UN-Kommissar enthüllt Warum die Flüchtlinge genau jetzt nach Europa strömen
In Syrien herrscht seit viereinhalb Jahren Krieg, in Afghanistan gar seit rund 36 Jahren. Doch warum, so fragen sich viele, kommen scheinbar alle Flüchtlinge genau jetzt nach Mitteleuropa? UN-Flüchtlingskommissar António Guterres hat den Grund genannt: Es gibt nicht mehr genug Geld, um die Menschen vor Ort zu vesorgen.
Die Ressourcen der UN-Behörden, des Roten Kreuzes und von Hilfsorganisationen reichten nicht länger aus, um die 60 Millionen Vertriebenen in aller Welt zu versorgen, sagte Guterres vor dem Menschenrechtsausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York.
Es reicht nicht mal für das bloße Minimum
Der Mangel an humanitären Geldern sei "der Auslöser" für die Massenankunft von Syrern, Irakern, Afghanen und Eritreern im östlichen Mittelmeerraum in diesem Jahr.
Regierungen, Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen hätten dem Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge vergangenes Jahr zwar die Rekordsumme von 3,3 Milliarden Dollar (rund drei Milliarden Euro) bereitgestellt, gab er zu. Die humanitären Mittel seien dennoch nicht genug, "um selbst das bloße Minimum abzudecken, und wir sehen langsam, was daraus resultiert".
Flüchtlinge haben ihre Ersparnisse aufgebraucht
Nach Jahren im Exil hätten die meisten der vier Millionen syrischen Flüchtlinge in Nachbarstaaten des Bürgerkriegslandes ihre Ersparnisse aufgebraucht und die Hoffnung auf eine politische Lösung verloren, so Guterres.
Ein Ergebnis davon sei, dass 70 Prozent der geflohenen Syrer im Libanon in extremer Armut lebten. 86 Prozent von denjenigen, die aus Syrien nach Jordanien geflohen seien, lebten unterhalb der jordanischen Armutsgrenze.
Hungerhilfe um 30 Prozent zurückgefahren
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR habe Probleme, Geld und Material für Unterkünfte an die wachsende Zahl extrem bedürftiger Familien auszuteilen, wie Guterres weiter berichtete. Das Welthungerprogramm WFP habe seine Unterstützung um 30 Prozent zurückfahren müssen. Das habe vielen Flüchtlingen das Gefühl gegeben, die internationale Gemeinschaft lasse sie im Stich.
Seit der Eskalation der Flüchtlingskrise habe es neue Zugeständnisse zu finanzieller Unterstützung der Menschen in den syrischen Nachbarländern gegeben, führte er weiter aus. "Aber so willkommen und rechtzeitig diese zusätzlichen Mittel sind, werden sie das weitreichende Problem nicht angehen, dem Organisationen wie die UNHCR begegnen." Es sei dringend erforderlich, die Art der Finanzierung von Nothilfen heutzutage zu überprüfen.
Tausende ertrunken
Die Vereinten Nationen hätten 34 Appelle gesendet, um Mittel für die Bedürftigen bereitstellen zu können, sagte der Flüchtlingskommissar. Die UNHCR erwarte dennoch, dass sie weniger als die Hälfte des Geldes erhält, das sie in diesem Jahr benötige.
Guterres zufolge sind seit Januar 750.000 Menschen an den europäischen Küsten angekommen. Mehr als 3400 seien ertrunken, während die Zahl der Todesopfer angesichts des schlechter werdenden Wetters schnell ansteigen dürfte. Allein in der vergangenen Woche seien 13 verunglückte Boote vor der Küste von Griechenland entdeckt worden, mehr als 150 Menschen seien gestorben oder als vermisst gemeldet worden.