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Erdogan-Gedicht von Böhmermann: Merkel äußert sich erneut


Vom Schmähgedicht zur Staatsaffäre
Merkel äußert sich erneut zur Böhmermann-Sendung

Von afp, reuters, dpa, t-online
Aktualisiert am 13.04.2016Lesedauer: 3 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht in der Böhmermann-Affäre unter Druck.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht in der Böhmermann-Affäre unter Druck. (Quelle: Christian Thiel/imago-images-bilder)

Im Streit um eine mögliche Strafverfolgung des ZDF-Moderators Jan Böhmermann wegen seines umstrittenen Schmähgedichts über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut zu Wort gemeldet.

Merkel hob die Bedeutung der Meinungs- und Kunstfreiheit in Deutschland hervor. "Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen", sagte sie in Berlin.

Die Kanzlerin betonte, dass sie in der Flüchtlingskrise eine gemeinsame Lösung mit der Türkei anstrebe. Die Frage des Abkommens zwischen Ankara und der Europäischen Union sei von der Kontroverse um die Böhmermann-Satire und dem Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland aber "völlig entkoppelt".

"Der gehört in den Knast!" Hier äußert sich Tim Wolff, Chefredakteur des Satire-Magazins Titanic, zum Fall Böhmermann. Das ganze Interview finden Sie auf www.dbate.de

Strafverfahren wird "sorgfältig" geprüft

Merkel erklärte, dass das türkische Ersuchen nach einem Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts von der Bundesregierung "sehr sorgfältig" geprüft werde. Der Vorgang werde in den nächsten Tagen abgeschlossen.

Merkel gerät wegen ihres Umgangs mit der Affäre innenpolitisch zunehmend unter Druck. Die Kanzlerin hatte Böhmermanns Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als "bewusst verletzend" bezeichnet. Kritiker werfen ihr vor, beim Schutz der Meinungsfreiheit vor der türkischen Regierung einzuknicken.

SPD will "antiquierte Vorschrift" streichen

Die SPD will der Bundesregierung durch eine Änderung des Strafrechts eine Entscheidung ersparen, ob gegen Böhmermann ermittelt werden darf. Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, die SPD sei bereit, eine entsprechende Regelung in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs ersatzlos zu streichen, auf die sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berufe.

"Das ist eine antiquierte Vorschrift", sagte Oppermann, die ihre Wurzeln in der Verfolgung der Majestätsbeleidigung habe. "Das passt nicht mehr in unsere Zeit." Bereits in der nächsten Sitzungswoche könne der Bundestag das Gesetz ändern.

Grüne: Konflikt "auf dem Weg zu einer Staatsaffäre"

Die Grünen sehen die politische Auseinandersetzung über das Erdogan-Gedicht "auf dem Weg zu einer Staatsaffäre". Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf vor allem Merkel im Sender SWR vor, in der Angelegenheit den Anschein von Erpressbarkeit erweckt zu haben. Auch Notz forderte die Abschaffung des umstrittenen Strafrechtsparagrafen 103 zur Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter.

Merkel habe im Umgang mit Erdogan "eine klare Haltung vermissen lassen". "Das führt dann eben in so einem öffentlichen Diskurs zu zumindest dem bösen Anschein der Erpressbarkeit", sagte Notz weiter. Dies liege auch daran, dass Merkel wegen des für sie hohen Drucks, ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei zu erreichen, mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen dort "fünf gerade sein lassen" habe. Hier sei mit zweierlei Maß gemessen worden - und da legten nun Satiriker "den Finger in die Wunde".

Das Gedicht von Böhmermann selbst, in dem dieser den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Ausdrücken unter der Gürtellinie anging, kritisierte Notz als "niveaulos und primitiv". Dies jetzt zu einem grundsätzlichen politischen Konflikt hochzukochen, sei jedoch nicht angemessen.

"Nicht jede Beleidigung ist Satire"

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hat zur Mäßigung in der Auseinandersetzung gemahnt. "Ich glaube, dass wir das Ganze nicht überhöhen sollten. Das soll sich nicht zu einer Staatsaffäre ausweiten. Wir haben in unserem Land Meinungs- und Pressefreiheit", sagte sie. Auf Nachfrage machte Hasselfeldt deutlich, dass sie Erdogans Vorgehen für unangebracht hält.

Für eine Strafverfolgung Böhmermanns bräuchte es vonseiten der Bundesregierung eine sogenannte Ermächtigung der Staatsanwaltschaft. Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) tritt dem Eindruck entgegen, dass die Regierung mit einer solchen Ermächtigung eine Meinung äußere. Sie wäre lediglich eine Ermächtigung für die unabhängige Justiz, eine Entscheidung zu treffen, betonte er.

Persönlich wollte sich der Jurist Grosse-Brömer nicht näher zum Vorgehen gegen Böhmermann äußern. "Ich will meinen Gedanken nicht vorgreifen", sagte er. Böhmermanns Gedicht mit beleidigenden Formulierungen über Erdogan nannte er "geschmacklos". Grosse-Brömer sagte: "Nicht jede Beleidigung ist Satire."

Böhmermann sagt Sendung ab

Böhmermann hatte Erdogan in einem Gedicht, das er in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" als "Schmähkritik" angekündigt hatte, mit Worten unter der Gürtellinie beleidigt. Er wollte mit dem Text - wie er selbst erläuterte - die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik deutlich machen.

Am Montag stellte Erdogan daneben auch persönlich Strafanzeige gegen Böhmermann wegen Beleidigung. Dieser Rechtsweg kann unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung beschritten werden. Mit dem Fall ist die Staatsanwaltschaft Mainz befasst. Seine nächste Sendung hat Böhmermann abgesagt.

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