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Xi Jinping startet eine Charmeoffensive: Deutsch-chinesischer Austausch


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Deutsch-chinesische Regierungskonsultationen
"Dann liefert China Putin ans Messer"

InterviewVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 20.06.2023Lesedauer: 7 Min.
Xi Jinping und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau 2018: Russland ist durch seinen Ukraine-Krieg vom Westen isoliert worden und von China abhängig.Vergrößern des Bildes
Xi Jinping und Wladimir Putin bei einem Treffen in Moskau 2018: Russland ist durch seinen Ukraine-Krieg vom Westen isoliert worden und von China abhängig. (Quelle: Kremlin Pool/imago-images-bilder)

Ohne die Rückendeckung aus China könnte Wladimir Putin seinen Ukraine-Krieg nur schwer führen. Das sorgt auch für Konflikte zwischen Deutschland und der Volksrepublik. Doch nun startet Xi Jinping eine Charmeoffensive.

Plötzlich bewegt sich etwas. Schon vor den heutigen deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin startete die Volksrepublik eine Charmeoffensive in Richtung Westen. Der chinesische Präsident Xi Jinping empfing am Montag in Peking US-Außenminister Antony Blinken persönlich, beide Supermächte sendeten zumindest ein Zeichen der Annäherung. Das weckt neue Hoffnungen: Könnte Xi seinen Verbündeten Wladimir Putin dazu drängen, den Ukraine-Krieg zu beenden?

China-Experte Klaus Mühlhahn erklärt im Interview, warum die Volksrepublik aktuell in einer problematischen Situation ist – und wie das Putin zum Verhängnis werden könnte.

t-online: Herr Mühlhahn. Es wird wieder miteinander gesprochen: Erst reiste US-Außenminister Antony Blinken nach Peking, nun finden die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Berlin statt. Was erwarten Sie vom chinesischen Besuch in Deutschland?

Klaus Mühlhahn: Es ist gut, dass die Gespräche stattfinden. Aber ich glaube nicht, dass dabei am Ende sehr viel herauskommen wird. Da wird es keine großen Ankündigungen geben, keinen großen Durchbruch. Bei diesem chinesischen Besuch wird es darum gehen, die Gespräche wieder zu etablieren, Meinungen auszutauschen. Beide Seiten werden hinter verschlossenen Türen Differenzen offen ansprechen, und das ist schon ein Erfolg.

Klaus Mühlhahn

1963 in Konstanz geboren, studierte er in Berlin Sinologie und wurde dort promoviert. Es folgten Forschungsstationen in Berlin und im US-amerikanischen Berkeley. 2004 wurde Mühlhahn als Professor an die Universität Turku in Finnland berufen. 2014 wurde er Vizepräsident der Freien Universität Berlin, seit 2020 ist er Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

Also sind die Gespräche ein gutes Zeichen?

Na ja. In der jüngeren Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen gab es immer wieder Konsultationen, bei denen reihenweise bilaterale Abkommen unterzeichnet wurden. Doch diese Zeiten sind vorerst vorbei.

Das ist verständlich. Immerhin ist die Volksrepublik für Deutschland auch in vielen Bereichen eine sicherheitspolitische Herausforderung und die Bundesregierung arbeitet an einer China-Strategie. Nimmt man diese Sicherheitsstrategie in Peking ernst?

Es kommt darauf an, was in dieser Strategie stehen wird. In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie lassen sich viele richtige Ansätze finden, aber sie bleibt sehr vage und die Umsetzung etwas schwammig. In einer China-Strategie wäre das weniger hilfreich, denn natürlich werden die Chinesen in ihren Risikoabwägungen erkennen, ob Wirtschaftsspionage auch tatsächliche Konsequenzen für sie hätte. Deutschland muss praktische Instrumente finden, um mit Risiken umzugehen und sie einzugrenzen. Erst dann nimmt China uns ernst.

Immerhin gibt sich die chinesische Führung aktuell dialogbereit. US-Außenminister Blinken traf in Peking den chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Das ist nicht üblich.

Genau. Wir erleben aktuell eine chinesische Charmeoffensive, auch in wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen. Es ist auch beachtlich, dass Xi den US-Außenminister getroffen hat. Normalerweise achten die Chinesen extrem auf die Hierarchieebenen, Annalena Baerbock ist zum Beispiel nicht von Xi empfangen worden. Das ist nicht unbedingt eine Herabsetzung der deutschen Außenministerin. Vielmehr zeigen die Gespräche mit Blinken, dass die Lage für China gegenwärtig schwierig ist.

Warum schwierig?

Die wirtschaftliche Situation in China ist nicht gut, und die Probleme wachsen weiter. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, viele Städte haben sich noch nicht von der Corona-Pandemie erholt und sind hoch verschuldet. Das erzeugt Unruhe und China merkt jetzt, dass dieses aggressive Gehabe in der Außenpolitik nicht ganz im Einklang steht mit den wirtschaftlichen Realitäten. Denn wirtschaftlich ist die Volksrepublik nach wie vor aufs Ausland angewiesen.

Dennoch geht das aggressive Gehabe weiter. Anfang Juni hat ein chinesisches Kriegsschiff fast einen US-Zerstörer im Südchinesischen Meer gerammt.

Diese chinesische Außenpolitik und das Konzept dahinter sind völlig unklar. Also die Aggressivität, mit der man im Südchinesischen Meer auftritt, steht überhaupt nicht im Einklang mit den Abhängigkeiten, Schwierigkeiten und Unsicherheiten, die aktuell für China bestehen. Für mich fehlt da eine Strategie. So schießt sich China selbst ins Bein, denn diese Eskalationen machen es für die Welt nicht einfach, mit Peking wirtschaftlich zu kooperieren.

Video | Kriegsschiff bedrängt US-Zerstörer
Quelle: Glomex

Der chinesische Verteidigungsminister Li Shangfu beschimpfte die USA bei einer Sicherheitskonferenz in Singapur Anfang Juni auf offener Bühne noch indirekt als "Wölfe und Schakale". Dahinter steckt keine Strategie?

Zumindest keine gute für China. Es geht ja nicht nur um die USA oder die Nato, sondern auch in Asien hat die Volksrepublik keine guten Partnerschaften, außer mit Nordkorea. Und selbst Nordkorea tanzt Peking auf der Nase herum, das sind keine Beziehungen, die China stark machen. Im Gegenteil.

China scheint auch keine "Soft Power" zu haben. Länder wie Thailand, Vietnam oder Indonesien kooperieren doch aus Angst mit der Volksrepublik.

Aus Angst oder aufgrund von wirtschaftlichen Abhängigkeiten.

Das heißt?

Vor allem in Zentralasien geht es zum Beispiel bei Ländern wie Kasachstan oder Kirgisistan in den Beziehungen zu China nicht um Liebe, sondern um wirtschaftliche Interessen. Aber Sie haben recht: China hat keine "Soft Power" und viele Staaten in Asien haben vor allem Angst vor der militärischen Macht. Aber auch hier fehlt es Peking an einer klaren Strategie: sie exportieren keine chinesische Ideologie oder politische Mission, hinter die sich andere Staaten stellen könnten.

Warum machen sich dann trotzdem so viele Länder von China abhängig?

Weil es in ihrem nationalen Interesse ist, wenden diese Länder sich China zu. Sie gehen davon aus, dass eine Zusammenarbeit für sie wirtschaftliche, politische und militärische Vorteile bringen. Vielen geht es dabei aber nicht um eine neue Weltordnung, auf die man gemeinsam mit der chinesischen Führung hinarbeiten möchte.

Aber die fehlende Ideologie ist auch eine Gefahr. Denn China scheint mit einem antiwestlichen Narrativ um internationale Bündnisse zu werben.

Das ist keine Ideologie, sondern eine antiwestliche Erzählung. Das Problem: das Narrativ verfängt in vielen Ländern. Im Nahen Osten, in gewissen Teilen in Indien oder auch in Brasilien. Damit ist China ungemein erfolgreich, und es ist erstaunlich, dass der Westen in dem Punkt nichts entgegensetzen kann.

Wie könnte der Westen reagieren?

Er könnte gegenhalten, sich besser erklären und aufarbeiten, was in der Vergangenheit passiert ist. Der Westen könnte auch noch viel mehr in internationale Institutionen investieren. Aber auch die westliche Seite scheint Vertrauen in diese Institutionen zunehmend zu verlieren.

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Aber der Westen wirbt doch für eine regelbasierte Weltordnung. Zum Beispiel unterstützen wir die Verteidigung der Ukraine, während China Putins Angriffskrieg indirekt mit Lieferungen von "Dual Use"-Gütern mit ermöglicht. Wird dieser Unterschied nicht deutlich?

China profitiert zumindest selbst davon, dass Moskau zunehmend abhängig ist von Peking. Ohne die Geschäfte mit Russland und ohne die billigen russischen Rohstoffe wäre die wirtschaftliche Situation der Volksrepublik noch viel schwieriger. Auf der anderen Seite denkt man in Peking sehr differenziert darüber nach, was die Konsequenzen dieses Krieges sind. Es ist nicht Chinas Krieg, aber der Konflikt hat schon jetzt dazu geführt, dass die Beziehungen zu wichtigen westlichen Handelspartnern komplizierter geworden sind. Das könnte Xi auf die Füße fallen.

Hofft China darauf, dass die USA durch den Ukraine-Krieg geschwächt werden?

Ich glaube nicht, dass die USA durch den Konflikt in der Ukraine der Taiwanstraße weniger Beachtung schenken. Vielmehr geht Peking fest davon aus, dass die Amerikaner ein Interesse an einer Verlängerung des Konfliktes in der Ukraine haben.

Warum das?

Da herrscht sehr viel Misstrauen. China geht davon aus, dass die USA diesen Krieg möchten, um Russland schweren Schaden zuzufügen. Außerdem sehen sie ihr Bündnis zum Kreml gefährdet, weil es für sie durchaus passieren könnte, dass Russland diesen Konflikt nicht überstehen kann und dass sich die USA am Ende durchsetzen werden. Deswegen glaubt China nicht, dass Putin eine Zukunft hat.

Dabei schien und scheint Peking nicht wirklich an dem Konflikt interessiert zu sein. Ein Jahr hat China nach Kriegsausbruch gebraucht, um eine stärkere Rolle spielen zu wollen. Hat nicht Xi diesen Konflikt verschleppt?

Interessanterweise sind beide Seiten – China und die USA – überzeugt davon, dass der jeweilige Gegner diesen Krieg in die Länge ziehen möchte. Trotzdem möchten die beiden Supermächte natürlich ein Ende des Konfliktes, das in ihrem jeweiligen Interesse ist. Deshalb ist ein schnelles Ende des Ukraine-Krieges nicht in Sicht, das wird noch länger dauern.

Ist man in Peking denn besorgt vor einer weiteren Eskalation des Krieges?

Auf jeden Fall. Trotzdem fürchtet China eine politische Instabilität Russlands und einen Sturz Putins. Doch je länger dieser Krieg geht, desto wahrscheinlicher wird es, dass er zum Flächenbrand wird und weiter eskaliert. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.

Demnach kann Putin weiterhin auf China vertrauen?

Das würde ich nicht sagen. Völlig klar: Xi hat kein Interesse an einem Regime-Change in Russland. Aber Putin sollte nicht auf eine eiserne Rückendeckung aus China vertrauen. Es gibt in China ein Sprichwort: "Hinter dem Lächeln einen Dolch verstecken." Keinen Zweifel: Wenn es zu seinem Vorteil ist, dann liefert Xi Putin ans Messer.

Ist sich der Kreml dieser Gefahr bewusst?

Zwischen Russland und China gibt es zumindest viel Misstrauen und gegenseitige Ressentiments. Wie gesagt: Wenn die Russen nicht mehr im Raum sind, sagen auch die Chinesen, dass es mit Putin keine Zukunft gibt. Die Russen meinen dagegen, dass für sie China eine viel größere Gefahr sei als der Westen.

Lassen Sie uns abschließend noch einmal auf die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen schauen: China hält offiziell zu Putin, es gibt geopolitische Konflikte und chinesische Wirtschaftsspionage in Europa. Die Bundesregierung definiert China strategisch noch immer als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale. Können Sie das verstehen?

Diesen Dreiklang halte ich für schwierig, es sind leere Worte. Die Bundesregierung sollte klar definieren, in welchen Bereichen mit China kooperiert werden soll und wo genau es Rivalitäten und Wettbewerb gibt. Ich höre immer nur von der Klimakrise. Aber es gibt noch andere Bereiche, in denen wir wahrscheinlich mit China zusammenarbeiten müssen – Wasser, Nahrungsmittel oder die Sicherung der Handelswege. Ich hoffe sehr, dass die deutsche China-Strategie diese Punkte klar und deutlich benennen wird. Da gibt es noch viel zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Mühlhahn.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Klaus Mühlhahn
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