oft bleibt unklar, wer über die Verwendung von Geldern entscheidet. Vielmehr funktioniert der Entscheidungsprozess der Kirchen häufig zentralistisch statt partizipatorisch und wird meist nur von einem einzelnen, nämlich dem Bischof kontrolliert. "Anders als in Limburg müssen die Berater aber mutig genug sein, einem Bischof notfalls auch zu widersprechen", merkt Weisner an.

Hohe Investitionen über fünf Millionen Euro müssten eigentlich vom Vatikan freigegeben werden - in der Praxis wird eine solche Summe in kleinere Beträge aufgeteilt - und damit autark verwaltet.

Mentalitätswandel unter deutschen Bischöfen

Der Münchner Generalvikar Peter Beer spricht nicht vom Reichtum der Kirche, sondern davon, dass sie leistungsstark und leistungsorientiert ist. Noch mehr Controlling würde den Kernwerten der Kirche schaden, meint dagegen Weisner.

Grundsätzlich findet Kirchenkritiker Weisner die neue Transparenz lobenswert, er kann auch dem System der Kirchensteuer viel Positives abgewinnen, denn es ermögliche eine Umverteilung zwischen reichen und armen Gemeinden. "Die Arbeit fängt jetzt erst an", schätzt Weisner, wenn es darum geht, wie die Kirchen ihr Vermögen einsetzen. "Das intransparente Handeln muss vorbei sein", sagt er und beobachtet einen starken Mentalitätswandel unter den deutschen Bischöfen, selbst unter denen, die noch von den konservativen Vorgängerpäpsten eingesetzt wurden. Dieses Umdenken erhält durch Papst Franziskus kräftigen Rückenwind.

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