Merkel bei "Anne Will" "Falsches Signal": Das sagen die Kritiker aus den eigenen Reihen
Bei ihrem Talkshow-Auftritt stand Angela Merkel auch in den eigenen Reihen unter genauer Beobachtung: 34 CDU-Politiker hatten ihre Vorsitzende zuvor in einem Brandbrief für ihre Flüchtlingspolitik kritisiert (das Originalschreiben zum Nachlesen). t-online.de hat mit vier von ihnen gesprochen - auch nach der Sendung sind sie nicht besänftigt und beklagen ein "falsches Signal" durch die Kanzlerin.
Merkel hält auch bei "Anne Will" an ihrer berühmten Aussage zur Flüchtlingskrise fest: "Wir schaffen das!" Zwar wiederhole Merkel diesen Satz "mantraartig", sagt Nicolas Sölter, CDU-Vorsitzender im Ortsverband Elmshorn (Schleswig-Holstein). Aber die Antwort auf die Frage "wie" sei sie auch in der ARD-Sendung schuldig geblieben.
"Die Kanzlerin vermittelt eine Alternativlosigkeit und Ohnmacht, die es gar nicht gibt", sagt Sölter. Die EU-Außengrenzen seien derzeit nicht vorhanden. Dabei könnten die Staaten natürlich Grenzkontrollen sowohl an den Außengrenzen als auch im Inneren der EU durchführen. Diese Optionen verschweige Merkel der deutschen Bevölkerung.
Alexander Dierks von der Jungen Union Sachsen bestätigt das: "Es ist gut, dass Merkel das Thema zur Chefsache gemacht hat. Aber sie nennt keine Problemlösungen."
Merkel zeichnet ein "falsches Bild von Deutschland"
Auch Gerrit Kringel, CDU-Fraktionsvorsitzender der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Neukölln, und Christopher Förster, Vorsitzender des Ortsverbands Berlin-Britz, glauben, dass Merkel das "falsche Signal" sende. Kringel findet, Merkel gehe nicht ausreichend auf die "Sorgen und Ängste" der Bevölkerung ein. "Man muss die Menschen mitnehmen", sagt er. Dafür müsse die Kanzlerin klar machen, dass die Außengrenzen kontrolliert werden.
Genauso sieht es Förster: Aktuell werde der Eindruck vermittelt, dass Deutschland für Flüchtlinge ein "Komplettversorgungspaket" bereit halte. "Es sieht so aus, als ob wir jeden aufnehmen, als ob es keine Obergrenze gibt." Das ist Förster zufolge ein "falsches Bild von Deutschland" - und Merkel habe versäumt, es bei "Anne Will" zu korrigieren.
Merkels Flüchtlingspolitik lebe bislang vor allem von den Emotionen, sagt Sölter. "Jetzt aber ist es Zeit für ein gegenteiliges Signal - nicht jeder kann genommen werden."
"Tendenz zu einer Kehrtwende"
Trotz Einwände sahen die Merkel-Kritiker aus der Union im ARD-Talk auch die "Tendenz zu einer Kehrtwende", wie es Kringel formulierte. Einige Punkte aus dem Brief seien inzwischen Teil der politischen Diskussion geworden, sagen Dierks und Förster - zum Beispiel die Debatte über sichere Drittstaaten und eine stärkere Kooperation mit den Grenzstaaten Türkei und Griechenland.
Merkel hatte zuvor bei "Anne Will" erklärt, dass sie sich in der Flüchtlingsfrage trotz des politischen Drucks nicht von ihrem Kurs abbringen lassen will. Sie sei überzeugt, dass Deutschland die Flüchtlingskrise meistern könne - als Bundeskanzlerin müsse sie in einer solchen historischen Bewährungsprobe, "alles daran setzen, dass diese Aufgabe lösbar ist. So gehe ich da ran."