TV-Kritik zu Anne Will AfD will Flüchtlingen die Integration verweigern
Ist eine Obergrenze für Flüchtlinge in Deutschland unausweichlich? Dieser Frage gingen am Sonntag die Gäste von Anne Will in der ARD nach. Aufregend wurde es aber erst, als sich die stellvertretende Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD) Beatrix von Storch in kruden Verschwörungstheorien verstieg. Zu einer anderen Diskussion hatte sie dagegen weniger beizutragen: zur Frage, wie christliche Werte in die immer polarisierendere Flüchtlingsdebatte passen.
Anne Will war gut vorbereitet – und sie ließ ihren Gast nicht davon kommen. Beatrix von Storch hatte darauf bestanden, mit ihrer Partei, der AfD, zur "Versachlichung in der Flüchtlingsdebatte" beitragen zu wollen. Wills Antwort folgte prompt: "Sie sagen, Sie wollen versachlichen. Den Eindruck habe ich nicht." Sie präsentierte einen Auszug aus von Storchs Facebook-Auftritt. Dort hatte die AfD-Politikerin erklärt: "Die bald Ex-Kanzlerin Merkel ruiniert unser Land, wie es seit '45 keiner mehr getan hat." Und weiter: "Ich nehme Wetten an: Wenn sie bald zurücktritt, wird sie das Land verlassen. Aus Sicherheitsgründen."
Von Verschwörungstheorien und Obergrenzen
Wie sie mit solchen Aussagen zur Versachlichung beitragen wolle, fragte Will. Von Storch erklärte, Merkel sei "nicht mehr willens", die Probleme in der Flüchtlingskrise zu lösen. Deswegen sei nicht nur mit einem baldigen Rücktritt der Kanzlerin zu rechnen. Die Rechtsanwältin verstieg sich gar in eine Verschwörungstheorie, indem sie erklärte, Merkel werde Gerüchten zufolge "nach Chile oder Südamerika auswandern". Dafür erntete sie Lacher aus dem Publikum, einen bissigen Kommentar Wills zum Thema Versachlichung und durfte nur noch ergänzen: "Man darf die Kanzlerin kritisieren."
Von Verschwörungstheorien abgesehen, fiel der Begriff Obergrenze wohl am häufigsten an diesem Abend. Armin Laschet, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU, war gerade dabei zu erklären, dass Merkel immer betont hätte, dass nicht alle Flüchtlinge in Deutschland bleiben könnten, als von Storch mehrfach "keine Obergrenze" in Laschets Ausführungen rief. Als es diesem zu bunt wurde, wandte er sich ihr abrupt zu und feuerte zurück: "Keine Obergrenze, keine Obergrenze! Ihre Untergrenze im Niveau haben wir gerade schon gehört!"
Wo endet der "Verantwortungshorizont"?
Niveau war auch das Stichwort für Heinrich von Bedford-Strohm. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland nahm sich Laschets CDU sowie die CSU, vertreten durch den ehemaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich, zur Brust. Er echauffierte sich darüber, dass eine verlogene Debatte eingesetzt habe, die mit den christlichen Werten spielen würde, statt sie zur Geltung kommen zu lassen. Er forderte eine Antwort auf die Frage, was mit den Menschen passiere, die vor verschlossenen Grenzen stehen würden. "Unser Verantwortungshorizont endet nicht an unseren Grenzen. Wenn man mit dem Wort 'christlich' kommt und Leute abweist, ist das ein Widerspruch in sich."
Friedrich hielt dagegen, es sei auch nicht christlich, Menschen Hoffnungen zu machen, wie Kanzlerin Merkel dies getan habe. Der CSU-Mann präsentierte sich als loyaler Vertreter seines bayerischen Chefs Horst Seehofer, nannte es "gefährlich für das Land", wenn es keine Obergrenze gebe und wehrte sich auch gegen Wills Frage, ob sich Politiker, die Grenzen schließen lassen würden, schuldig am Leid der Menschen machten.
Binnenmarkt steht auf der Kippe
Doch weder Friedrich noch Laschet trugen dazu bei zu verstehen, wie eine solche Grenzschließung überhaupt aussehen könnte. Laschet rechnete lediglich vor, dass ein Europa mit Grenzkontrollen und einem dadurch nur noch beschränkt durchlässigen Binnenmarkt schon in geringem Maße zehn Milliarden Euro und mehr Schaden verursachen könnte. Ob pro Tag, Monat oder Jahr, sagte er freilich nicht. Nur war er sich sicher: Mit einer Grenzschließung "ist das Projekt des europäischen Binnenraumes gefährdet".
Flüchtlinge oder doch Migranten?
Einen Einwurf hatte von Storch dann aber doch noch. Sie erklärte, weil Flüchtlinge nur so lange in Deutschland blieben, bis die Kriege in der Heimat vorbei seien, "müssen wir keine Integration für Flüchtlinge machen". Will fragte nach, ob sie das ernst meine. Daraufhin entgegnete von Storch, dass das Problem jene Menschen seien, die aus Österreich nach Deutschland kämen. Diese seien nämlich gar keine Flüchtlinge, weil sie ja als solche schon in Österreich hätten bleiben können. Indem sie aber nach Deutschland weiterreisten, wären sie vielmehr Migranten mit dem Wunsch, in Deutschland zu bleiben.
Will wurde dies zu bunt. Sie unterbrach die AfD-Politikerin mit der Bemerkung, alle anderen, nicht aus Österreich kommenden Flüchtlinge seien ja wohl kaum mit dem Fallschirm über Deutschland abgesprungen. Aber in der Welt der Beatrix von Storch wäre wohl auch das denkbar.