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Groko: Das sagt die internationale Presse zum Koalitionsvertrag


"Wasser auf die Mühlen der AfD"
Das sagt die internationale Presse zum Koalitionsvertrag

Von dpa, afp
08.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Auch in der internationalen Presse war das Ende der Koalitionsverhandlungen ein großes Thema: Die Journalisten bewerten das Ergebnis unterschiedlich.Vergrößern des BildesAuch in der internationalen Presse war das Ende der Koalitionsverhandlungen ein großes Thema: Die Journalisten bewerten das Ergebnis unterschiedlich. (Quelle: Sven Hoppe/dpa-bilder)
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Keine Gewinner, nur Verlierer: Auch in der internationalen Presse war das Ende der Koalitionsverhandlungen ein großes Thema in den Donnerstagsausgaben. Wirklich glücklich sind die Journalisten nicht über eine Neuauflage der Groko. Doch Alternativen gibt es nicht.

Frankreich

Die katholische Zeitung "La Croix" aus Paris schreibt über den Koalitionsvertrag von Union und SPD: "Eine Regierung, die Europa retten soll: Das ist die Parole, die SPD-Chef Martin Schulz an seine Truppen ausgibt. Wenn der Koalitionsvertrag (von der Basis) abgesegnet wird, öffnet sich ein neues Fenster der Gelegenheit für den Aufbau Europas. In Paris wie in Berlin wünschen sich die politischen Mehrheiten stärkere Verbindungen zwischen den Mitgliedstaaten. Das soll im Frühjahr in eine bedeutende deutsch-französische Initiative münden. Die Entschlossenheit erwächst aus einem Gefühl der Dringlichkeit angesichts einer in Unordnung geratenen Welt. Emmanuel Macron, Angela Merkel und Martin Schulz müssen eng zusammenrücken, um ein bestimmtes Lebens- und Gesellschaftsmodell und die europäische Solidarität zu schützen."

Österreich

"Der Standard" aus Wien schreibt über den Koalitionsvertrag: "Man mag sich noch nicht recht vorstellen, wie diese Koalition funktionieren soll – mit einer SPD an Bord, bei der es ums Überleben geht, die sich verzweifelt gegen das weitere Absacken stemmt. Immerhin hat sie bei der Verteilung der Ministerien gut abgeräumt: Außenamt, Finanzministerium und Ressort für Arbeit und Soziales, da kann man sich auch als 20,5-Prozent-Partei profilieren und Pflöcke einschlagen. Das Gleiche gilt auch für den neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU). Doch dieses Bündnis hat eine Chance verdient, schlicht auch aus dem Grund, weil es ohnehin nichts Besseres gibt. Es ist die einzige Konstellation, die Alternative wären Neuwahlen, und diese will keiner."

Zu den Aussichten der Sozialdemokraten nach der Einigung auf eine große Koalition schreibt die Wiener Zeitung "Die Presse": "Der SPD-Chef, der innerhalb eines Jahres eine einzigartige Achterbahnfahrt durchlebt hatte, zahlreiche Volten schlug und zunehmend eine unglückliche Figur machte, rettete sich durch einen Überraschungscoup: Er wird den Parteivorsitz wohl aufgeben, um sich sein Wunschressort – das Außenamt – zu sichern. Mit dem Generationswechsel zu Andrea Nahles stellt er personell die Weichen für eine Erneuerung. Zudem spekuliert die SPD auf ein Ende der Koalition zur Mitte der Legislaturperiode. Zumindest klammern sich die Sozialdemokraten an das Szenario einer Post-Merkel-Ära - wenn das nur keine Illusion ist."

Schweiz

Die Koalitionseinigung zeigt für den Schweizer "Tages-Anzeiger" eine geschwächte Kanzlerin. "Ein Nein (der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag) würde aber nicht nur die SPD, sondern die ganze deutsche Politik in große Ungewissheit stürzen. Merkels Ära könnte abrupt enden. Nach einer allfälligen kurzen Minderheitsregierung dürfte es bald zu Neuwahlen kommen. Ob die Kanzlerin sich dann noch einmal an der Spitze ihrer Partei zu behaupten vermöchte, weiß niemand. Wie geschwächt Angela Merkel bereits heute ist, zeigt die Verteilung der wichtigsten Ministerien in ihrem neuen Kabinett: Außer dem Kanzleramt bleiben der CDU nur Brosamen."

Großbritannien

Die britische Zeitung "The Telegraph" schreibt: "Es gibt schlechte Nachrichten für jeden, der gehofft hatte, dass diese Einigung auf eine Koalition Angela Merkel die Freiheit für mehr Flexibilität bei den Brexit-Verhandlungen geben könnte. Die neue Regierung wird stattdessen voraussichtlich viel aktiver den Ausbau der europäischen Integration vorantreiben."

Die Londoner "Times" schlägt ähnliche Töne an: "Die Koalition könnte möglicherweise nicht vier Jahre bestehen und Angela Merkel wird nicht die dominante europäische Figur sein, die sie in ihren ersten drei Amtszeiten war. Britische Minister, die darauf hoffen, diese Schwäche in den Brexit-Gesprächen auszunutzen, werden wahrscheinlich enttäuscht. Die Dispute, die die Koalitionsgespräche in die Länge gezogen haben, betrafen vor allem die deutsche Innenpolitik, nicht Europa. Martin Schulz wird nachgesagt, eine persönliche Antipathie gegenüber seinem (künftigen) britischen Gegenspieler (Außenminister) Boris Johnson zu haben. Und Merkels Führungsrolle in Europa ist inzwischen an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gegangen."

Polen

Die liberale polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" schreibt zum Koalitionsvertrag: "Im deutschen Koalitionsvertrag wurden Polen fast 900 Zeichen gewidmet. Das ist sehr viel, aber dieser Abschnitt ist kein Grund zur Freude. Vor allem fällt auf, dass da die Rede ist vom "Fundament der Partnerschaft" und den "Grundlagen für den Ausbau der Partnerschaft". Knapp 30 Jahre nach dem Ende des Kommunismus und fast 13 Jahren nach dem EU-Beitritt Polens sollten wir beim Aufbau der Beziehungen zu unserem westlichen Nachbarn nicht wieder beim Fundament anfangen. Aus dem aktuellen Koalitionsvertrag kann man die deutsche Diagnose der derzeitigen Beziehungen zu Warschau herauslesen. Sie ist so schlecht, dass Berlin einen Neustart will."

Niederlande

Das niederländische "NRC Handelsblad" weist auf den deutlichen Stempel der SPD in der möglichen neuen Koalition und die Folgen für Europa hin: "Auf Europa kommen noch mehr Veränderungen zu, als man bisher dachte. Bekannt war, dass die Koalition ehrgeizige Pläne mit Europa hat. Hinzu kommt eine personelle Verschiebung. In den vergangenen acht Jahren war die EU in Berlin ein CDU-Monopol von Merkel und dem Spar-Falken im Finanzministerium, Schäuble. Merkel behält die Führung, aber sie wird bald flankiert sein von zwei Sozialdemokraten. Es wäre nicht überraschend, wenn dieses Team eher geneigt wäre, EU-Ländern mit einer schwächeren Wirtschaft entgegenzukommen als das Tandem Merkel/Schäuble."

Ungarn

Die regierungsnahe Budapester Tageszeitung "Magyar Idök" kommentiert die mögliche Neuauflage der großen Koalition mit Blick auf das Thema Flüchtlinge: "Merkel muss auch beweisen, dass man die fast zwei Millionen Fremden, die man aufgenommen hat, integrieren kann. Man weiß von einer halben Million arbeitsloser Flüchtlinge, aber viele sind nicht registriert. Wir drücken der neuen deutschen Regierung aufrichtig die Daumen, dass sie mit ihnen etwas anzufangen weiß. Nicht wegen Merkel, sondern unseretwegen. Denn viele Hunderttausend frustrierte, desillusionierte, wurzellose Menschen innerhalb der Schengen-Zone: das ist eine echte Zeitbombe."

Slowakei

Die linksliberale slowakische Tageszeitung "Pravda" schreibt am Donnerstag zur deutschen GroKo-Einigung: "Die Sozialdemokraten wussten aus Erfahrung, welch großes Risiko sie eingehen, und entschieden sich daher, ihre Haut nicht allzu billig zu verkaufen. Das scheint ihnen gelungen zu sein, denn sie gingen aus den Verhandlungen um die Postenverteilung als Sieger hervor.

Das Problem liegt aber woanders. Künftig könnten sich die Wähler fragen, wozu sie überhaupt noch zu den Urnen gehen sollen, wenn am Schluss so oder so wieder eine große Koalition herauskommt. Diese scheinbare Alternativlosigkeit wird Wasser auf die Mühlen der AfD sein. Auch darum müssen die Sozialdemokraten in der Regierung erfolgreich sein. Andernfalls erwartet sie der politische Tod."

Verwendete Quellen
  • dpa, AFP
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