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Gesellschaft: Viele junge Muslime wollen sich nicht integrieren


Gesellschaft
Viele junge Muslime angeblich nicht integrationswillig

Von t-online, dpa, afp
Aktualisiert am 01.03.2012Lesedauer: 3 Min.
Junge Muslime in Deutschland: "Deutschland achtet seine Zuwanderer", so Innenminister Friedrich.Vergrößern des Bildes
Junge Muslime in Deutschland: "Deutschland achtet seine Zuwanderer", so Innenminister Friedrich. (Quelle: dapd)

Hinweis vom 29.12.2015: Dieser Artikel wird im Zuge der Diskussion um die Flüchtlingskrise gerade häufig im Netz geteilt und diskutiert. Bitte beachten Sie, dass er im April 2012 veröffentlicht wurde und es deshalb keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den aktuellen Entwicklungen gibt.

Eine Studie über den Integrationswillen junger Muslime in Deutschland bietet Diskussionsstoff: Aus der Untersuchung im Auftrag des Bundesinnenministeriums geht hervor, dass ein Viertel der Muslime zwischen 14 und 32 Jahren, die keinen deutschen Pass haben, nicht bereit ist, sich zu integrieren. Die hohe Zahl nicht integrierter und auch nicht integrationswilliger Muslime sei "erschreckend", sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Diese Integrationsverweigerung muss nicht, aber kann den Nährboden für religiösen Fanatismus und Terrorismus darstellen."

Die Studie bezeichnet die Gruppe der Integrationsunwilligen als streng religiös, "mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz". Dazu zählten 15 Prozent der jungen deutschen Muslime und 24 Prozent der nichtdeutschen.

In der Studie "Lebenswelten junger Muslime" heißt es, 78 Prozent der befragten Muslime im Alter zwischen 14 und 32 Jahren seien zur Integration bereit, 22 Prozent betonten dagegen eher die eigene Herkunftskultur. Von den nichtdeutschen Muslimen befürworteten sogar nur 52 Prozent die Integration in die deutsche Gesellschaft, während 48 Prozent "starke Separationsneigungen" zeigten.

Dazu sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) der "Bild"-Zeitung: "Deutschland achtet die Herkunft und kulturelle Identität seiner Zuwanderer. Aber wir akzeptieren nicht den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten. Wer Freiheit und Demokratie bekämpft, wird hier keine Zukunft haben."

Religiöse Bekenntnisse oft nur eine "leere Hülse"

"Da drehen sich mir die Fußnägel hoch", kommentiert der Würzburger Erziehungswissenschaftler Heinz Reinders gegenüber t-online.de. Friedrich setze durch sein Rhetorik erneut eine sehr kleine spezielle Gruppe mit der Gesamtheit der Muslime gleich und bringe dabei den Terrorismus ins Spiel. Reinders erforscht seit über zehn Jahren die Integrationsbereitschaft junger Türken. Sein Fazit: Über 90 Prozent der jungen Türken in Deutschland wollen deutsche Freunde, tragen die deutsche Sprache in ihre Familien und wollen sich sozial und beruflich integrieren.

Kritik an der Studie kam auch aus der FDP. "Ich muss mich schon wundern, dass das Innenministerium erneut Steuergelder darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, aber keinerlei Erkenntnisse", sagte der integrationspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Serkan Tören, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Das religiöse Bekenntnis vieler junger Muslime sei oft nur "eine leere Hülse", die nicht mit gelebter Religion einhergehe, sondern "Provokation und kulturelle Abgrenzung" sein wolle, sagte der türkischstämmige Politiker. "Religiosität und Gewalt sind kein Automatismus, das beweisen andere Studien und meine persönliche Erfahrung."

"Wer Muslime nur unter ihrem Nutzen der Gefahrenabwehr bemisst und sonst nicht müde wird, ihnen zu erklären, dass der Islam nicht Teil unserer Gesellschaft ist, darf sich darüber nicht wundern, wenn dies zu Abwehrhaltungen führt", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Zuvor hatte bereits die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz den methodischen Ansatz der Studie kritisiert.

"Pauschale Angstmache"

Der Jenaer Psychologe Wolfgang Frindte, der maßgeblich an der Untersuchung beteiligt war, sagte, die Zahlen seien für ihn nicht überraschend. Würden auch die Eltern- und Großelterngenerationen einbezogen, zeige sich, dass der Anteil radikaler Einstellungen sinke. "Es gibt nicht eine muslimische Lebenswelt in Deutschland, sondern zahlreiche ambivalente", lautet eine Schlussfolgerung der Studie. Eine Mehrheit der Muslime distanziere sich deutlich von islamistischem Terrorismus, erlebe aber umgekehrt eine Pauschalverurteilung von Muslimen als Terroristen. Die Rede ist hier von einer zumindest subjektiv wahrgenommenen "gruppenbezogenen Diskriminierung".

Der Hannoveraner Kriminologe Christian Pfeiffer hält eine "pauschale Angstmache" vor Muslimen für unberechtigt. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" reagierte Pfeiffer verärgert auf die Studie des Bundesinnenministeriums und kritisierte sie als nicht repräsentativ.

"Wenn wir den Muslimen bereits als Grundschüler die Hand reichen, landen sie auch nicht in der Ecke der Frustrierten, wo sie sich hinter der Religion verschanzen", sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen.

Zum Islam bekennen sich in Deutschland nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge schätzungsweise vier Millionen Menschen. Knapp die Hälfte von ihnen hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Für die Studie "Lebenswelten junger Muslime in Deutschland" wurden 700 junge deutsche und nichtdeutsche Muslime telefonisch befragt. Zudem wurden 692 Fernsehbeiträge aus Nachrichtensendungen analysiert.

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