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Wahl-Talk bei Anne Will: „In fünf Wochen kann viel passieren.“


Wahl-Talk bei Anne Will
"Die SPD hat gesagt, sie will nicht mehr"

t-online, Nico Damm

Aktualisiert am 21.08.2017Lesedauer: 3 Min.
Thomas Oppermann (SPD, l-r), Volker Kauder (CDU), Moderatorin Anne Will, Alice Weidel (AfD) und Christian Lindner (FDP) in der TV-Sendung «Anne Will».Vergrößern des Bildes
Thomas Oppermann (SPD, l-r), Volker Kauder (CDU), Moderatorin Anne Will, Alice Weidel (AfD) und Christian Lindner (FDP) in der TV-Sendung «Anne Will». (Quelle: Wolfgang Borrs/NDR/dpa-bilder)
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Noch vier Wochen bis zur Bundestagswahl und das Rennen scheint bereits entschieden. Im Talk bei Anne Will bemühten sich CDU und SPD, diesen Eindruck zu zerstreuen. Auch Koalitionsgedanken waren allgegenwärtig.

Die Gäste:

  • Volker Kauder (CDU, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag)
  • Thomas Oppermann (SPD, Fraktionsvorsitzender im Bundestag)
  • Christian Lindner (FDP, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat)
  • Alice Weidel (AfD, Mitglied im Bundesvorstand und Spitzenkandidatin)

Das Thema:

Der „Schulz-Zug“ scheint ohne den Spitzenkandidaten der SPD abgefahren zu sein. Von Wechselstimmung ist keine Spur, die Umfragen zeigen Angela Merkel als unangefochtene Siegerin der Bundestagswahl. Zum Auftakt einer Serie wollte Will von ihren Gästen wissen: Ist das Rennen wirklich schon entschieden?

Der Frontverlauf:

Die Wahl sei gelaufen, Merkel stehe als Siegerin schon fest, hatte Lindner bereits vor der Sendung öffentlich gesagt. Oppermann sah das naturgemäß anders: „Die heiße Phase des Wahlkampfs hat gerade erst begonnen.“ Rund 40 Prozent der Wähler hätten sich noch nicht entschieden.

Kauder stimmte seinem Noch-Koalitions-Kollegen zu. „In fünf Wochen kann viel passieren.“ Die beiden begannen einen Eiertanz: Einerseits lobten beide das in der Großen Koalition gemeinsam Bewältigte, andererseits versuchten sie, sich voneinander abzugrenzen. Besonders drollig wurde es, als Kauder irgendwann von „Herr Oppermann“ zu „Thomas“ wechselte – ob verbaler Ausrutscher oder Kalkül, sei dahingestellt.

Doch erstmal galt es ohnehin, gemeinsam der AfD zu begegnen, denn die, stellte Will ganz richtig fest, macht den mit Abstand sichtbarsten Wahlkampf. Ob es Weidels Ernst sei, wenn sie Merkel als „Extremismuskanzlerin“ bezeichne? Nach anfänglichem Ausweichen bekam sie ein klares „Ja, ich stehe dazu!“ zur Antwort.

Es seien 100 Millionen Euro für den Kampf gegen Rechts freigemacht worden. „Linksextremistische Organisationen, die in Hamburg die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt haben, werden indirekt dadurch finanziert.“ Kauder ging das deutlich zu weit: Mit solchen Formulierungen „stellt sich die AfD ganz klar außerhalb dem, was wir als demokratische Parteien im Bundestag bezeichnen.“

Auch Lindner keilte gegen die AfD, die „sehr stark auf rhetorische Eskalation und Tabubrüche“ setze, sich dann aber nur „untereinander bis aufs Messer bekämpft“. Doch auch der FDP-Mann stieß sich an der
Flüchtlingspolitik: „Als Macron vorgeschlagen hat, eine gemeinsame Initiative zu ergreifen, um die Mittelmeerroute zu schließen, da habe ich mich gefragt, warum Deutschland diese Offerte nicht offensiv angenommen hat.“

Für Kauder lag das an der SPD, die das nicht wolle. „Deshalb wäre es gut, wenn wir nach der Wahl einen Koalitionspartner haben, mit dem wir das machen können.“ Dass er dabei auf Lindner schaute, entging der Moderatorin nicht. Ob das hieße, die FDP sei ein Wunsch-Koalitionspartner? Die FDP sei einer von mehreren möglichen Partnern, sagte Kauder. „Die SPD hat gesagt, sie will nicht mehr, deshalb schaue ich auf Herrn Lindner.“ Der ließ ebenfalls Sympathien durchblicken, wollte aber ausdrücklich keine Leihstimmen von CDU-Wählern haben.

Aufreger des Abends:

Leidenschaftlich ging es beim Thema Diesel-Skandal zu. Hier gingen die Meinungen weit auseinander: Während Lindner Entschädigungen für Diesel-Kunden wie in den USA forderte und die Abtretung der Aktionärsrechte des Landes Niedersachsen an Fachleute, die im Namen der Politik bei VW agieren, forderte Weidel gar eine Fahr-Garantie für Diesel-Autos bis 2050. Oppermann verteidigte den Besitz der Anteile, der schließlich auch helfe, Standorte in Deutschland zu erhalten.

Für Kauder war Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als Mitglied des Aufsichtsrats zu zimperlich: „Wer sagt, in den USA gibt es 20 Milliarden und bei uns gar nichts, da hätte Herr Weil verlangen müssen, wer so was sagt, war die längste Zeit Chef von VW.“ Warum Merkel sich dann nicht persönlich um die Sache gekümmert habe, wollte Will wissen. „Man kann der Autoindustrie nicht sagen, ihr müsst das machen.“ Eine dürftige Argumentation, doch Oppermann attackierte die offene Flanke nicht.

Was übrig bleibt:

Der Wahlkampf schläft weiter – leider auch bei Anne Will. Die Moderatorin versuchte, aus ihren Gästen, Gegensätze herauszukitzeln. Doch entweder beharkte sich die Opposition in Form von Lindner und Weidel gegenseitig, oder die Kollegialität von Kauder und Oppermann schliff allzu viele Ecken und Kanten ab. Oppermann griff durchaus viele interessante Vorhaben der SPD auf: Einen 5-Punkte-Plan zur Lösung der Flüchtlingskrise, Abschaffung sachgrundloser Befristungen, Investitionen in Bildung.

Doch Kauder gelang es – ganz nach Merkel-Manier - mit seiner ruhigen Art und vielen Themenwechseln, immer die Ruhe zu bewahren. Dass sich Oppermann davon derart einlullen ließ, überrascht dann doch. Fast jedes fünftes Kind ist arm, die Altersarmut wächst, und es wächst die erste Generation heran, die weniger Geld und schlechtere Perspektiven hat als ihre Eltern. Wer einen Wahlkampf führen will, der sich um Gerechtigkeit dreht, muss diese Fakten anführen. Vielleicht lernt die SPD ja noch, wie Wahlkampf geht – beim nächsten Mal bei Anne Will, den Grünen und der Linkspartei.

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