Bedarf "im Umfang einer Großstadt" Hendricks fordert Sozialwohnungen für Flüchtlinge
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) fordert angesichts der hohen Flüchtlingszahlen den Bau neuer Sozialwohnungen. Es gebe bewährte Programme, damit die Bundesländer bezahlbare Wohnungen schaffen und Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen könnten, sagte Hendricks der "Rheinischen Post". "Eine besondere Rolle spielt hierbei der soziale Wohnungsbau. Diesen müssen und wollen wir stärken." Unterstützung bekommt Hendricks vom Städte- und Gemeindebund. Dieser sieht Bedarf "im Umfang einer Großstadt".
Der Bund stelle den Ländern pro Jahr 518 Millionen Euro für neue Sozialwohnungen zur Verfügung, sagte Hendricks. Die Zweckgebundenheit dieser Mittel sei auf Druck der Länder seit 2007 entfallen. Die Bundesregierung arbeite aber mit den Ländern darauf hin, "dass alle Länder diese Mittel zweckgebunden in den sozialen Wohnungsbau investieren", sagte die Ministerin.
Auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, forderte mehr Sozialwohnungen, um Flüchtlinge unterbringen zu können. "Jedes Jahr brauchen wir im Moment neue bezahlbare Wohnungen im Umfang einer Großstadt", sagte er der Zeitung. "Die Länder müssen die Förderung des Bundes im vollen Umfang in den sozialen Wohnungsbau stecken und nicht Teile davon in ihre eigenen Haushalte", forderte auch Landsberg.
Eine Task Force wäre "ein wirksames Mittel, um die Reaktionszeiten zu verkürzen und die Koordination zu verbessern", sagte Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung". In dieser Arbeitsgruppe müssten auch die Kommunen Gehör finden. Die vom Bund zugesagte eine Milliarde Euro für 2015 müsse "mindestens verdoppelt werden", forderte Landsberg.
"Das System ist schon zusammengebrochen"
Der Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, Marco Trips, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Das System ist schon zusammengebrochen." Es gebe auf dem Papier einen klaren Ablauf, "an den sich aber keiner mehr hält, weil die Ressourcen es nicht mehr hergeben". Die Menschen kämen ohne Gesundheitsprüfungen in überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen, dann würden sie ohne Asylantrag auf die Kommunen verteilt. "Die Bearbeitung der Anträge dauert unglaublich lange", sagte Trips.
Der Gutachter Dietrich Thränhardt kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Deutschland derzeit knapp 240.000 unbearbeitete Asylanträge vor sich herschiebt. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommt nicht hinterher", sagte Thränhardt. Es gebe zu wenig "Entscheider" in der Behörde. Der von der Bundesregierung zugesagte Stellenaufbau komme nur sehr zögerlich voran. Der Bearbeitungsstau "ist einmalig in Europa", sagte der Migrationsforscher.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering sagte dem NDR: "Insgesamt müssen wir möglichst schnell Klarheit schaffen, wenn die Menschen hierher kommen." Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte der "Welt", das BAMF werde seine Prognose von 450.000 Asylbewerbern für 2015 erhöhen müssen. Länder und Kommunen bräuchten Klarheit für ihre Planungen. Wie die Zeitung unter Berufung auf eine Telefonkonferenz der Innenminister berichtete, wurden in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Asylsuchende registriert.
Reform des Aufenthaltsgesetzes in Kraft
Seit diesem Samstag ist eine umfassende Reform des Aufenthaltsgesetzes in Kraft. Ausländer, die bisher nur geduldet sind, dürfen in Zukunft längerfristig in Deutschland bleiben, wenn sie schon seit einigen Jahren hier leben, die Sprache gut beherrschen und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können. Nach Schätzungen der Regierung könnten mehrere Zehntausend Menschen davon profitieren.
Menschen, die keinerlei Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht haben, sollen dagegen schneller als bisher in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Das soll nach dem Willen des Bundesinnenministeriums insbesondere für abgelehnte Asylbewerber aus Balkan-Staaten greifen. Behörden bekommen mehr Möglichkeiten, Aufenthalts- und Einreiseverbote zu verhängen. Zur Abwicklung von Abschiebungen wird ein neuer "Ausreisegewahrsam" eingeführt, bei dem Menschen kurz vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage festgehalten werden können. Flüchtlingsorganisationen kritisieren dies scharf.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte derweil besseren Schutz von Asylbewerbern vor ausländerfeindlichen Übergriffen. "Ganz gleich, aus welchen Gründen Menschen zu uns kommen und wie lange sie bleiben - wir müssen sie besser schützen", schrieb Maas in einem Beitrag für das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Deutschland sei seit den Brandanschlägen von Solingen und Mölln vor gut 20 Jahren weltoffener geworden. "Dieses neue, tolerante Deutschland müssen wir heute mit aller Macht verteidigen".