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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sorge um weltpolitische Rolle der USA Darum blockiert Biden plötzlich Milliarden für Israel
In den USA wollen die Republikaner Israel im Krieg gegen die Hamas mit vielen Milliarden unterstützen. Die Demokraten aber stellen sich plötzlich quer. Als Grund führen sie die Sicherheitsinteressen Amerikas an.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Endlich war es in Washington am Donnerstagabend so weit: Die Republikaner im US-Kongress verabschiedeten mit ihrer Mehrheit ein Gesetz, das den engen Verbündeten Israel mit rund 14 Milliarden Dollar unterstützen soll. Schon fast ein Monat ist vergangen seit den Terrorangriffen der palästinensischen Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober.
Die Zeit drängt. Nicht nur, weil Israel daraufhin Militäroperationen im Gazastreifen gestartet hat, sondern auch, weil seitdem Hisbollah-Terroristen aus dem nördlich gelegenen Libanon zunehmend Israel mit Raketen angreifen. Für einen drohenden Mehrfrontenkrieg im Nahen Osten wäre selbst das gut gerüstete Israel ohne amerikanischen Beistand nicht gewappnet. Es gibt kein Land auf der Welt, das von den USA seit Jahrzehnten so stark finanziell und militärisch unterstützt wird.
Doch die Finanzhilfen für den Kampf gegen den islamistischen Terror werden so schnell nicht kommen. Denn ausgerechnet die Demokraten im Senat, der zweiten wichtigen Parlamentskammer, und sogar der US-Präsident persönlich wollen den Beistand für Israel verhindern. Joe Bidens Sicherheitsberater John Kirby kündigte bei einem Pressegespräch in Washington an, der Präsident würde im Zweifel sogar sein Veto gegen die milliardenschweren Israel-Hilfen einlegen.
Aber wie ist das zu erklären? Joe Biden will jetzt ablehnen, was er erst vor zwei Wochen in seiner viel gelobten Ansprache an die Nation im Oval Office gefordert hatte? Warum gilt seine drängende Bitte an die Abgeordneten des US-Kongresses, Israel zu unterstützen, plötzlich nicht mehr?
Es geht um mehr als nur um Israel
Tatsächlich steckt hinter der geplanten Blockade der Demokraten keine tatsächliche Ablehnung der Hilfen für Israel. Dem Weißen Haus geht es aber um mehr als nur den Nahen Osten. In Washington tobt seit Monaten ein erbitterter Kampf zwischen den beiden großen Parteien um die Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik.
Dabei verfolgt ein Großteil der Republikaner unter ihrem neuen Sprecher Mike Johnson das Ziel, am liebsten keinen zusätzlichen Cent mehr für die Alliierten in der Welt auszugeben. Die Demokraten hingegen wollen die Verbündeten weltweit – von der Ukraine über Israel bis Taiwan – mit Milliarden an amerikanischen Dollars unterstützen. Es ist ein Kampf zwischen Isolationismus und Interventionismus, also zwischen einem Rückzug aus der Weltpolitik und einem stärkeren Engagement.
Die Republikaner stellen politische Fallen auf
Erkennen lässt sich dieser heftige Streit an komplizierten, aber zugleich sehr durchschaubaren politischen Manövern. Denn so haben die Republikaner zwar das 14-Milliarden-Paket für Israel im Repräsentantenhaus verabschiedet. Sie haben es aber zugleich verknüpft mit ebenso hohen Kürzungen bei der amerikanischen Steuerbehörde, dem Internal Revenue Service (IRS).
Diese Kürzungen sehen zwar auf den ersten Blick nach einer notwendigen Gegenfinanzierung für die zusätzlichen Sonderausgaben für Israel aus. Dahinter steckt aber zugleich ein Lieblingsprojekt der Republikaner, die US-Steuerbehörde so klein wie möglich zu halten. Vorgeblich, um amerikanische Steuerzahler vor allzu emsigen Steuerfahndern zu schützen. Indem sie die beiden Vorhaben Israel-Unterstützung und IRS-Kürzung miteinander verknüpfen, stellen die Republikaner den Demokraten eine politische Falle.
Dieser Verfahrens-Trick alleine wäre für die Demokraten schon Grund genug, das politisch verminte Hilfspaket für Israel abzulehnen, indem sie es mit ihrer Mehrheit im US-Senat scheitern lassen. Denn Joe Biden und seine Partei sehen eine finanziell und personell gut ausgestattete Steuerbehörde als Garant dafür, nicht den ärmeren, sondern den reichsten Amerikanern auf die Pelle rücken zu können. Die massive Aufstockung des IRS gehört quasi zur DNA der Demokraten für eine gerechtere Steuereintreibung.
Die amerikanische Sicherheitspolitik steht auf dem Spiel
Aber es geht wie gesagt um mehr als innenpolitische Spielchen. Das machte Joe Biden in seiner viel beachteten Israel-Ansprache im Oval Office vor zwei Wochen deutlich. Die Sicherheitsinteressen Amerikas seien längst nicht nur im Nahen Osten in Gefahr, sondern auch in Europa, wo Wladimir Putin unvermindert die Ukraine mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überzieht. Aus diesem Grund hatte auch der US-Präsident mehrere Vorhaben mit den Israel-Finanzhilfen verknüpft.
Bidens Forderung an die Abgeordneten im US-Kongress beschränkt sich nicht auf die jetzigen 14 Milliarden Dollar für Israel, sondern beläuft sich auf fast 106 Milliarden Dollar. Damit will das Weiße Haus sicherstellen, dass auch die Ukraine im Kampf gegen Russland weiterhin unterstützt wird. Denn gerade die Trumpisten in der Republikanischen Partei wollen diese Finanzhilfen am liebsten ganz einstellen. Die Sorge, auch international, ist groß, dass die USA als Hauptunterstützer deshalb ausfallen könnten. Schon seit Wochen liegen weitere notwendige Finanzhilfen im US-Kongress auf Eis.
Weil es den Demokraten um die grundlegende geopolitische Sicherheitsarchitektur geht, umfasst Bidens Milliardensumme nicht nur Gelder für die Ukraine und Israel. Neben humanitären Hilfen für die palästinensische Zivilbevölkerung soll mit den Milliarden auch der wachsenden Gefahr durch China im Pazifik gegen Taiwan und andere Staaten begegnet werden. Und um die Republikaner zu ködern, hatte die Biden-Administration sogar noch ein Budget für eine bessere Grenzsicherung zu Mexiko hinzugefügt. Die massenhafte ungesteuerte Zuwanderung aus Lateinamerika zu beenden, ist eines der politischen Hauptwahlkampfthemen der Republikaner.
Ungewissheit für die ganze Welt
Im Grunde stellt das Vorgehen der Biden-Regierung aus Sicht ihrer politischen Gegner also ebenfalls eine politische Falle dar. Es ist daher nur logisch, dass auch die Republikaner nicht in diese hineintappen wollen.
Aus der amerikanischen Binnenperspektive betrachtet, ist dieses politische Taktieren der beiden Großparteien nachvollziehbar. Die Verbündeten in der Welt aber stellt es einmal mehr vor große Ungewissheiten. Staaten wie Russland, China oder der Iran sind die Nutznießer einer solchen Situation. Es dürften nun weitere quälende Tage und Wochen vergehen, bis sich Republikaner und Demokraten auf einen Kompromiss einigen werden. Dabei besteht obendrein immer auch die Gefahr, dass die Trumpisten bei den Republikanern auch ihren neuen Sprecher stürzen, sollte er den Demokraten zu weit entgegenkommen.
Die weltpolitische Rolle, welche die USA künftig einnehmen wollen, ist derzeit absolut unklar. Denn sie hängt maßgeblich davon ab, wer die kommenden Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gewinnen wird und auf welche Mehrheiten im Repräsentantenhaus und im Senat das Weiße Haus dann bauen kann.
- Eigene Recherchen
- whitehouse.gov: "Remarks by President Biden on the United States’ Response to Hamas’s Terrorist Attacks Against Israel and Russia’s Ongoing Brutal War Against Ukraine" (Englisch)
- Abstimmung im US-Kongress