Streit bei Maybrit Illner Zwischen Wagenknecht und Nahles fliegen die Fetzen
"Wohlstand für alle – wer kann das noch versprechen?" – dieser Frage ist Maybrit Illner am Dienstag in ihrer halbstündigen Sondersendung "illner intensiv" nachgegangen. Die Antworten der drei geladenen Politiker waren ein "Wünsch dir was"-Konzert mit dem Schlussakkord eines Streits zwischen Andrea Nahles und Sahra Wagenknecht.
Die Gäste, Teil eins
· Andrea Nahles, SPD
· Carsten Linnemann, CDU
Das Format
In dieser Woche widmet sich Maybrit Illner in vier halbstündigen Befragungen von Spitzenpolitikern den Themen des Wahlkampfes. Das Ziel: kurze Antworten der Politiker, keine ausufernden Diskussionen, dafür konkrete Themenblöcke mit knackigem Verlauf – und tatsächlich konnte man endlich einmal Unterschiede erkennen.
Die Fronten
Tariflöhne – ja oder nein? An dieser Frage Illners, die sachlich, konzentriert und bestimmend auftrat, ließ sich der Unterschied der drei Kandidaten bestens aufzeigen. CDU-Wirtschaftsexperte Linnemann erklärte: "Das Problem sind nicht die Brutto-Löhne, sondern die Netto-Löhne." Steuern und Abgaben senken, das verspricht die CDU. Obwohl sie das schon seit Jahren hätte machen können. Wenigstens gab Linnemann dies selbst zu. "Wir haben die Menschen zu stark vernachlässigt, die diesen Sozialstaat möglich machen. Wir wollen seit Jahren an dieses Thema ran." Eigentlich lieferte der CDU-Mann ein Abwahl-Kriterium für seine eigene Partei, wenn da nicht gleichzeitig die Mit-Regierungspartei SPD am Tisch gesessen hätte. Deren Vertreterin Nahles sagte, Entlastung sei zwar gut, besser wäre aber, wenn es "für gute Arbeit auch guten Lohn gibt". Auch da stellte sich die Frage: Warum hat die SPD dies nicht in der Großen Koalition umgesetzt? Es bräuchte, so Nahles, zudem eine "Reduktion der befristeten Angestelltenverhältnisse". Die "sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft".
Wagenknecht, als einzige Oppositionspolitikerin in der Dreier-Runde, hatte da leichtes Spiel. Sie legte den Finger in die Wunde. "Ich finde es frappierend, wie das läuft. Sie regieren seit vier Jahren", sagte die Linke mit Blick auf die Wünsch-dir-was-Äußerungen der Regierungspolitiker, die beim Thema Wirtschaft bekannte Versprechungen machten, die es schon vor vier, acht und zwölf Jahren gegeben hat. „Meinen Sie es doch endlich mal ernst“, rief Wagenknecht ihnen zu und erklärte, die Linke wolle eine "Entlastung des Mittelstands", was wiederum kein anderes Versprechen war als jenes, das Linnemann und Nahles gegeben hatten. Der Unterschied war, dass die Linken-Chefin zumindest erklärte, wie dies finanziert werden solle. "Wir wollen eine Vermögenssteuer für Superreiche und die Unternehmen in die Pflicht nehmen. Man hat seit Schröders Zeiten den Lohndrückern in den Unternehmen den roten Teppich ausgerollt.“ Damit waren die Fronten geklärt – und sie gipfelten direkt in einem veritablen Streit.
Der Aufreger des Abends
Weil Wagenknecht der Bundesarbeitsministerin Nahles vorwarf, die SPD hätte auch mit der Linken und den Grünen 2013 eine Regierung eingehen können, brach es aus Nahles heraus: "Sie haben in Ihrer politischen Karriere noch nie etwas für die Menschen da draußen bewirkt", fuhr Nahles Wagenknecht an und warf der Linken-Politikerin vor, nur durch Talkshows zu tingeln und Sprüche zu klopfen. "Ich habe in dieser Legislaturperiode viel für die Menschen herausgeholt", sagte Nahles fast schon wie ein trotziges Kind, erklärte dann aber konkret, was sie vorhabe und wozu sie bereits einen Gesetzesentwurf in der Schublade liegen hätte. "Ich kämpfe für die Langzeitarbeitslosen. Um das Problem zu lösen und die Menschen da rauszuholen, brauche ich zwei Milliarden Euro." Woher sie das Geld nehmen wollte, verriet sie nicht.
Der Tiefpunkt des Abends
Nahles war auch noch in ein zweites Wortgefecht verwickelt. Carsten Linnemann hatte ihr vorgeworfen, dass im Bundesarbeitsministerium selbst die Anzahl befristet Beschäftigter gestiegen sei. "Das ist gelogen", konterte die SPD-Ministerin und kündigte an, "morgen auf Facebook" einen Nachweis zu liefern, dass ihr CDU-Kollege nicht die Wahrheit gesagt hatte. Man darf gespannt sein, ob sie liefert.
Die Moderatoren-Frage
In wenigen Worten sollten die Kandidaten das Thema Mindestlohn kommentieren. Linnemann hatte keine konkrete Antwort parat, erklärte nur, „die Mindestlohn-Bürokratie ist ein Problem“. Wie dies zu lösen sei, sagte er nicht. Wagenknecht wiederholte das Linken-Wahlprogramm, wonach der Mindestlohn künftig bei zwölf Euro liegen soll. Nahles dagegen lavierte um die genaue Höhe herum, erklärte lediglich: „Wer Leben lang Mindestlohn erhält, hat nicht genug in der Rente.“ Ein Problem, das hinreichend bekannt ist.
Was offen bleibt
Zum Schluss durften die drei Politiker hypothetisch erklären, welche zwei Sofort-Maßnahmen sie für die Wirtschaft umsetzen würden, bekäme ihre Partie bei der Bundestagswahl die absolute Mehrheit. Wagenknecht würde die „sachgrundlose Befristung verbieten und den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen". Nahles würde Frauen nach der Geburt eines Kindes eine schnellere Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit ermöglichen und einen "Pakt für anständige Löhne" schließen. Und Linnemann? Der CDU-Mann blieb am unkonkretesten. Er wolle Kinder aus Hartz-IV-Familien stützen und die "Menschen in den Mittelpunkt stellen", die das Rückgrat des Sozialstaates bildeten. Konkreter wurde er nicht. So, wie ohnehin nur selten in einer ansonsten recht konkreten, weil kurzweiligen Diskussion.