Entscheidung zu Böhmermann-Satire Bundesregierung ermöglicht Strafverfolgung
Die Bundesregierung hat nach tagelanger Beratung entschieden, strafrechtliche Ermittlungen gegen Jan Böhmermann nach seinem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zuzulassen. Das teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin mit.
"Im Ergebnis wird die Bundesregierung im vorliegenden Fall die Ermächtigung erteilen", sagte Merkel. Die Türkei hatte die Ermittlungen förmlich verlangt. Gesetzliche Voraussetzung dafür ist eine Ermächtigung durch die Bundesregierung.
Merkel pochte trotz ihrer Entscheidung zugleich auf das Grundrecht der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und forderte dies auch von der Türkei ein. "Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. [...] In ihm gilt die Unschuldsvermutung."
Nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte hätten das letzte Wort. Dem Moderator der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" droht im schlimmsten Fall eine Haftstrafe von fünf Jahren.
Türkische Empörung über Schmähkritik
Böhmermann hatte Erdogan in einem Gedicht, das er als "Schmähkritik" angekündigt und in den Kontext einer Diskussion über die Grenzen von Satire und Meinungsfreiheit gestellt hatte, mit Worten unter der Gürtellinie angegriffen. Dies sorgte in der Türkei für große Empörung.
An der Entscheidung der Bundesregierung waren nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert das Kanzleramt, das Auswärtige Amt, das Innen- und das Justizministerium beteiligt. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sei einbezogen worden.
Offensichtlich gab es hier einen Dissens zwischen SPD und Union, bei dem sich letztlich aber die Union durchsetzte: "Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD", erklärte Merkel.
Die beteiligten SPD-Bundesminister haben nach Angaben von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dagegen gestimmt. In solchen Fällen unterschiedlicher Auffassungen treffe nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung die Kanzlerin eine Entscheidung, sagte Oppermann.
Verleumdung wird hart bestraft
Grundlage für die Entscheidung der Bundesregierung war Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs (StGB). Wer einen ausländischen Staatschef beleidigt, muss demnach mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen. Ist Verleumdung im Spiel, drohen sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. Experten gehen im Fall Böhmermann aber eher von einer Geldstrafe aus - sollte es denn zu einer anklage reichen.
Deutschland wird den umstrittenen Strafparagrafen zur Beleidigung ausländischer Staatschefs demnächst abschaffen. Paragraf 103 des Strafgesetzbuches sei nach Auffassung der Bundesregierung "für die Zukunft entbehrlich", sagte Merkel bei der Verkündung ihrer Entscheidung zu Böhmermann-Ermittlungen. Noch in dieser Wahlperiode werde ein entsprechender Gesetzentwurf verabschiedet, der 2018 in Kraft treten solle.