"Heiße Luft" und "völlig abwegig" Seehofer erntet Hohn und Spott mit seiner Klagedrohung
Groß hatte die CSU vor ihrer Sondersitzung angekündigt, Maßnahmen zur Abschottung Bayerns vor Flüchtlingen zu ergreifen. Stattdessen formuliert Ministerpräsident Horst Seehofer eine neue Drohung in Richtung der Kanzlerin. Die Reaktionen darauf folgen prompt. Sie fallen wenig schmeichelhaft für den CSU-Chef aus.
Bayerns Ministerpräsident hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise mit einer Verfassungsklage gegen den Bund gedroht - und damit teils hämische Kritik geerntet. Die Staatskanzlei in München kündigte am Mittag eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht für den Fall an, dass die Bundesregierung nicht selbst die Initiative ergreift, um den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen. Bayern will sich dabei auf das Argument berufen, der Bund gefährde durch Untätigkeit in der Flüchtlingskrise die "eigenstaatliche Handlungsfähigkeit der Länder".
Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, reagierte gelassen. Die Bundesregierung habe überhaupt keinen Anlass sich deswegen Gedanken zu machen, sagte der CDU-Politiker in den ARD-"Tagesthemen". "Denn wir sind überzeugt, dass wir auf dem Boden des Grundgesetzes handeln und dass es ja gerade das Grundgesetz ist, was uns dazu verpflichtet, den Menschen zu helfen, die in Not sind."
"Es ist völlig abwegig"
Noch deutlicher wurde Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Er bezeichnete die angedrohte Klage als "heiße Luft". Er wisse nicht, was der bayerische Ministerpräsident mit einer Verfassungsklage überhaupt meine, sagte Maas am Rande eines Parteitags der saarländischen SPD in Neunkirchen. Es gebe viele praktische Probleme in der aktuellen Situation, die auf Grundlage dessen gelöst werden sollten, was Bund und Länder beschlossen hätten. "Wir haben keine Zeit, uns mit solchen Verbalattacken auseinanderzusetzen", sagte Maas.
In die gleiche Kerbe schlug auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: "Es ist völlig abwegig, wenn Seehofer jetzt glaubt, dass er eine eigenmächtige bayerische Außenpolitik betreiben kann." Stattdessen solle Seehofer sich daran beteiligen, dass die einvernehmlich in der Koalition getroffenen Beschlüsse rasch umgesetzt würden. Die Flüchtlingskrise eigne sich nicht für parteitaktische Richtungskämpfe, mahnte Oppermann. "Wir müssen in der großen Koalition diese Aufgabe gemeinsam schultern."
"Besser Grundkurs Verfassungsrecht besucht"
Auch die Opposition sparte nicht mit Kritik: Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte im "Handelsblatt": "Herr Seehofer hätte besser einen Grundkurs Verfassungsrecht an der Uni seiner Landeshauptstadt besucht, anstatt (den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor) Orban zu hofieren."
Seehofer hatte in den vergangenen Tagen "Notwehr" des Freistaats in der Flüchtlingskrise in Aussicht gestellt. Eigenverantwortliche bayerische Schritte, Flüchtlinge an der Einreise zu hindern, wird es aber zunächst nicht geben.
Stattdessen formulierte das Kabinett einen bayerischen Forderungskatalog an Merkel: Dazu gehört die Einrichtung von "Transitzonen" in Grenznähe, aus denen unerwünschte Asylbewerber nach Schnellprüfungen wieder umstandslos zurückgeschickt werden könnten. Er habe gehört, dass das im Bundeskabinett bereits in Vorbereitung sei, sagte Seehofer. "Dann wären wir schon einen Schritt weiter."
Bayern behält sich eigenen Maßnahmen vor
Seehofer und sein Kabinett forderten darüber hinaus als Notmaßnahme die Zurückweisung von Flüchtlingen direkt an der deutschen Grenze. "Falls der Bund hier nicht tätig werden sollte, behält der Freistaat Bayern sich vor, anlassbezogen eigene Maßnahmen zu ergreifen", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
"Dann tun wir das, was notwendig ist", sagte Seehofer - ohne zu sagen, was in diesem Fall das Notwendige sein soll. Innenminister Herrmann nannte die Möglichkeit, "dass man drei Meter hinter der Grenze jemand verhaften kann, wenn er sich illegal in Deutschland aufhält".
De Maizière zeigt sich unbeeindruckt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erteilte dem Ruf nach der Zurückweisung von Flüchtlingen unverzüglich eine Absage: Das Problem lasse sich an der deutschen Grenze nicht nachhaltig und wirksam lösen, sondern vielmehr an den Außengrenzen Europas, sagte er in Erfurt. "Wir brauchen einen kräftigen und wirksamen Schutz europäischer Außengrenzen."
Der Bundesinnenminister zeigte sich auch unbeeindruckt von der Klagedrohung: "Jeder kann das Bundesverfassungsgericht anrufen." Nach einem Lob für das neue bayrische Integrationsgesetz ergänzte de Maizière fast schon herablassend: "Dass das mit der bayerischen Art und Weise, Dinge vorzutragen, geschieht, das ist so."