Der große Knall in der AfD Kann Petry eine eigene Fraktion gründen?
Der AfD droht die Spaltung: Parteivorsitzende Frauke Petry hat angekündigt, der Bundestagsfraktion nicht angehören zu wollen. Offenbar zählt sie drauf, dass andere Abgeordnete ihr folgen werden. Doch es ist unklar, auf wie viele Unterstützer sie im Richtungsstreit mit dem völkischen Flügel zählen kann – und ob sie mit ihnen Fraktionsstärke erreichen könnte.
Für eine eigene Fraktion bräuchte die abtrünnige Parteivorsitzende 35 weitere Mitstreiter. Kann sie so viele künftige Bundestagsabgeordnete der AfD auf ihre Seite ziehen? Auf ihrer Facebook-Seite beklagte Petry, gemäßigte und seriöse Mitglieder würden "auf allen Ebenen diskreditiert" und wanderten allmählich ab. Am Montag schloss sich aber zunächst niemand Petry öffentlich an. Eine eigene Partei könnte sie aber ohnehin gründen, schließlich zog sie mit Direktmandat in den Bundestag ein.
"BTW nur Supernova – danach wird es Riesenknall geben"
Das Recherchebüro "Correctiv" berichtete schon im April über die Pläne Petrys und ihres Ehemanns Macus Pretzell, die Partei zu spalten, sollten sie die Rechtsnationalen nicht in den Griff bekommen. Nun deuten weitere Indizien darauf hin, dass Petrys Eklat von langer Hand geplant und kalkuliert war. Im Lager Pretzells, der den Landesvorsitz in NRW führt, rumort es schon lange. Wie sehr, das zeigen Chat- und Email-Protokolle die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegen.
Darin schreibt NRW-Fraktionssprecher Michael Schwarzer laut dem Rechercheverbund: "Drei Monate bis zur Spaltung" gebe er der Bundestagsfraktion. "Die BTW ist nur eine Supernova – danach wird es einen Riesenknall geben – mit bekanntem Ergebnis." Vorsitzender Jörg Meuthen habe die Partei an die Wand gefahren. Pretzell selbst äußerte sich am Montag zurückhaltend zur Frage der Spaltung: "Das werden wir sehen", sagte er. "Man muss die Bundestagsfraktion jetzt erst mal angucken." Schärfer schoss er auf Twitter gegen Alexander Gauland:
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Laut Experten ist die NRW-Landesliste überwiegend mit Pretzell-Anhängern besetzt. Ob sie Petry aber beistehen werden, ist unklar. Aus ihrem Landesverband Sachsen kam Unterstützung und Kritik. Vize-Vorsitzender Thomas Hartung sagte dem MDR, die Spaltung habe sich seit einigen Monaten angedeutet. Petrys Verhalten sei für ihn keine Täuschung, sondern die konsequente Fortsetzung ihrer politischen Linie. "Ich habe gesagt, Fundamentalopposition ist nicht das, was Frauke Petry will. Das ist auch nicht das, was ich will, und es gibt viele Sachsen, die das auch nicht wollen."
Der AfD-Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge fühle sich hingegen von der direkt gewählten Frauke Petry um das Bundestagsmandat betrogen, berichtet der MDR. Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter Andre Barth sprach dem Sender gegenüber von einem "Schlag in die Magengrube".
Grabenkämpfe durchziehen die Partei
Hintergrund ist der Grabenkampf zwischen dem völkischen Flügel der Partei um Gauland, Höcke, Poggenburg und Meuthen und den realpolitischen Kräften wie Petry, Pretzell und Leif-Erik Holm. Letzterer gilt als Petry-Vertrauter und sitzt bislang als Fraktionsvorsitzender im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Nun zieht er in den Bundestag ein – und prompt spaltete sich die dortige Fraktion.
Vier der 18 Abgeordneten gründeten am Montag eine neue Fraktion mit dem Namen "Bürger für Mecklenburg-Vorpommern" (BMV). Nach eigenen Angaben wollen die vier Angeordneten aber in der Partei bleiben. Es handele sich nicht um eine "konzertierte Aktion", sagte der Chef der abgespaltenen Fraktion, Bernhard Wildt. Man stehe aber in Kontakt mit Petry und Mitgliedern des Bundesvorstandes. "Ich will nicht ausschließen, dass die Motive von Frauke Petry ähnlich sind wie unsere Motive." Die Fraktion der AfD im Schweriner Landtag sei schon seit langem gespalten und zerrüttet.
Zerwürfnisse wurden in den vergangenen Monaten auch durch die Gründung der "Alternativen Mitte" auf Bundesebene sichtbar, der in Opposition zum rechten Flügel steht, der die Partei derzeit dominiert. Sprecher Dirk Driesang sagte zum Petry-Eklat: "Auf menschlicher Ebene habe ich zwar Verständnis dafür, politisch finde ich es aber falsch." Er sei von Petrys Entscheidung völlig überrascht worden.
Rechter Flügel beschwichtigt und dementiert
Deutlicher positionieren sich die Vertreter des rechten Flügels – vor allem in dem sie den schweren Schlag für die AfD versuchten kleinzureden. NRW-Co-Chef Martin Renner schloss am Montag nicht aus, dass Petry und Pretzell eine Abspaltung planen. Sollte es so kommen, sei das aber "irrelevant". Denn die Gruppe habe "nicht mehr als zehn Prozent der Funktionsträger und Parteimitglieder hinter sich".
Spitzenkandidatin Alice Weidel forderte Petry auf, den Parteivorsitz niederzulegen und die AfD zu verlassen. "Nach dem jüngsten Eklat von Frauke Petry, der an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten war, fordere ich sie hiermit auf, ihren Sprecherposten niederzulegen und die Partei zu verlassen, um nicht weiteren Schaden zu verursachen."
AfD-Rechtsaußen und Vorstandsmitglied André Poggenburg sagte: "Ich bitte sie, ihren Schritt konsequent durchzuziehen und die Partei auch zu verlassen." Nur so könne Petry "einem Antrag auf Parteiausschluss zuvorkommen". Der Brandenburger AfD-Landeschef Andreas Kalbitz, ebenfalls dem rechten Flügel zuzuordnen, kommentierte: "Was soll ich dazu sagen? Ich kann das nur zur Kenntnis nehmen, ich bedaure das – gute Reise!"
Bundesvorstandsmitglied Paul Hampel rechnet allerdings offenbar damit, dass weitere Abgeordnete abwandern: "Es gibt immer ein paar Seelenlose, die auch den absurdesten Ideen folgen."