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Olaf Scholz trifft Modi in Indien: Das wird brenzlig


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Neue deutsche Außenpolitik
Das wird brenzlig

Von Tim Kummert, Neu-Delhi

Aktualisiert am 28.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Scholz in Indien: Bei dem Besuch soll es um wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch um Russlands Angriffskrieg gehen. (Quelle: reuters)

Am Jahrestag der russischen Invasion ist Kanzler Olaf Scholz nach Indien geflogen. Report einer Reise, die ein Beweis für die Neuausrichtung deutscher Außenpolitik ist.

Es ist eine dunkle Berliner Nacht, als Olaf Scholz nach Indien aufbricht. Doch das Zeichen, unter dem die Reise stattfindet, leuchtet hell. Hoch oben hängt es an einem Flughafen-Fahnenmast. Angestrahlt von Scheinwerfern, neben der Kanzlermaschine, knattert im eisigen Wind: eine ukrainische Fahne. Das Banner weht in Cockpithöhe wie eine visuelle Mahnung. Daran, dass in Europa Krieg herrscht, dass ein ganzes Land in Gefahr ist, dass Gewissheiten zerbrochen sind. Und dass sich die Welt verändert hat.

Am Freitagabend geht Olaf Scholz also an der Fahne vorbei, steigt ins Flugzeug und fliegt gen Osten. Kurz nach neun Uhr am Samstagmorgen landet er in Neu-Delhi. Die Luft ist staubig. Am Flughafen steht ein großes Foto von Scholz und dem indischen Premierminister Modi. Keine Spur von einer ukrainischen Flagge. Scholz steigt in ein bereitstehendes Auto, hinter ihm die Wagen der Delegation. Wie eine Schlange windet sich die Kolonne zwischen den Häusern durch die indische Hitze zu den indischen Regierungsgebäuden.

Schwere Mission

Scholz hat an diesem Wochenende viel vor. Der Kanzler ist am 24. Februar nach Indien gereist, dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Am Abend vor seinem Abflug saß Scholz noch bei "Maybrit Illner". Er habe die Sorge, dass sich dieser Krieg "noch sehr lange hinzieht", sagte er da.

Wie Scholz darauf reagieren will, zeigt seine Reise nach Indien. Und wie sich die geopolitische Landkarte verändert hat. Russland rückt für Deutschland immer weiter weg, andere Länder dafür näher heran. Vor allem Indien. Das Land ist riesig, fast 1,5 Milliarden Menschen leben dort, eine gigantische Wirtschaftsmacht. Vor allem aber ist Indien, anders als China, eine Demokratie. Ein neuer enger Verbündeter? Und wie steht die Bundesrepublik zu dem Land? Für Scholz geht es bei seiner Reise auch um eine neue Rolle Deutschlands in einer sich verändernden Welt.

Auf seiner Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt begegnet Scholz sich permanent selbst. Die Inder haben Dutzende Plakate von seinem Konterfei mit einem deutschen "Willkommen" aufgehängt. Die Limousine von Scholz braust daran vorbei, Soldaten mit Gewehren stehen mit dem Rücken zur Straße und bewachen die Strecke.

Indien inszeniert seine Größe

Kurz nach seiner Ankunft nimmt Scholz eine Militärparade ab. Die Szene wirkt etwas seltsam: Der Kanzler steht ohne den indischen Regierungschef unter einem winzigen roten Zelt, vor ihm erstreckt sich ein riesiger Platz. Die Inder spielen erst die deutsche, dann ihre eigene Nationalhymne. Dann schreitet der Kanzler ein großes Dreieck auf dem roten Teppich ab. So, wie Scholz allein an den vielen Soldaten, den Reitern mit Speeren und Turban vorbeizieht, könnte man meinen, es sei eine Demonstration der Inder, die ihre eigene Größe unterstreichen wollen.

Anschließend tritt Scholz an ein kleines Pult. Vor Fernsehkameras sagt er ein paar Sätze, so abgezirkelt, dass sie alles offen lassen. Scholz weiß noch nicht, wie die Gespräche verlaufen werden. Er sagt also: "Wir haben bereits gute Beziehungen zwischen Indien und Deutschland. Und ich hoffe, dass wir diese weiter stärken werden." Man könnte es einen niederschwelligen Anfang nennen.

Jetzt steht neben Scholz auch Narendra Modi. Der 72-jährige indische Regierungschef ist seit acht Jahren an der Macht und tritt oft kühl auf. Aufregung ist ihm fremd. Bereits im vergangenen Mai trafen sich Scholz und Modi in Berlin. Der Kanzler lobte damals, Indien sei "wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und klimapolitisch" ein zentraler Partner für Deutschland. Es gibt ein Foto von dem Treffen, Scholz lächelt dabei erwartungsvoll. Modi sieht so aus, als wolle er sagen: "Schauen wir mal."

Indiens Verhältnis zu Russland ist problematisch

Scholz hofft, dass es diesmal anders läuft. Doch das wird nicht einfach. Modi wird sich den Deutschen nicht sofort an den Hals werfen. Schließlich hat Indien ein besonderes Verhältnis zu Russland. Auch in einer neuen Weltordnung lässt sich nicht alles auf den Kopf stellen.

Während sich die Welt verändert, liegt Indien wie eine riesige Eisscholle zwischen den politischen Polen. Aus Russland bezieht das Land Rüstungsgüter und vor allem eines: Gas. In großen Mengen und zu sehr günstigen Preisen. Im Gegenzug hört man aus Neu-Delhi so gut wie nie eine scharfe Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine. So läuft der Deal: Wirtschaftsabkommen gegen allenfalls lauwarme Kritik am Krieg. Prompt enthielt sich Indien am vergangenen Donnerstag bei der UN-Abstimmung über eine Resolution, die den Abzug der russischen Truppen forderte.

In Neu-Delhi sprach Scholz lange mit Modi unter vier Augen. Das Statement, das die beiden anschließend abgeben, lässt erahnen, wie es war. Modi beginnt – und es ist mehr als das "Mal sehen" aus dem vergangenen Jahr: "Ich begrüße meinen Freund, Bundeskanzler Olaf Scholz, und die Mitglieder seiner Delegation in Indien." Scholz habe schon bei seinem Besuch 2012, damals noch als Hamburger Bürgermeister, das "Potenzial" des Landes erkannt, sagt Modi.

Erfolg für Scholz

Da spricht ein Mann, der sich ernst genommen fühlt. Ein Erfolg für Scholz. Der antwortet scholzig. "Ich will gern sagen, dass es hier gute Zusammenarbeit gibt." Mitten in seiner Rede deutet Scholz leicht mit dem Arm auf Modi. Es ist nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch sofort klicken die Kameras. Das Bild passt: Der Kanzler reicht Indien die Hand.

Schon geht es weiter, wieder in die Autos, wieder die lange Schlange der Kolonne. Auf zur Gedenkstätte für Mahatma Gandhi. Schuhe sind dort verboten. Also streut der Kanzler in schwarzen Socken ein paar Blütenblätter auf die Gedenktafel. Ins Gästebuch schreibt Scholz: "Wenige haben inmitten der Katastrophen des 20. Jahrhunderts mehr für Frieden und Toleranz getan." Die Würdigung eines Mannes, der sich brutaler Gewalt entgegenstellte – der Termin ist in diesen Tagen kein Zufall.

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Scholz besichtigt noch ein Mausoleum, das ein bisschen aussieht wie das Taj Mahall in klein. Dann werden davor die Fernsehkameras für ein weiteres Statement aufgebaut. Jeder soll auf einen Blick sehen, dass der Kanzler in Indien ist. Scholz spricht – und bemüht sich um Bescheidenheit. Kein kritisches Wort über die UN-Abstimmung, bei der sich Indien der Stimme enthalten hat. Auch nicht, als der Kanzler explizit danach gefragt wird. Er sagt nur, es mache sich "hier niemand Illusionen, auch nicht die Regierung, dass das ein Angriffskrieg ist, den Russland gestartet hat". Und trotzdem würden auch "unter den Ländern, die nicht mitgestimmt haben, die allermeisten das als einen Angriffskrieg bewerten und betrachten".

Kanzler verzichtet auf Ermahnungen

Seine Botschaft lautet: Abstimmung hin oder her, in der Sache sind wir uns einig. Die neue Rolle Deutschlands in der Welt soll jedenfalls nicht vom erhobenen Zeigefinger geprägt sein.

Am Samstagabend steht Scholz in einem malerischen Park. Die Sonne schimmert blassgolden hinter der dicken Luft. Ein Sommerabend im Februar, 26 Grad, ein See mit Springbrunnen, jemand hat einen Grill aufgebaut. Ein Gespräch mit "Vertretern der indischen Gesellschaft", wie es im offiziellen Programm heißt.

Es geht um Chancen, um Gegensätze zwischen Deutschland und Indien, aber auch um Gemeinsamkeiten. Und irgendwann sagt Scholz: "Wir werden in einer multipolaren Welt leben, nicht in einer bipolaren." Man müsse verhindern, dass man sich in dieser Welt ständig mit Waffen gegenüberstehe. Es fehlt nur noch, dass Scholz sagt: "Und deshalb bin ich heute hier." Doch das sagt der Kanzler nicht. Sondern: "Die Frage ist, ob diese Welt ein schöner Ort wird oder nicht." So kann man das natürlich auch ausdrücken.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Eindrücke von vor Ort in Indien bei der Kanzler-Reise
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